Alle Streaminganbieter, aber auch die Mediatheken der Fernsehsender buhlen um Kinder als Zielpublikum beziehungsweise um deren Eltern. Die Marktführer wie Netflix oder Amazon Prime haben deshalb ein breites Filmangebot für Kinder, doch bei kleineren Anbietern findet man oft ein feineres Programm. Dennoch ist die Auswahl fast unüberschaubar. Die Übersicht über die wichtigsten Player und ihre Programme will dafür eine Hilfe bieten.
Streaming gilt heute als die größte Bedrohung des Kinos – und für viele auch der Cinephilie. Filmbegeisterte Eltern haben darauf allerdings womöglich eine etwas andere Perspektive. Spätestens während der Pandemie war die heimische Kollektion von ein bis fünf Streaming-Accounts für Eltern oft die Rettung im Betreuungswahnsinn: schnell verfügbare Unterhaltung, die Kinder glücklich macht und die Eltern für 20 bis 90 Minuten ein wenig entlastet. Keine optimale Lösung, aber wer missmutig von Rabeneltern und „Parken vor dem Bildschirm“ grummelt, wird mit Doppelbelastung und Kita-Schließungen nicht unter sechs Wochen bestraft.
Denn dass cinephile Eltern mit ihren Kindern gerne ins Kino gehen, steht ja gar nicht in Frage – die meisten möchten das gerne. Aber an dunklen Dienstagvorabenden findet sich keine Kindervorstellung fürs Grundschulalter, und für viele Haushalte ist mehr als ein Kinobesuch im Monat mit dem Nachwuchs weder organisatorisch noch finanziell drin.
Aber warum auch? Das (irreführende) Streaming-Versprechen ist ja, dass alle Filme, die man sich wünscht, nur ein, zwei Klicks weit entfernt sind, und schon ist man für wenig Geld bei selbstgemachtem Popcorn für die ganze Familie dabei. Disney hat seine Plattform Disney+ im Januar 2022 genau damit beworben: „Alles, was du liebst und alles, was du nie erwartet hättest“. Darin steckt das Versprechen von wohliger Nostalgie, die der Konzern mit seinem riesigen Katalog erfüllen will, ebenso wie von aufregenden Neuigkeiten.
Undurchschaubare Tiefe
Die Praxis sieht freilich anders aus: Das große Angebot, das in der Tat da ist, fühlt sich einerseits unüberschaubar breit an, weil es kaum je in seiner Gesamtheit erfasst werden kann. Diese Erfahrung brachte den mittlerweile schon gut abgehangenen Gag hervor, dass man für einen Netflix-Abend zwei Stunden mit der Auswahl eines Films verbringt, um dann eine halbe Stunde nach dessen Beginn auf dem Sofa einzuschlafen.
Andererseits ist das Angebot zugleich flach und schal, weil die Algorithmen die immergleiche Massenware empfehlen, kaum besser und abwechslungsreicher als das Kinoprogramm in dem einen Multiplex einer mittelgroßen Stadt. Und natürlich sind bei weitem nicht alle Filme, die man sehen will, auch wirklich bei irgendeinem der Anbieter im Katalog. Das gilt für das generelle Angebot der Streamingdienste, ganz besonders aber für die Kinderfilme.
Der Effekt dieser Umstände ist desorientierend: Ein Blick ins Streamingangebot für Kinder gleicht einem Blick in einen trüben Ozean. Eine riesige Fläche mit immergleichen Wellen, doch von der Oberfläche aus lässt sich kaum erkennen, was darunter alles zu finden ist – und wie tief die Wasser wirklich sind.
Wie aber lässt sich das ändern? Verschaffen wir uns doch erst mal einen Überblick über die Angebote.
Die drei Platzhirsche: Netflix, Amazon Prime & Disney+
Unter den Anbietern mit Abo-Modell sind Netflix, Amazon Prime und Disney+ sicher jene mit dem größten Filmangebot für Kinder und Jugendliche. Amazon bietet mit seinem Videodienst zusätzlich noch die Möglichkeit, ein großes Angebot an aktuellen und älteren Filmen auf Pay-per-View-Basis zu buchen.
Disney+ hat mit 700 oder mehr Kinderfilmen vermutlich den familienfreundlichsten Ruf – und mit seinem großen Katalog an Zeichentrick- und Animationsfilmen, von Disney wie von Pixar, natürlich auch ein starkes Angebot. Dazu kommen zahlreiche kindertaugliche Klassiker (etwa „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“, doch wer erinnert sich noch an „Ein toller Käfer“ oder an „Käpt’nBlackbeards Spuk-Kaschemme“?), von denen viele aber womöglich eher die nostalgischen Gefühle der Eltern ansprechen als das Interesse der Kinder.
Durch die Integration der Filme von 20th Century Fox finden sich im Angebot auch viele der neueren und älteren Produktionen dieses Studios, etwa „Rico, Oskar und die Tieferschatten“; aber auch Produktionen von StudioCanal und Constantin Film sind im Angebot enthalten.
Amazon und Netflix bieten in ihren Abos jeweils etwa 500 Kinder- und Familienfilme an. Netflix hat in den letzten Jahren eine große Zahl an Eigenproduktionen auf den Weg gebracht, deren Qualität von US-amerikanischer Standardware bis zu kleinen Meisterwerken reicht – das gilt vor allem für Animationsfilme wie etwa „Klaus“ oder „Die Mitchells gegen die Maschinen“.
Ein starkes Argument für Netflix ist der Umstand, dass der Anbieter hierzulande exklusiv die Filme des japanischen Studio Ghibli streamt – also insbesondere die großartigen Klassiker von Hayao Miyazaki wie „Mein Nachbar Totoro“ oder „Chihiros Reise ins Zauberland“.
Auch darüber hinaus macht das Angebot einen internationaleren Eindruck als bei den großen Mitbewerbern; hier gibt es auch viele Kinderfilme aus europäischen Nachbarländern – allerdings fehlt diesen häufiger eine deutsche Synchronisation, was bei Kinderfilmen schnell ein Problem wird. Netflix hat hier anscheinend vieles ins Programm genommen, um gesetzlichen Regulierungen zu entsprechen, dabei aber nicht wirklich an ein internationales Publikum gedacht.
Bei Amazon Prime findet man dafür einige der bekannteren und erfolgreicheren Filmreihen: sämtliche „Harry Potter“-Filme, fast alle Filme mit den Minions und vieles mehr. Bei diesem Anbieter gibt es auch zahlreiche deutsche Kinderfilme (aus den DEFA-Studios ebenso wie jüngere Produktionen). Schaut man in die Tiefen des Katalogs, kann man einige wunderbare (US-amerikanische wie europäische) Überraschungen entdecken, aber auch viel Durchschnittsware und Schrott.
Die drei Halbstarken: Paramount+, Sky und AppleTV+
Der Pay-TV-Anbieter Sky leistet sich schon längere Zeit mit WOW auch einen Streaminganbieter; hier ist das Angebot für Kinder stark vom konkreten Tarif abhängig; man tut dem Programm aber nicht unrecht, wenn man eher einen Fokus auf Mainstream-Unterhaltung diagnostiziert, viele recht aktuelle Filme, aber insgesamt ein kleineres Angebot.
Das sieht bei AppleTV+ ähnlich aus; der Dienst startete erst Ende 2019 und bietet ganz bewusst nur eine kleine Auswahl. Für Kinder findet sich dort eine sehr überschaubare Selektion: Einige Filme der „Peanuts“ lassen sich streamen, die Animations-Eigenproduktion „Luck“ und ein paar weitere mehr. Absolutes Highlight ist „Wolfwalkers“ von Tomm Moore, ein Animationsmeisterwerk, das es exklusiv nur bei AppleTV+ zu sehen gibt.
Noch sehr neu und zum Start offenbar auch von technischen Problemen geplagt ist Paramount+, der Streamingdienst des gleichnamigen Studios. Der Katalog ist hier insgesamt noch recht dürftig, bei den Kinderfilmen gibt es nur ein paar bemerkenswerte Angebote wie „Der Sternwanderer“ und „Mäusejagd“. In den USA bietet Paramount eine wesentlich größere Vielfalt. Es muss sich noch zeigen, ob davon auch in Deutschland etwas spürbar wird.
Ständig im Wandel: die Mediatheken
Alle Streamingdienste mit Abo-Angeboten verändern immer wieder ihr Angebot (mit oder ohne Vorwarnung), aber am meisten im Fluss und dafür ohne zusätzliche Kosten (vom Rundfunkbeitrag mal abgesehen) sind die öffentlich-rechtlichen Mediatheken.
Das Erste, ZDF und KiKA bieten regelmäßig auch sehr anspruchsvolle Kinderfilme in ihren Mediatheken an, meist im direkten zeitlichen Kontext einer Fernsehausstrahlung. Hier finden sich oft weniger internationale Großproduktionen als anspruchsvolle und interessante deutsche und europäische Kinderfilme. Manche erfolgreiche Evergreens, für die offenbar längerfristige Verwertungsrechte bestehen (weil die Sender als Produzenten mit an Bord waren), tauchen immer wieder auf, aber die Abwechslung ist dennoch groß.
Der einzige Nachteil: Hier sind die Angebote, vor allem etwas anspruchsvollere Filme, oft nur eine Woche bis einen Monat verfügbar – man muss also eher ad hoc schauen, was in den Mediatheken zu finden ist; richtig planbar ist das nicht.
Zum Ausgleich bieten die öffentlich-rechtlichen Sender auch viele Dokumentationen an, kürzere und mittlere Formate; insgesamt ist es hier leichter, für Kinder geeignete Sendungen zu finden. Auch arte bietet immer mal Filme an, die man seinen Kindern zeigen kann und möchte und vielleicht auch sollte!
Zu oft unter dem Radar: die vielen Kleinen
Neben all diesen Angeboten gibt es zahlreiche, äußerst interessante kleinere Anbieter mit zum Teil sehr unterschiedlichen Angeboten. Manche davon bieten Abo-Modelle, die meisten außerdem auch Pay-per-View-Angebote (üblicherweise im Rahmen von zwei bis fünf Euro), einzelne haben sogar teilweise kostenlos Filme dabei. Die Aufzählung ist nicht vollständig, sollte aber die großen Kleinen zumindest beinhalten:
- alleskino.de – Der Dienst präsentiert die große Breite des deutschen Films, zum Beispiel auch alte Augsburger Puppenkiste-Produktionen – bei Kinderfilmen startet das Angebot aber erst so richtig in den 2000er-Jahren. Es fehlt die ganze DEFA.
- sooner.de – Die DEFA findet man bei diesem „European Streaming Network“ dafür nahezu komplett; im Kidsbereich gibt es generell viele ungewöhnliche Filme, es lohnt der genauere Blick.
- cinemalovers – Zahlreiche kleinere Kinos in Deutschland haben während der Pandemie diese „solidarische VoD-Plattform“ gegründet, die regelmäßig auch anspruchsvolles Kinderkino bietet. Hier muss man sich etwas umständlich über die Websites der teilnehmenden Kinos zur jeweiligen Unterseite durchklicken.
- MUBI.com – Wer anspruchsvolle Filme liebt, hat hier wahrscheinlich schon einen Account. Im Bereich „Family viewing“ gibt es auch ausgewählte Preziosen für den Nachwuchs.
- LaCinetek.com – So anspruchsvoll das Programm hier ist, eignet es sich doch kaum für Kinder. Entsprechenden Filme, etwa „Apus Weg ins Leben: Auf der Straße“, sind dann oft nicht synchronisiert.
- netzkino.de – Die Plattform bietet eine ganze Reihe von Kinderfilmen auch kostenlos und zum Teil über YouTube an. Hier gibt es oft nur die deutsche Sprachfassung, die Qualität variiert heftig zwischen Meisterwerken wie „Die geheimnisvolle Minusch“ über „Die Abenteuer der kleinen Giraffe Zarafa“ bis zu wirklich grauslig wirkenden Disney-Nachahmungen.
- Flimmit und Kividoo – Das Angebot dieser Plattformen ist eher uninteressant.
Das beste Angebot: Filmfriend
Während man sich bei anderen Plattformen schnell im Überangebot verliert und unter Umständen irritiert die Abo-Modelle studiert, macht Filmfriend das alles sehr einfach. Für den Zugriff genügt ein Bibliotheksausweis einer der 575 beteiligten öffentlichen Bibliotheken in Deutschland, Österreich oder der Schweiz – mit den dafür erhobenen Gebühren (falls welche anfallen) ist der Zugriff auf alle Filme kostenlos.
Das Kinderfilmangebot (kuratiert von Horst Peter Koll, dem ehemaligen Chefredakteur des „Filmdienst“) ist vielfältig und groß, zum Teil in thematisch sortierten „Kollektionen“ zusammengefasst, nach Altersempfehlungen sortierbar, international und anspruchsvoll. Die teuren Großproduktionen und Disney-Filme fehlen hier; dafür gibt es Kurz- und Langfilme, dokumentarische Formate und schräge Animationen.
Beileibe nicht alles ist dabei ein Meisterwerk, aber die Informationen zum Film (inklusive Auszügen aus Filmkritiken und konkreter Altersempfehlung) erlauben einen schnellen Blick darauf, was das junge Publikum erwartet. Ein besser strukturiertes und ausgewähltes Kinderfilmprogramm bietet hierzulande kein Streamingdienst.
Für den Überblick: Werstreamt.es und Justwatch
Wer auf der Suche nach einem ganz konkreten Film ist, möchte nicht unbedingt alle möglichen Streamingdienste durchklicken müssen. Glücklicherweise gibt es zwei Plattformen, die nahezu tagesaktuell und mit großer Zuverlässigkeit die gezielte Suche erleichtern:
Welche der beiden Plattformen man vorzieht, ist womöglich eher eine Frage der persönlichen Präferenz. Beide bieten auch die Möglichkeit, die Ansicht über die Streamingdienste mit einem Account zu personalisieren, sodass man zum Beispiel die abonnierten (oder auch nur präferierten) Dienste hervorgehoben sieht, oder sich anzeigen lassen kann, was in deren Katalogen gerade neu angeboten wird.
Beide bieten auch die Möglichkeit, gezielt nach Kinder- beziehungsweise Familienfilmen zu suchen, auch wenn die Kategorisierung bei beiden nicht immer ganz zuverlässig funktioniert.
Und wo finde ich jetzt gute Filme?
Noch immer überfordert vom Angebot? Nicht verzweifeln! Bei allen Abo-Anbietern gibt es Probe-Wochen oder -Monate, man kann sich auch nur monatsweise binden und muss dies nicht unbedingt für längere Zeit tun.
Für aktuelle Empfehlungen ist es natürlich sinnvoll, etwa die aktuellen Streaming-Hinweise auf filmdienst.de zu nutzen oder auf die Streaming-Empfehlungen von flimmo.de zurückzugreifen – dann muss man sich nicht durch die endlosen Listen gehypter Neuigkeiten klicken.
Im Zweifelsfall ist ein Bibliotheksausweis jedenfalls die richtige Lösung – die Häuser bieten ja oft genug noch physische DVDs, aber mit Filmfriend ist hier die empfehlenswerteste Streaming-Lösung zu finden – für all jene, die nach einem wirklich anspruchsvollen und abwechslungsreichen Angebot an Kinderfilmen suchen.