Kino in Bayern und München
Mit
Bayern verbindet man viele Vorstellungen und Ideen, aber nicht unbedingt die
einer vitalen Filmszene. Dabei war das heutige Bundesland seit den Anfängen ein
quicklebendiger Motor der Siebten Kunst, die mit den Studios in Geiselgasteig sich
sogar anschickten, zum Hollywood an der Isar zu werden. Bis zum Mauerfall
behauptete sich die Bavaria streckenweise sogar als internationaler Hotspot der
Filmproduktion.
Von
Thomas Brandlmeier
Das Studio A24: Eine Erfolgsgeschichte
Erst
2012 wurde das Studio gegründet, das hinter Arthouse-Highlights wie „Come on,
Come on“, ungewöhnlichen Genrefilmen wie „Hereditary“ und aktuell „Love Lies Bleeding“, Serien
wie „Beef“ oder dem „Oscar“-Erfolg „Everything Everywhere All at Once“ steht.
Doch in dieser Zeit ist es der Verleih- und Produktionsfirma gelungen, einen
wahren Hype um sich zu kreieren. Mit Strategien,
die clever die Veränderungen der Filmbranche in der letzten Dekade
aufgriffen und nutzten.
Von Jörg Marsilius
Was Filme über uns selbst verraten
Die Begegnung mit bestimmten
Filmen und Filmszenen prägt Menschen fürs Leben und beeinflusst ihren eigenen
Werdegang. Das ist die These des Psychotherapeuten Otto Teischel, die er in
seinem essayistischen Filmbuch „Im Kino des Lebens“ mit Blick auf seine persönlichen
Erfahrungen ausbreitet. Seine Schilderung des Kinos als kollektiver
Sehnsuchtsort hat manchen Reiz, verfällt an manchen Stellen aber weniger haltbaren
Behauptungen.
Von Stefan Volk
Über „The Zone of Interest" von Jonathan Glazer
Der
Film „The Zone of Interest“ reiht sich in die Versuche ein, den Holocaust mit den Mitteln des
Kinos zu vergegenwärtigen. Bei aller ästhetischen Eigensinnigkeit solcher
Fiktionalisierungen erliegt allerdings auch „The Zone of Interest“ dem Dilemma
einer solchen Beschäftigung mit den NS-Gräueln: an sie zu erinnern, ohne ihrer
sinnlich habhaft werden zu können oder gar zu wollen. Sie befördern eine
Illusionskultur, die das Verstehen behindert und sich allzu oft nur noch Abstraktes
vorstellen kann.
Von
Patrick Holzapfel
Gespräch über dezentrale Filmbildungsarbeit
Vom
5. bis 7. Juni 2023 findet der Kongress „Vision Kino 23“ statt.
Dabei geht es um Herausforderungen, Fragen und Ziele der Filmbildung,
die nach wie vor kaum öffentliche Wahrnehmung genießt. In einem Gespräch mit
drei Vertretern von Filmbildungsstätten beschreiben diese ihre Arbeitsrealitäten. Zugleich verraten sie einen klaren Blick
auf das, was eigentlich nötig wäre,
um Film fest in Bildungskonzepten zu verankern.
Das
Gespräch führte Patrick Holzapfel
Die 95. Verleihung der „Oscars“ 2023
Mit vier „Oscars“
für „Im Westen nichts Neues“, unter anderem als bester internationaler Film,
wurde bei der Verleihung der Academy Awards auch das deutsche Filmschaffen
gewürdigt. Der große Gewinner des Abends war hingegen das aberwitzige
Multiversum-Spektakel „Everything Everywhere All at Once“, das unter anderem als
bester Film geehrt wurde. Dessen Stars sorgten zudem für emotionale Glanzpunkte der
Gala.
Von Marius Nobach
Streamingangebote für Kinder & Heranwachsende
Alle Streaminganbieter, aber auch
die Mediatheken der Fernsehsender buhlen um Kinder als Zielpublikum
beziehungsweise um deren Eltern. Die Marktführer wie Netflix oder Amazon Prime
haben deshalb ein breites Filmangebot für Kinder, doch bei kleineren Anbietern findet
man oft ein feineres Programm. Dennoch ist die Auswahl fast unüberschaubar. Die
Übersicht über die wichtigsten Player und ihre Programme will dafür eine Hilfe bieten.
Von Rochus Wolff
Die Autor:innen von filmdienst.de haben abgestimmt
Die
Autorinnen und Autoren von filmdienst.de haben Paul Thomas Andersons
ungewöhnlichen Liebesfilm „Licorice Pizza“ zum besten Film des Jahres 2022
gekürt. Unter den Favoriten sind außerdem Joachim Triers „Der schlimmste Mensch
der Welt“, das irrwitzige Multiversums-Spektakel „Everything Everywhere All
at Once“ sowie das Horrordrama "Nope" von Jordan Peele. Alle Voten im Überblick und in den einzelnen "Best of"-Listen.
Filmförderung erneut vertagt
Die erneute
Verschiebung der Novellierung des Filmförderungsgesetzes (FFG) macht offensichtlich,
was die Spatzen von den Dächern pfeifen: dass die strukturelle Krise des Kinos
unübersehbar geworden ist. Mit dem Aufschub aber wird wertvolle Zeit
verschenkt, die nötig wäre, das Unaufhaltsame in einen geordneten Prozess zu
überführen.
Von
Lars Henrik Gass
Wider ein anthropozentrisches Kino
Der Mensch als Maßstab aller Dinge prägt
auch die Filmgeschichte. Doch es gibt Werke, die dem anthropozentrischen Kino etwas entgegensetzen, was keine Hierarchien
zwischen Dingen, Tieren, Pflanzen und Menschen zulässt. In
diesem „tellurischen“ Kino treten nicht mehr nur Menschen als Protagonisten auf;
statt einer an Bildungsroman oder Heldenreise geschulten erzählerischen Vorwärtsbewegung
kreist es zyklisch mit dem Kommen und Gehen all dessen, was wächst, gedeiht und
vergeht.
Von Patrick Holzapfel
#ichsehewas IV
Die neue Ausgabe von
#ichsehewas steht im Zeichen des Ukrainekrieges. Auch Kinder
und Jugendliche kommen nicht umhin, an den Ängsten, Sorgen und Debatten der
Erwachsenen teilzuhaben, auch wenn sie die Bedeutung der „Zeitenwende“ noch nicht
überblicken. Im Kino kommt es
darauf an, ob Filme über Krieg,
Flucht und Vertreibung für Jüngere zugänglich sind, zur Auseinandersetzung
anregen und mithelfen, Ängste und Sorgen zu kanalisieren.
„Mariupolis 2“ kommt in die Kinos
Am 2. April 2022 ermordeten
russische Soldaten den litauischen Regisseur Mantas Kvedaravičius, als er in
der belagerten Stadt Mariupol an einem neuen Film arbeitete. Seine Partnerin
Hanna Bilobrowa schaffte seine Leiche und das Filmmaterial aus der Stadt und
sorgte dafür, dass die Aufnahmen geschnitten wurden. Ab 1. September ist das
erschütternde Dokument mitten aus dem Krieg im Kino zu sehen.
Von Anna Mielikova
Die Olympiade 1972 im Kino
Am
26. August jährt sich der Beginn der XX. Olympiade 1972 in München zum
fünfzigsten Mal. Von den „heiteren Spielen“, die von den Morden an den
israelischen Sportlern überschattet wurden, erzählen sehr unterschiedliche
Filme, in denen sich Aufbruch und Ende einer Epoche spiegeln, die nicht nur die Erinnerungen an die Nazi-Zeit hinter sich lassen wollte. Ein
Rückblick auf das Nachleben von Olympia 1972 im Kino.
Von
Rüdiger Suchsland
Satire im zeitgenössischen Film
Satirische Filme und Fernsehformate boomen
aktuell, egal ob in Comedy-Shows wie "ZDF Magazin Royale", in Cannes mit „Triangle of Sadness“ oder im Kino, wo jüngst „France“ von Bruno Dumont über eine
manipulative Fernsehjournalistin gestartet ist. Die Satiren kommen voller gewitzter
Anspielungen und moralischem Impetus daher, doch hinter ihrem Gelächter offenbart sich oft eher Hilflosigkeit und
Selbstgerechtigkeit anstatt der Wille, etwas an den kritisierten Zuständen zu
ändern. Ein Essay über eine Kunstform in einer Krise.
Von Patrick
Holzapfel
Der 2. Kongress „Zukunft Deutscher Film“
Im
Rahmen des Frankfurter „Lichter Filmfests“ fand vom 11. bis 13. Mai 2022 auch
der 2. Kongress „Zukunft Deutscher Film“ statt. Dort sollten Krisen und Probleme der deutschen Film-
und Kulturpolitik mit ihren Auswirkungen auf das Kino diskutiert und
Lösungs-ansätze erarbeitet werden. Aber die
Veranstaltung zeigte vor allem Denkstarre und Ängste bei den Teilnehmern, die noch
immer auf die Zusammenarbeit mit Strukturen setzen, deren Schaden für die Entwicklung
von Filmkunst längst unbestreitbar ist.
Von
Lars Henrik Gass
Richard Linklater im Interview zu „Apollo 10 ½“
Mit „Apollo 10 1/2“ (zu
sehen bei Netflix) hat Regisseur Richard Linklater einen Film über das Kindsein
in einer anderen Ära vorgelegt, der eng verflochten ist mit seinen eigenen hochpersönlichen
Erinnerungen einer Jugend in Houston nahe der NASA Ende der 1960er. Das Ergebnis flirrt zwischen kindlicher Fantasie, subjektivem
Erleben und dokumentarisch anmutendem Zeitbild. Ein Gespräch über Film als
Medium der geteilten Erinnerung.
Das Gespräch führte Johannes Wolters
Eindrücke vom Filmfestival in Vilnius
#ichsehewas III
Wenn man an außergewöhnliche Kinderfilme denkt, auf
die immer wieder Bezug genommen wird, kommen einem Klassiker wie „Ronja
Räubertocher“ oder „Billy Elliot – I Will Dance“ in den Sinn, aber auch Mainstream-Filme
die „Harry Potter“-Filme oder die „Rico und
Oskar“-Reihe. Warum das so ist, was diese Filme so wichtig macht, aber auch
welche unbewussten Muster sie bedienen, will die dritte Ausgabe von „#ichsehewas“ ergründen, die sich um sogenannte „Referenz-Kinderfilme“ dreht und zu erklären
versucht, was deren Kern ausmacht.
Zwischen November 2013 und Februar 2014 drehte der ukrainische
Dokumentarfilmemacher Sergei Loznitsa seinen meisterhaften
Dokumentarfilm "Maidan" auf dem gleichnamigen Platz in Kiew. Bereits im
Mai 2014 lief der Film beim Festival in Cannes. Die Spannung zwischen
Loznitsas betont sachlicher Form und den aufpeitschenden Emotionen auf
der subtil gestalteten Tonspur ließen das Entstehen einer Revolution
hautnah miterleben. Nun
folgt mit "The Event" ein Archivfilm über den gescheiterten Putschversuch in Russland im Jahr 1991. Anlass für eine Würdigung von Loznitsas außergewöhnlichem dokumentarischen Schaffen.
Von Fabian Tietke
Essay über das Sammeln von Filmen
Filmrezeption
heißt Sammeln. Über die Notwendigkeit, Filme zu bewahren, herrscht in der
Theorie kein Zweifel, doch in der Praxis ist man beständig mit Schwierigkeiten
und angreifbaren Kriterien konfrontiert. Staatliche, private und piratengleiche
illegale Filmarchive existieren deshalb weitgehend unabhängig nebeneinander.
Dabei läge im Austausch der Sammlerschaften zumindest die Chance, von
den anderen zu profitieren, statt sich im eigenen Elfenbeinturm einzuigeln.
Von
Patrick Holzapfel
„The Batman“ von Matt Reeves
Der
Millionenerbe Bruce Wayne, der ein Doppelleben als maskierter Rächer Batman
führt und nachts die Verbrecher von Gotham City jagt, ist zurück. In „The
Batman“ von Matt Reeves blickt die seit den 1940er-Jahren etablierte Comicfigur
mehr als in allen filmischen Varianten zuvor in ihren eigenen Abgrund und
erkundet auf diese Weise den Mythos des „vigilante hero“. Mit modernen
Mythentheorien stellt sich die Frage: Was lernen wir aus dieser Nachtschatten-Fantasie
über uns und unsere Gegenwart?
Von
Marcus Stiglegger
Zur Landwirtschaft im Kino
Unentbehrlich,
aber umkämpft wie nie ist die Landwirtschaft heute – als Wirtschaftsfaktor, als
Umweltproblem und Mitverursacher von Klimawandel und Artensterben, als Frage
des Lebensstils. Das ist Anlass, die Filmbilder der Landwirtschaft ins Auge zu
fassen und Themen, Ideologien und Filmsprache des globalen Genres „Landwirtschaftsfilm“
zu analysieren.
Von
Patrick Holzapfel
Die Favoriten von "filmdienst.de"
Das Western-Drama „First Cow“ von Kelly Reichardt ist der beste Film des Jahres 2021. Das ergab eine Umfrage unter den Kritikerinnen und Kritiker von filmdienst.de. Auf Platz 2 folgt Dominik Grafs Erich-Kästner-Verfilmung „Fabian oder der Gang vor die
Hunde“. Auf den weiteren Plätzen: der Cannes-Gewinner „Titane“ von Julia Ducournau, "Nomadland" von Chloé Zhao und "Herr Bachmann und seine Klasse" von Maria Speth.
Gibt es eine Zukunft für die Kinokultur?
Das Siegfried-Kracauer-Jahresstipendium 2022 geht an
Filmjournalist Daniel Kothenschulte. Nach der aktuellen
Stipendiatin Esther Buss, deren Essays und Blogbeiträge der Filmdienst als
Medienpartner publiziert und die uns durch 2021 begleiten, wird Kothenschulte
sich im Rahmen seines Stipendiums im neuen Jahr dem Thema „Kino
gegen den Stream - Filmkultur nach der Krise“ widmen.
Sexueller Missbrauch im Kinder- und Jugendfilm
„Darf er das? Muss ich das? Bin ich schuld?“, fragen verstörte Jungen
und Mädchen in den Fernsehspots von Caroline Link, mit denen das Hilfstelefon
„Sexueller Missbrauch“ beworben wurde. Jetzt hat Link mit „Finnis Geheimnis“
auch ein Bilderbuch dazu veröffentlicht. Es gibt aber auch eine Reihe von Kurz-
und anderen Filmen zum Thema sexualisierte Gewalt, die sich explizit an Kinder
richten.
Von Marguerite Seidel
Über die Zukunft der Kulturbauten und des Kinos
Die Digitalisierung bedroht
herkömmliche Kulturorte wie Museen, Theater oder Kinos aufs Äußerste. Auf der
anderen Seite wächst die Sehnsucht nach öffentlichen Begegnungen in urbanen
Kulturbauten. Wie passt das zusammen? Und was erwächst aus den gegenläufigen Tendenzen? Verwandeln sich leerstehende Bürotürme und Shopping-Malls in den Innenstädten in kulturelle Zonen? Ein Gespräch zwischen dem Architekturkritiker Niklas Maak und dem
Leiter der Kurzfilmtage Oberhausen, Lars Henrik Gass.
Daft Punk - ihre Spielfilme und Musikvideos
Unter dem Namen Daft Punk
wurden Thomas Bangalter und Guy-Manuel de Homem-Christo zu Pionieren der
elektronischen Tanzmusik. Mit einem selbst inszenierten Spielfilm,
bemerkenswerten Musikvideos und Kompositionen für Filme haben sie aber auch markante
Spuren in der Filmgeschichte hinterlassen und sich dabei immer wieder mit der Gegenüberstellung
von Mensch und Maschine beschäftigt.
Von Stefan Stiletto
Nicolas Winding Refn sammelt Trash-Juwelen
Auf der 2018 ins Leben gerufenen Website byNWR versammelt
der dänische Regisseur Nicolas Winding Refn neu restaurierte Produktionen aus
den Niederungen der Filmgeschichte. Die B-Movies und Exploitation-Filme stehen vorwiegend
mit optionalen deutschen Untertiteln kostenlos zum Streamen bereit und
konfrontieren in Gestalt schundiger Genrefilme mit dem Vergessenen und
Verdrängten.
Von Michael Kienzl
Werkstattgespräch mit Birgit Hein
2013
gab es bei dem Videonale.scope-Festival in Köln und Bonn eine Retrospektive mit
dem Gesamtwerk von Birgit Hein. In diesem Zusammenhang fanden auch mehrere
Werkstattgespräche statt, die dokumentiert wurden. Die Filmemacherin spricht
darin auch über die Erben von X-Screen und den Umgang mit Avantgardefilm im
Kunstbetrieb.
Das
Gespräch führte Daniel Kothenschulte
Zur Zukunft der dffb
In der Diskussion um die Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin
(dffb) meldet sich der Filmemacher Gerd Conradt zu Wort. Er gehörte einst zu den 18 Studenten des ersten dffb-Jahrgangs
und sucht nun mit Blick in die Geschichte der Ausbildungsstätte nach Impulsen
für deren Entwicklung und Veränderung. Sein Vorschlag: ein neuer Studiengang.
Von Gerd Conradt
Die Zukunft der dffb - offen?
Im
Schatten der Corona-Krise und unter Ausschluss der Öffentlichkeit läuft derzeit
an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) ein „Change Prozess“,
der die widerspenstige Hochschule als Unternehmen durchleuchtet – mit dem Fernziel,
die Akademie für den vom Senat projektierten Mediencampus am Flughafen
Tempelhof fit zu machen. Für die künstlerische Leitung wird jetzt auch ganz
unverblümt eine „unternehmerisch handelnde“ Persönlichkeit gesucht. Doch die
Proteste bleiben aus.
Von Susanne Heinrich
Kunst lässt sich nicht vermitteln
Auf der Suche nach einer gendergerechten Sprache scheinen
die „Filmschaffenden“ ein goldener Ausweg zu sein. Doch in dieser Wortschöpfung
verdichtet sich eine restaurative Tendenz, die Kunst und Kultur auf das Bestehende
reduziert und ihr verstörendes Potenzial beseitigt. Am Tropf staatlicher
Förderung droht der Anspruch, nicht verstanden zu werden, in Anpassung oder nationale
Identitätspolitik aufgelöst zu werden.
Von Lars Henrik Gass
Kino & Streaming
Kinos halten bislang
streng auf Abstand zu Streaming-Portalen. Das hat sich im vergangenen Jahr noch
verschärft, als die Filmtheater im Zuge der Corona-Pandemie schließen mussten
und Streaming-Dienste einen weiteren Aufstieg erlebten. Dabei wäre eine
fruchtbare Nutzung des online verfügbaren Angebots für die Kinos eine große
Chance. Denn auch im Internet sollte gelten: Es kommt nicht auf die Menge des
Angebots, sondern auf die Qualität der Auswahl an.
Von Mikosch Horn
Die Favoriten der Filmdienst-Autor*innen
Ein irrwitziger Film für ein irrwitziges Jahr: Die Autorinnen und Autoren von filmdienst.de haben einen Adam-Sandler-Film zum Favoriten des Jahres gewählt, „Der schwarze Diamant“ von Ben & Joshua Safdie.
Außerdem auf Spitzenplätzen: das russische Drama „Bohnenstange“, die surreale
Tragikomödie „I’m Thinking of Ending Things“ und das französische
Gesellschaftsdrama „Die Wütenden“.
Im Dialog mit Dietmar Dath
Für seine Kritik zu Tim
Millers „Terminator: Dark Fate“ wurde der Autor Dietmar Dath mit dem
Siegfried-Kracauer-Preis für die beste Filmkritik 2020 ausgezeichnet. Die Jury lobte
dabei insbesondere die sprachliche und sinnliche Qualität des Textes, die nicht
nur eine literarische Form entwerfe, sondern zum Nachdenken über die politische
Gegenwart anrege. Ein Interview über Filmkritik, Dissidenz und Subversion, Dustin
Hoffman, Don Johnson und Mackenzie Davis.
Das Gespräch führte Ulrich
Kriest
Positionspapier des Hauptverbandes Cinephilie
Um das Thema Filmbildung wird in
Deutschland immer wieder heftig gestritten. Jüngst meldete sich der
„Hauptverband Cinephilie“ (HvC) mit einem Positionspapier zu Wort, in dem eine
strukturelle Verankerung der Filmbildung gefordert und die Politik in die Pflicht
genommen wird. In dem Papier wird auch deutlich, worum es in dieser
Auseinandersetzung im Kern geht: um über Filme in all ihren Erscheinungsformen
mehr gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.
Von Fabian Tietke
Ein Essay von Lars Henrik Gass
Derzeit tobt in
Köln eine Auseinandersetzung zwischen dem Filmclub 813 und dem Kölnischen
Kunstverein. Ein lokaler Konflikt, der indes bezeichnend ist für den Stand der
Dinge im Verhältnis Film und Kunst in Deutschland und die unerträgliche
Stiefkind-Rolle, die Filmkultur hierzulande im Vergleich zu anderen
Kunstsparten fristet. Ein Plädoyer für ein radikales Umdenken.
Von Lars Henrik Gass
Von der Diversity-Checkliste zum Universalismus
Mit
„divers“ erzählten Stoffen will die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein
(FFHSH) künftig bislang vernachlässigte Zielgruppen des deutschen Films
ansprechen. Bei Förderanträgen muss künftig eine „Diversity“-Checkliste ausgefüllt werden. Damit droht nach den Länder-Effekten einmal mehr neuer Förder-Unsinn.
Viel besser wäre es, das Förder-System generell radikal umzubauen. Und mutig
nach Wegen aus der Identitätsfalle zu suchen.
Ein
Essay von Lars Henrik Gass
Die Favoriten von "filmdienst.de"
Die bissige Gesellschaftssatire "Parasite" von Bong Joon-ho ist der Film des Jahres 2019! Das ergab eine Auswertung der "Top Ten"-Listen, mit denen die Filmkritikerinnen und -kritiker von filmdienst.de ihre Favoriten kürten. Auf Platz 2 rangiert Céline Sciammas historischer Liebesfilm "Porträt einer jungen Frau in Flammen"; Platz 3 sicherte sich Martin Scorseses Gangsterdrama "The Irishman".
Im Naturfilm dominiert eine neue Ästhetik
Es
vergeht kein Tag, ohne dass in den Medien Tiere zu sehen wären. Das steht in
einem krassen Missverhältnis zum dramatischen Rückgang der Artenvielfalt. Auch
hat sich die Weise, wie Tiere gefilmt werden, grundlegend geändert. Statt
geduldiger Beobachtung mit dem Teleobjektiv dominieren Drohnenkameras und
High-Tech – plus ein Schuss Pornografie.
Ein
Essay von Patrick Holzapfel
Das VoD-Portal der Bibliotheken
Öffentliche Bibliotheken
in Städten und Gemeinden bieten schon seit Ewigkeiten nicht nur Bücher und
Zeitschriften, sondern auch Filme und Serien an; seit geraumer Zeit auch zum
Streamen. Durch die Kooperation mit dem Video-on-Demand-Portal filmfriend.de hat
dieses Angebot nun eine erhebliche Aufwertung und Ausweitung erfahren.
Von Reinhard Kleber
Road Movies: Eine Hommage
Auszuschwärmen in die Welt
ist ein alter Menschheitstraum, den das Kino in unzähligen Variationen stets
eifrig bedient hat. In Zeiten, da man nicht reisen kann und nicht mal mehr die
Wohnung grundlos verlassen darf, füllen gerade die Filme der Straße die weißen
Flecken der Fantasie am glänzendsten aus. Eine Hymne auf die Road Movies, die
nie so sehr als Sirenen der Freiheit erschienen wie jetzt.
Von Arne Koltermann
Die Silberlinge 2019/20: Die besten Heimkino-Editionen
DVDs, Blu-rays und 4k-UHD-Scheiben sind im
besten Fall nicht nur „Trägermedien“ für Filme, sondern bieten durch ihre
Aufmachung und ihr Bonusmaterial einen Mehrwert. Die besten dieser Editionen
werden jährlich von filmdienst.de mit dem Gütesiegel „Silberling“ geehrt. Hier die Auswahl der letzten Monate.
Von Jörg Gerle
Eine Bilanz der Kinodekade 2010-2019
Was hat das Kino
der 2010er-Jahre geprägt? Statt von Innovationen und neuen Themen muss man vielleicht eher von fehlender
Experimentierfreude und einem Trend zur Formatierung sprechen, zumindest im
US-Kino. Freilich gab es aber doch einzelne Filmemacher, denen in den letzten
zehn Jahren Meilensteine der Filmgeschichte gelangen. Und das französische Kino
als verlässlichen Jungbrunnen der Filmkunst.
Von Rüdiger Suchsland
Warum das deutsche Kino ein Netzwerk „Film gegen Rechts“ braucht
Heftige Proteste
der deutschen Filmszene gegen Hans Joachim Mendig, den Geschäftsführer der hessischen
Filmförderung, haben in der Affäre um sein Treffen mit dem AfD-Politiker Jörg
Meuthen jüngst zu dessen Rücktritt geführt. Das allein aber reicht bei weitem
nicht. Der „Fall Mendig“ führt vielmehr vor Augen, warum sich Film- und Kulturschaffende
dringend gegen den wachsenden rechtspopulistischen Einfluss auf die deutsche Kulturpolitik
positionieren sollten.
Von Rüdiger Suchsland
Filmfestivals im Zeichen des Klimanotstands
Für
den 20. September 2019 hat die Bewegung „Fridays for Future“ zu einem
internationalen Aktionstag für den Klimaschutz aufgerufen. Das neue Bewusstsein
für die Umwelt und die Forderung, unnötige Klimabelastungen zu vermeiden, stellen
auch Filmfestivals vor große Herausforderungen: Einerseits wollen sie gern als ökologische
Vorreiter hervortreten, andererseits könnten sie sich mit einer radikal
gesäuberten Klimabilanz ins eigene Fleisch schneiden.
Ein Beitrag von Lars
Henrik Gass
Zur Debatte um Filmbildung & „Vision Kino“
Der
Beitrag „Rettet die Filmbildung! Aber vergesst „Spider-Man“ nicht!“ von Stefan
Stiletto hat eine kontroverse Resonanz ausgelöst. Drei Akteure aus dem Umkreis
der Verbände, die eine Neuausrichtung von „Vision Kino“ fordern, antworten auf Stilettos „Zwischenrufe“ und fordern
eine offene Debatte.
Ein Gastbeitrag von Verena von Stackelberg,
Judith Funke und Mikosch Horn
Zur Debatte um „Vision Kino“
Die
Nachbesetzung des Leitungspostens bei „Vision Kino“ hat sechs Verbände auf den
Plan gerufen, die eine grundlegende Revision der Institution fordern und
konkrete Änderungen vorschlagen. Manches davon ist gar nicht so neu, andere
Ideen vielleicht sogar kontraproduktiv. Ein Zwischenruf aus der Sicht eines
Filmpädagogen.
Von Stefan Stiletto
Animation in Deutschland
Deutschlands
Animationskünstler sind international geschätzte Kreative; um die Strukturen
der deutschen Animationsfilmbranche ist es dagegen schlecht bestellt – das
machte ein Positionspapier deutlich, das im Juni erschienen ist. Dabei zeigt sich: In Deutschland wird jede Menge künstlerisches und wirtschaftliches
Potenzial verspielt.
Kritikerspiegel "Top Ten"
Aus der Sicht der filmdienst-Kritikerinnen und -Kritiker war 2018 ein gutes Jahr, reich bestückt an außergewöhnlichen Filmen, die man auch in Jahren noch erinnern wird. An erster Stelle der "Top Ten" rangiert "Transit" von Christian Petzold, dicht gefolgt von "Glücklich wie Lazzaro" von Alice Rohrwacher und Martin McDonaghs "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri".
Über autobiografisches Erzählen
Die eigene Familiengeschichte in Filmen zu erfassen, ist für viele Dokumentaristen eine reizvolle Herausforderung. Die fiktionale Seite von Erinnerungen denken Filmemacher dabei immer öfter mit, was zu Filmen jenseits klassischer Erzählweisen führt: Inszenierte Szenen, Reenactments und stilisierte Tableaus erschaffen hybride, spannungsvolle Formen. Ein Essay über die Neuerfindung des autobiografischen Erzählens im Dokumentarfilm.
Von Esther Buss
Ein filmpolitischer Kommentar
Was
muss geschehen, um die Filmkultur in Deutschland am Leben zu erhalten? Über
diese Frage wird kontrovers diskutiert; Petitionen, Manifeste und
Forderungen sprießen aus dem Boden – doch bewegt hat sich bislang wenig. Lars
Henrik Gass, seit 1997 Leiter der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen und Vorstandsmitglied
des Bundesverbands kommunale Filmarbeit, kommentiert den Kampf ums Kino – und findet,
dass es dabei viel zu oft gar nicht um die Filmkultur geht.
Herausragende BD/DVD-Editionen
Regelmäßig zeichnet der Filmdienst DVD/BD-Ausgaben, die durch besondere editorische Sorgfalt glänzen, mit dem "Silberling"-Prädikat aus. Hier sind die Preisträger der letzten sechs Monate.
Ein Ranking der BBC
Eine Umfrage der BBC unter 368 Filmexperten aller
Geschlechter hat die besten 100 Filme, die von Frauen inszeniert wurden,
eruiert. An der Spitze steht unangefochten „Das Piano“ von Jane Campion; die
französische Filmemacherin Agnès Varda ist mit insgesamt sechs Werken vertreten;
es konnten sich aber auch Maren Ade und Margarethe von Trotta platzieren – und
kurioserweise auch Leni Riefenstahl.
FILMDIENST Favoriten
Wie jedes Jahr haben unsere Kritikerinnen und Kritiker auch Ende 2017 das Kinojahr noch einmal Revue passieren lassen und die zehn wichtigsten Filme gekürt. Favorit ist Paul Verhoevens provozierendes Drama "Elle" mit Isabelle Huppert.
"Sonnensystem" von Thomas Heise
Zum 200. Jahrestag der Unabhängigkeit Lateinamerikas von den spanischen Kolonisatoren wollte das Goethe-Institut einen Film über die Dialektik der Befreiung in Auftrag geben. Das war der Ausgangspunkt von "Sonnensystem" von Thomas Heise.
Von Ralf Schenk
Der Trickfilmzauberer Karel Zeman
Die Zauberwelt des Karel Zeman lag in
der tschechischen Stadt Zlín. Hier, in den Räumen eines nüchtern
anmutenden Filmstudios, ließ er urzeitliche Fabelwesen aufeinander
prallen, von hier aus schickte er Baron Münchhausen auf eine Reise zum
Mond oder und verhalf dem
Zauberschüler Krabat zu neuem Leben.
Von Ralf Schenk
Thomas Heise & "Material"
Thomas Heises Essay „Material“ (2009), ein Höhepunkt der
diesjährigen „Berlinale“, ragt „schon jetzt wie ein erratischer Block
aus dem Meer audiovisueller Reminiszenzen an Agonie und Aufbruch im
deutschen Osten heraus (...) eine Beschwörung jenes Gefühls von
Freiheit, das für ein paar Wochen von einem utopischen Traum zur
greifbaren Realität geworden zu sein schien“.
Interview mit Thomas Heise
Forschungsreise in deutsche Realitäten – als solche lässt sich das
Gesamtwerk des Regisseurs Thomas Heise beschreiben. Seine
Dokumentarfilme führen Menschen, Lebensumstände, Landschaften,
historische Gegebenheiten genau und geduldig vor Augen und zielen immer
wieder auf schwierige, ungemütliche Nervenpunkte herrschenden deutschen
Selbstverständnisses.
Das Gespräch führt Michael Girke
G.W. Pabst und "Der letzte Akt"
Oliver Hirschbiegels NS-Drama "Der Untergang" wirkt über weite Strecken wie ein Remake des Films "Der letzte Akt" von G.W. Pabst. Das hat auch damit zu tun, dass beide Filme auf derselben Quelle basieren: den Erinnerungen von Traudl Junge. Doch Pabsts Film ist in Vergessenheit geraten. Selbst umfangreiche Filmgeschichten wissen nichts von ihm.
Von Michael Töteberg
Thomas Heise und seine Filme
Sich mit dem filmischen Werk Thomas Heises auseinander zu setzen, heißt,
lineare Methoden der Rezeption auf den Prüfstand zu stellen. Man kommt
seiner Komplexität nicht bei, wenn man einzelne Filme ins Zentrum der
Analyse rückt und die übrigen Aspekte außer Acht lässt; denn die
Filmografie des 1955 in Ost-Berlin geborenen Heise lässt sich von seinen
Aktivitäten für Theater und Hörfunk sowie von autobiografischen
Wechselfällen nicht trennen.
Von Claus Löser
Der Filmemacher David Lynch
In den rätselhaften Filmen von David Lynch tut man gut
daran, sich an die Frauenfiguren zu halten. Das gilt auch für „Mulholland Drive“,
in dem Lynch neben Naomi Watts und Laura Elena Harring auch die Königin des Stepptanzes
besetzt, die inzwischen 82-jährige Ann Miller. Einmal mehr unterstreicht Lynch,
dass er zu den großen Frauen-Regisseuren der Filmgeschichte zählt.
Von Franz Everschor
Bücher und Kalender über Leni Riefenstahl
Zur Frankfurter Buchmesse 2000 geriet der Kölner Taschen-Verlag
in die Schlagzeilen der Kritik. Vorgeworfen wurde ihm, dass er mit
einer Trias aus Postkartenmäppchen, Kalender im A5-Format sowie dem
„magnus opus“ einer Bildbiografie Leni Riefenstahl einzig zum Zwecke
eigenen Profits zu weiterem Nachruhm verhilft.
Von Eva Hohenberger
Leni Riefenstahl wird 95
Leni Riefenstahl hat vier Filme für das Dritte Reich gedreht. Sie hat
sich unter Absehung der politischen Realitäten von einem totalitären
Regime kaufen lassen, dessen Avancen, wenn man ihr denn glauben will,
sie missverstand, dessen heroisches Eigenbild sie aber
teilte. Sie hat sich inzwischen mehr als 50 Jahre darin geübt, nicht
einmal das begreifen zu wollen.
Von Eva Hohenberger
Steven Spielberg verfilmt "Schindler's Liste"
Wie Steven Spielberg, der Nachfahre russisch-polnisch-jüdischer Einwanderer, das Buch "Schindler's List" von Thomas Keneally verfilmte, die Geschichte eines reichen katholischen Unternehmers und NSDAP-Mitglieds, der in seinem Betrieb in Krakow 1100 Menschen vor der Gaskammer rettete.
Von Franz Everschor