Mit
Bayern verbindet man viele Vorstellungen und Ideen, aber nicht unbedingt die
einer vitalen Filmszene. Dabei war das heutige Bundesland seit den Anfängen ein
quicklebendiger Motor der Siebten Kunst, die mit den Studios in Geiselgasteig sich
sogar anschickten, zum Hollywood an der Isar zu werden. Bis zum Mauerfall
behauptete sich die Bavaria streckenweise sogar als internationaler Hotspot der
Filmproduktion.
Das Kino in Bayern ist eine ziemliche Münchner Angelegenheit. Die Distribution folgte überall dem filmgeschichtlich bekannten Schema: Jahrmarkt, Kinosaal, Kinopalast, Tonfilmkrise, Wiederaufbau nach 1945. Bis die Konkurrenz des Fernsehens das langsame Ende des Kinos als Leitmedium einläutete. Die Schuhschachtelkinos der 1970er- und die Multiplexe ab den 1980er-Jahren waren die Folge. Ganz anders ist es mit der Produktion, die fast ausschließlich in München beheimatet war und ist. Wobei es bei einer so kapitalintensiven und von spezialisierten Zentren abhängigen Industrie höchst erstaunlich ist, dass es fern von Berlin in einem Bundesland überhaupt gelang, eine nennenswerte Produktion aufzubauen.
Die Anfänge
Am Beginn der bayerischen Filmgeschichte steht ein unbekannter Kameramann der Gebrüder Lumière, der 1896 einige Aufnahmen von Münchner Sehenswürdigkeiten machte. Der Vergleich mit anderen Städtebildern der Lumières ist auffällig. Die Menschen bewegen sich in München mit einer Gemütsruhe, die sich von der großstädtischen Hektik anderer Metropolen deutlich unterscheidet. Fußgänger queren Prachtstraßen wie einen idyllischen Dorfplatz. Im selben Jahr organisiert der Schausteller Carl Gabriel die ersten Filmvorführungen in München. Jahrmarktkino und ambulantes Kino (in Wirtshäusern und ähnlichen Orten) lassen sich in Bayern ab 1896 in vielen Städten nachweisen. Die frühen Programme boten ein Potpourri aus kurzen Attraktionen wie etwa Bilder von Sehenswürdigkeiten oder Akrobaten, komische und erotische Szenen, aber auch Aufnahmen von militärischen Manövern, oft mit Kaiser Wilhelm II. oder bayerischen Prinzen.
Das erste Kino in München und wohl auch in Bayern ist der „Weltkinematograph“ von 1906 in der Liebfrauenpassage. 1908 eröffnete die Freiburger Firma Weltkinematograph auch in Augsburg ein Kino. Carl Gabriel gründet 1907 das „Gabriel Filmtheater“ in München und 1909 die „Karolinenlichtspiele“ in Augsburg. Schon früh zeigten sich konkurrierende Unternehmer. Das Augsburger Varieté von Fridolin Widmann wurde 1909 zum Thalia Theater, musste aber 1914 wieder schließen, weil der Druck durch Zensur (ab 1910) und Konkurrenz zu groß war.
Die Anfänge eines eigenständigen Filmschaffens stehen ganz unter der Dominanz französischer Firmen. Peter Ostermayr und Franz Ostermayr (Künstlername: Franz Osten), die wichtigsten Münchner Filmpioniere, drehen 1908 Reportagen, Alpenbilder und Eindrücke von den Königsschlössern für die französischen Firmen Pathé, Gaumont und Éclair. 1909 entstand das erste süddeutsche Filmatelier, die „Münchner Kunstfilm Peter Ostermayr“. Das Atelier des elterlichen Fotobetriebs am Stachus wurde von den Brüdern Ostermayr als Filmstudio zweckentfremdet. „Die Wahrheit“ aus dem Jahr 1910 ist Peter Ostermayrs erster Spielfilm, ein wildes Künstler-Melodram um einen erblindenden Sänger, der von seiner Geliebten betrogen wird.
1911 beginnt der Volksschauspieler Karl Valentin, Filmgrotesken zu drehen. Drei seiner frühen Filme sind erhalten, darunter „Der neue Schreibtisch“ (1914). Bertolt Brecht, der ihn wenig später kennenlernte, hat von Valentins radikaler Form viel profitiert und dreht mit ihm verschiedene Projekte, etwa den Film „Mysterien eines Frisiersalons“ (1922).
Um 1910 gab es in den Städten fast überall Kinos und zur ideologischen Kontrolle die Zensurstelle in München. Die gesellschaftliche Akzeptanz des Kinos erfolgte erstaunlich rasch, nicht zuletzt dank des bayerischen Königshauses, das sich für das neue Medium mit großer Gewogenheit interessierte. Die „Sendlinger Tor Lichtspiele“ in München wurden 1913 in Anwesenheit von Königshaus und Hofstaat eröffnet.
Film im Ersten Weltkrieg
Gleich mit Beginn des Ersten Weltkriegs macht auch das Kinoleben mobil. Franz Ostermayr dreht in den Vogesen Kriegsreportagen und Peter Ostermayr bringt den Film „Das Heldenmädchen aus den Vogesen“ (1914) heraus; die Kämpfe in den Vogesen wurden fast ausschließlich von bayerischen Truppen bestritten. Auch Martin Kopp, ein weiterer Münchner Filmpionier, dreht Kriegsreportagen. Für den propagandistischen Schliff sorgt die Zensur.
Während des Ersten Weltkriegs verfolgte Peter Ostermayr dieselbe Vision wie der Filmproduzent Erich Pommer. Es galt, für die Zeit nach dem Krieg die ökonomischen Weichen zu stellen. Die Konzentrationswelle im internationalen Filmgeschäft wies dabei den Weg; horizontal und vertikal verknüpften Filmkonzernen gehörte die Zukunft. Peter Ostermayr schmiedet eine Weile zusammen mit Pommer gemeinsame Pläne. Doch dann entschied er sich für einen eigenen Konzern. Pommer blieb ihm freundschaftlich verbunden. So teilte er ihm mit, dass bei der Ufa für ihn immer ein Platz frei sein.
1918 gründete Peter Ostermayr die „Münchner Lichtspielkunst GmbH“ (kurz: M.L.K. = Emelka), die er in den folgenden Jahren zum Emelka-Konzern ausbaute. Die wichtigste Maßnahme war dabei die neue Produktionsstätte in Geiselgasteig. 1920 wurde das große Glasatelier fertiggestellt. Die EMELKA entstand aus dem Zusammenschluss mehrerer kleiner Filmfirmen und wuchs durch Zukäufe; mit den Süddeutschen Filmwerken Geyer erhielt sie ein eigenes Kopierwerk.
Bereits 1917 erfolgte die Gründung der Filmfirma ARRI (= Arnold und Richter) durch August Arnold und Robert Richter. Die Gründung verdankte sich mittelbar dem Ersten Weltkrieg. Während einer vormilitärischen Ausbildung lernen Arnold & Richter 1915 Martin Kopp kennen, der das Training für die Messter-Wochenschau filmt. Kopp, ein weiterer Münchner Filmpionier, besaß eine filmtechnische Werkstatt, in der die beiden Gymnasiasten Arnold und Richter das Filmhandwerk von der Pike auf lernten.
Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs kamen in der bayerischen Revolution von 1918/19 lang aufgestaute soziale Konflikte zum Ausbruch. Die historischen Filmdokumente zeigen eindrucksvoll, wie die Massen von den Straßen Besitz ergriffen. Allein zur Beerdigung von Kurt Eisner kamen über 100.000 Menschen zusammen, was in den Filmdokumenten gut nachvollziehbar ist. Später, beim Einmarsch der Freikorps, sind in den bürgerlichen Vierteln die Straßen schwarz von jubelnden Bürgern. Die innere Zerrissenheit der jungen Republik ist in diesen Dokumenten mit Händen zu greifen. Für die Filmbranche war die Revolutionszeit ein Glücksfall. Die Zensur war äußerst großzügig. Bei der Zerschlagung der Räterepublik entstand die früheste erhaltene Filmaufnahme von Adolf Hitler, der am 10. Mai 1919 in Lederhosen den Freikorps zujubelt.
Exportschlager bayerischer Film
Die Münchner Filmproduzenten setzten das Anschauungsmaterial „Revolution“ in Filmen mit Massenszenen um. „Desperados“ (1919) von Toni Attenberger ist ein antisemitischer Hetzfilm gegen die Revolution. Andere Großfilme kleiden ihre Angst vor revoltierenden Massen in Historienbilder. Mit dem billigen Inflationsgeld werden in München innerhalb von nur fünf Jahren ein gutes Dutzend Großfilme produziert. Das Inlandsgeschäft spielte dabei keine große Rolle; wichtig war der Verkauf der Filme ins Ausland, was harte Devisen brachte. Das war ein Geschäftsmodell, das in der gesamten deutschen Filmindustrie praktiziert wurde und die frühe Kapitalisierung vorantrieb.
Für „Brunnen des Wahnsinns“ (1921) von Ottmar Ostermayr entstand auf dem Emelka-Gelände eine orientalische Stadt mit dem sinnigen Namen Melka. Peter Ostermayr, der die Ganghofer-Filmrechte erworben hatte, nützte die oberbayerische Landschaft für Filme wie „Der Jäger von Fall“ (1918), „Gewitter im Mai“ (1919), „Der Edelweißkönig“ (1919) und den Großfilm „Der Ochsenkrieg“ (1919), der auch im großen Glasatelier entstand. Robert Reinert drehte Großfilme von spekulativer Exotik: „Opium“ und „Nerven“ (1919). Dekadente Milieus, Sittenverfall und psychische Verirrungen dienten darin der Schaulust. Manfred Noa spezialisierte sich auf Historienfilme wie „Helena“ (1923), mit einer veritablen Seeschlacht am Wörthsee. Richard Eichberg drehte 1922 „Monna Vanna“. Die ungeheuren Statistenmassen rekrutieren sich aus dem Heer der Arbeitslosen.
Daneben wurden in München Actionfilme mit Serienhelden produziert: die Stuart-Webbs-Detektivfilme mit Ernst Reicher, die Isarwestern mit Alfred Paster und Fred Stranz, Filme um den Kraftmenschen Marco mit Josef „Joe“ Stöckel. Ebenso schamlos wie die Ganghofer-Verfilmungen von Peter Ostermayr machen diese Actionfilme Gebrauch von den landschaftlichen Schönheiten. Während die zeitgenössischen US-Western Landschaft nur als Staffage betrachten, trumpfen die Münchner Filmen mit Oberbayern auf, als wären die Rockies nichts dagegen.
Lokal und landschaftlich gebunden sind auch die Filme um die Mythologie des österreichischen und bayerischen Herrscherhauses, vor allem um Kaiserin Elisabeth, Sis(s)i von Österreich, und den „Märchenkönig“ Ludwig II. 1913 entstand von und mit Ferdinand Bonn der dokumentarische Spielfilm „Ludwig der Zweite von Bayern“. Rolf Raffé spezialisiert sich auf dieses Genre: „Ludwig II., König von Bayern“ (1919) und „Kaiserin Elisabeth von Österreich“ (1920). Im Oberland gab es kleinere Produktionsfirmen, die nur einen Film drehten wie etwa die Schlierseer Volkskunst mit „Der Christus von Oberammergau“ (1920) oder die Historica Film GmbH, Kochel, mit „Der Schmied von Kochel“ (1922); die Atelieraufnahmen entstanden dazu in den Münchner Studios.
Die Münchner Zensurstelle, die während der Weimarer Republik als besonders streng und willkürlich galt, war für die Münchner Filmindustrie ein echtes Problem. Nicht nur Gewalt und Erotisches, sondern auch religiöse Gefühle und politische Tendenz standen auf dem Prüfstand. Die Münchner Zensur wurde durch die Oberprüfstelle in Berlin aber öfters noch überstimmt. Es gab aber auch politische Eingriffe, die unter Bruch reichsgesetzlicher Vorschriften polizeilich durchgesetzt wurden; etwa das Aufführungsverbot von „Nathan der Weise“ oder „Panzerkreuzer Potemkin“. Ritter von Epp, der NS-Chef in München, schickte auch gerne seine Randalierer los. Dass ein prominentes Aufklärungsstück, Lessings „Nathan der Weise“, antisemitisch niedergemacht wurde, war ein besonderer Skandal. Die Zustände waren für die nichtklerikale, liberale und linke Presse beständiger Anlass zu höhnischen Berichten: „Die Filmprüfstelle München hat in einem Film (…) betitelt „Die Spelunke zur blauen Meerkatze“ das Wort Spelunke verboten. Der tiefere Sinn dieser weisen Entscheidung ist uns nicht ganz klar. Wir können uns nicht vorstellen, dass durch das Wort ‚Spelunke‘ die öffentliche Ordnung und Sicherheit irgendwie gefährdet wird oder dass es entsittlichend oder verrohend wirken könne. Dass es Spelunken gibt, wird auch die Filmprüfstelle München nicht bestreiten. Wir glauben sogar, dass die bayerische Hauptstadt von diesen Erscheinungen nicht ganz frei ist.“ (Der Kinematograph, 1923). Der Hitchcock-Film „Garten der Lust“ musste in „Irrgarten der Leidenschaft“ umgetauft werden, und der Bolvary-Film „Frauen, die vom Weg abirren“ in „Frauen, die nicht lieben dürfen“. Sogar ein amtlicher österreichischer Aufklärungsfilm über Geschlechtskrankheiten wurde polizeilich in Überschreitung der Amtsbefugnisse verboten.
Dauerkrise und Kooperationen
Die geradezu atemberaubende Blüte des Films nach dem Ersten Weltkrieg fand mit der Rentenmark 1923 ein abruptes Ende. Die Kapitalisierung von billigem Inflationsgeld mit hartem Devisenverkauf funktionierte nicht mehr. Eine Dauerkrise trat ein, befeuert durch ruinöse Großproduktionen. Durch eine Ausweitung der Geschäfte nach England erhoffte sich die Emelka ein Sprungbrett auf den US-amerikanischen Markt. 1925 entstand die Joint Venture Emelka/Gainsborough; in London eröffnete die Emelka eine Niederlassung. Ferner erwarb sie die Kinokette der Phoebus-Film, die einen Auswertungsvertrag mit MGM besaß. Die Zusammenarbeit mit britischen Firmen war von filmhistorischer Bedeutung. 1924 entstand so der Film „Die Leuchte Asiens“ von Franz Osten. Der Film erzählt sehr frei das Leben von Buddha nach und wurde an indischen Originalschauplätzen gedreht. Es folgten weitere indische Großfilme von Franz Osten, der in den 1930er-Jahren nach Indien übersiedelt und die dortige Filmindustrie wesentlich prägt. In seinem Film „Shiraz“ (1928) gab der indische Regisseur Charu Roy als ein Hauptdarsteller sein Filmdebüt; Charu Roy und Himansu Rai betrachteten sich immer als Schüler von Osten. Noch Satyajit Ray schwärmte von Osten als dem Begründer einer realistischen indischen Schule im Kino (Cinema Vision, Nr. 1, 1980, 7).
Ein anderes Produkt der deutsch-britischen Kooperation sind die ersten Filme von Alfred Hitchcock, die er in Geiselgasteig drehte: „Irrgarten der Leidenschaft“ (1925) und „Der Bergadler“ (1926). Hitchcock hatte nie einen Hehl aus seiner Verbundenheit mit der deutschen expressiven Bildtechnik gemacht. Weitere wichtige Filme aus dieser Zeit sind Friedrich Wilhelm Murnaus einzige Komödie, „Die Finanzen des Großherzogs“ (1924) sowie die Großfilme „Taras Bulba“ (1924) von Wladimir Strijewski (Strischewsky) und „Waterloo“ (1928) von Karl Grune.
1929 eskalierte die Dauerkrise der Emelka mit der Ankunft des Tonfilms. Die finanzielle Neuordnung führt schließlich 1932 zum Konkurs und zur Umwandlung in die „Bavaria Film AG“ unter der Ägide von Kommerzienrat Wilhelm Kraus.
1929 eskalierte die Dauerkrise der Emelka mit der Ankunft des Tonfilms. Die finanzielle Neuordnung führt schließlich 1932 zum Konkurs und zur Umwandlung in die „Bavaria Film AG“ unter der Ägide von Kommerzienrat Wilhelm Kraus.
Filmindustrie in der NS-Zeit
Trotz der Rechtslastigkeit vieler Filmproduktionen wurde auch progressive Filme in München gedreht, die von den Nationalsozialisten massiv attackiert wurden, etwa „Nathan der Weise“ (1922) von Manfred Noa oder „Westfront 1918“ (1930) von Georg Wilhelm Pabst. 1931 verschärfen sich die Angriffe der NS-Presse wie auch die Übergriffe in den Filmtheatern. Ab 1933 setzt eine Emigrantenwelle von Filmleuten ein, die wesentlich zum Film in Bayern beigetragen haben, unter ihnen der ehemalige Emelka-Direktor Max Schach, die Schauspieler Therese Giehse und Kurt Horwitz, der Kameramann Franz Planer, der Experimentalfilmer Oskar Fischinger, die Regisseure Karl Grune und Max Ophüls. Vielfach waren es politische Gründe, meist aber auch die jüdische Herkunft, die in Folge der „Arisierung“ der Filmindustrie zur Ausreise zwang.
1933 vollbringt die Münchner Filmindustrie ihren Kotau vor den neuen Machthabern mit dem Film „SA-Mann Brand“ von Franz Seitz senior. Joseph Goebbels hielt „SA-Mann Brand“ allerdings für „nationalen Kitsch“; der Film erzählt von einer jungen Kommunistin, die heimlich den SA-Mann Brand liebt. In seinem Tagebuch vermerket Goebbels am 14. März 1933: „Manche Partien fast unausstehlich.“
„Hitlerjunge Quex“, eine Anbiederungsproduktion der Ufa, wurde in München uraufgeführt. Auch diesen Film betrachtet Goebbels als zu plump; heute löst die alberne Argumentation des Films nur noch Gelächter aus.
Am 9. November 1933 „blickt die nationalsozialistische Revolution in München auf ihren Sieg zurück“, heißt es in den Filmdokumenten „Adolf Hitler vor der alten Garde“ und „Gedenkfeiern zum 9. November“. Am 20. März 1933 wurde Oberbürgermeister Wilfried Scharnagl von der Bayerischen Volkspartei aus dem Amt gejagt. Davon geben auch die Filmdokumente „München 1933 Machtübernahme“ und „Die Fahne hoch! Bilder aus den Tagen der deutschen Revolution“ aus dem Jahr 1933 Zeugnis. Mit den Ehrentempeln erhielt München die zentrale Kultstätte des Dritten Reiches. Das Filmdokument „Der Bau der Ehrentempel“ (1934) zeigt das Areal als Großbaustelle. Das Ritual des 9. Novembers wurde jährlich filmisch dokumentiert. Am ausführlichsten „Die ewige Wache“ (1935) mit Rückblicken und nachinszenierten Rückblenden. Vom Bürgerbräukeller ziehen Hitler und die alte Garde mit der „Blutfahne von 1923“ zum Marienplatz und zur Feldherrnhalle. Am Königsplatz übergeben die Freikorps ihre Fahnen der SA. Nazi-Bürgermeister aus ganz Bayern werden vereidigt. Rückblendenstakkato: Erster Weltkrieg/Warum die Toten?/Schließlich Bürgerkrieg/Aber einer wusste wohin/ Parteigründung NSDAP/Hände legen sich übereinander. 1935 werden die Leichen der 16 Toten des Putschversuchs von 1923 überführt, die Sarkophage werden in den Ehrentempeln unter offenem Himmel aufgestellt. Die Namen werden von Gauleiter Wagner einzeln aufgerufen und von Hitler und der Menge mit „Hier!“ beantwortet. In voller Länge in "Für uns" (1936).
1939 zeigte sich, dass es auch ein anderes München gab. Das Filmdokument „Hitlerattentat im Bürgerbräukeller 1939“ berichtet von dem Schreiner Georg Elser, der im Löwenbräukeller ein Bombenattentat auf Hitler verübte.
Nürnberg erlitt mit den drei Filmen von Leni Riefenstahl das Schicksal der Reichsparteitage „Sieg des Glaubens“ (1933), „Triumph des Willens“ (1934) und „Tag der Freiheit! – Unsere Wehrmacht“ (1935). Riefenstahl gelang damit etwas, was man als genuin faschistische Ästhetik bezeichnen kann. Ihre Mischung aus Ornament der Masse und Führerkult in dynamischen Bildern, ausgefallenen Perspektiven und rhythmischer Montage, nur mit einer fließenden Toncollage ohne Kommentar, hatte später Auswirkungen bis in die Popkultur. Riefenstahl arbeitete mit den besten deutschen Kameraleuten. Sie sicherte sich bei Hitler persönlich privilegierte Produktionsressourcen und verärgerte Goebbels damit.
Willy Zielke, ein namhafter Fotograf der Neuen Sachlichkeit, begann 1931 in München mit kleinen Filmarbeiten. 1934 entstand anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Reichsbahn in München und Nürnberg sein Opus magnum „Das Stahltier“. Der Film besteht aus einem dokumentarischen Teil über die Arbeit der Rangierer in München-Freimann und kleinen Inszenierungen zu bedeutenden Pionieren der Eisenbahn. „Das Stahltier“ war nicht kompatibel mit der Ästhetik des Faschismus. Zielke zeigte echte Rangierarbeiter, ohne Exerzierspaten. Es sind Profis mit schlechten Zähnen, Haken- oder Knollennasen und zerfetztem Arbeitsgewand. Außerdem trinken sie bei dieser hochgefährlichen Arbeit jede Menge Bier. Die Reichsbahn lehnte den Film als ungeeignet ab und die Zensur verbot ihn, angeblich weil darin lauter englische Erfinder vorkommen.
Objekte aus dem Deutschen Museum und dem Verkehrsmuseum in Nürnberg dürfen in „Das Stahltier“ zeigen, was sie können. Hadleys „Puffing Billy“, der Dampfwagen von Cugnot, Stevensons „Rocket“ und andere. Zielkes Inszenierungen sind nicht nur episch, sondern auch ironisch. Während sich Fahrgäste der dritten Klasse um die Freifahrtplätze streiten, hält ein würdiger Herr eine pathetische Rede, die dann in Kanonendonner mündet. Die „Puffing Billy“ hat einen steifen Maschinisten, der so gar nicht zur Bergwerksatmosphäre passt.
Einen kleinen
filmhistorischen Witz erlaubte sich Zielke beim Dampfwagen von Cugnot. Der
Artillerieoffizier Cugnot wird von Max Schreck gespielt; in Erinnerung
an „Nosferatu“ ist alles klischeehaft expressionistisch gestaltet, fast wie im
Lehrbuch. Das Herzstück des Films aber ist die Belebung der toten Materie.
Bauteile aus Stahl und Eisen explodieren in der feuerspuckenden Arbeit am
Hochofen. Puffer, die zusammenprallen, werden zu Bierkrügen. Fahrende Loks,
verschmelzende Gleisanlagen und fliegende Masten. Die Loks geben Geräusche von
sich wie Lebewesen. Und die Musik von Peter Kreuder tönt atonal und verjazzt.
Die Tonmontage ist genauso wichtig wie die Bildmontage. Auf glitzernden
Stahlbändern bewegen sich ölige Kolosse, die Dampf, Rauch und Staubwolken
produzieren. Höhepunkt ist das subjektive Rad. Die Kamera ist an einem Rad
befestigt, und der Horizont fängt erst langsam, dann immer schneller an zu
kreisen.
Brutaliltät in Stein
Der Akademieprofessor Georg Buchner prägte für das festliche München der NS-Zeit den Begriff „Stadtschmuck“. Selbst klassizistische Bauten haben in München neubarockes Geschnörkel; außer Rom gibt es in keiner Stadt mehr Brunnen als in München. Hier liebt man Dekoratives und Spektakuläres; die meisten deutschen Monumentalfilme wurden in München gedreht, nicht in Berlin. Die Stadt eignete sich nicht für ernste Dinge wie Reichsparteitage. Hitler hatte andere Pläne. München sollte das geistige und künstlerische Zentrum des Reichs werden. Am Chiemsee war eine zentrale Eliteschule mit enger Anbindung an München geplant. München sollte völlig umgestaltet werden. Der Hauptbahnhof sollte nach Pasing verlegt werden. Die Achse von Pasing bis zum Hauptbahnhof war als überdimensionierte Straße mit entsprechend großen Gebäuden geplant, unter anderem mit einem Opernhaus von einer Größe, die kein lebender Sänger hätte füllen können. Das Areal von Bahnhof, Stachus und Lenbachplatz hätte als Basis für einen gigantischen Obelisk der Bewegung gedient, neben dem sich die Altstadt wie Disneyland ausgenommen hätte.
Hitlers Liebe zu München äußerte sich vor allem darin, dass er die halbe Stadt abreißen wollte. Sehen kann man das alles in den Filmen von Kurt Rupli: „Das Wort aus Stein“ (1939), „Bauplanungen München“ (1938) und „Münchner Ansichten“ (1937-1939). Ruplis Filme kämpften kameratechnisch mit dem brutalen Neoklassizismus, bei dem Länge und Höhe der Bauten Qualitatives ersetzen müssen. Musik und Ton sind bewusst klotzig, ihre Überzeugungskraft liegt auf der Ebene des Beschwörend-Pathetischen. Die Ornamentfeindlichkeit dieses faschistischen Klassizismus benötigt das Ornament der Masse. Ihr Gebrauchswert ist ihr Kulissenwert fürs Volk als Masse. Alexander Kluge und Ulrich Schamoni haben 1960 dafür den passenden Filmtitel „Brutalität in Stein“ gefunden.
Der Brand des Glaspalastes in München, der in einem Filmdokument aus dem Jahr 1931 zu sehen ist, machte den Bau für eine neue Ausstellungshalle frei, das „Haus der Deutschen Kunst“, finanziert aus Spenden der deutschen Großindustriellen. In den Dokumentarfilmen des Dritten Reichs ist das Gebäude von Paul Troost eine feste Größe. „Grundsteinlegung“ (1933); geschnitten, wie Hitler den Hammer zerbricht.
„Das Haus der Deutschen Kunst“ (1935) von Armin Hauslade zeigt hölzern nachgestellt eine historische Besprechung im Büro des Gauleiters Wagner, das Modell im Atelier von Troost, Hitlers Rede; es folgt der Umzug mit Athene, Allegorien der Künste, antiken Modellen, deutschem Handwerk, Bamberger Reiter und einer Dame mit Einhorn. Bemerkenswerterweise findet sich auch ein Bild von Lovis Corinth darunter. Zur Eröffnung entstand „Tag der deutschen Kunst“ (1937) von Hans Ertl im Riefenstahl-Stil. Streng stilisiert geht es von den Alpen bis zum Haus der Deutschen Kunst, aber der krude Umzug mit Wehrmachtswikingern, Burgen, Domen, Sonne und Mond war auch Ertl zu kunterbunt, der das Ganze ins Kuriosenkabinett kippen lässt. Weitere Filme sind „Tag der Kunst und Haus der Kunst“ (1937/38) sowie „Große Deutsche Kunstausstellung“ (1942): Wehrkunst und eine Statue von Thorak, die für ihre Monumentalität gepriesen wird. Die „Große Deutsche Kunstausstellung“ von Walter Hege ist in ausgeblichenem Agfacolor erhalten. Der Film argumentiert, dass die Kunst als Zeuge des deutschen Wesens beweise, „warum wir kämpfen“.
Für Amateurfilmer hatte die Gauleitung einen Wettbewerb zum Tag der Deutschen Kunst ausgeschrieben. Dabei wurde 1938/39 ein 16mm-Kodachrome-Material verwendet, das im Gegensatz zum Agfacolor durch seinen Drei-Farben-Druck kaum ein Colour-fading nach sich zog. Hans Feierabend drehte Material, das sich der inszenierten Politik entzog und Privates festhielt, einen eifersüchtigen Heß, einen leutseligen Himmler, einen grinsenden Hitler. Das Pferderennen „Das Braune Band von Deutschland“ wurde durch die legendäre „Nacht der Amazonen“ im Nymphenburger Park abgeschlossen. Der Amateur Josef Eckstaller filmte diese „Nacht der Amazonen“; sie ist in ihrer verklemmten Freizügigkeit genauso unfreiwillig komisch wie die goldbronzierten griechischen Götter und das goldene Kalb beim Festzug zum Tag der Deutschen Kunst. Eckstallers „Tag der Deutschen Kunst“ zeigt die Teilnehmer des Umzugs nach einem Wolkenbruch; regennass und mit verbiesterten Gesichtern ziehen sie ab. Ein Spielverderber ist auch Ulrich Kayser; er drehte 1938 einen biederen München-Film, der von ewigen Festen, Frieden und der Kunst als Fest handelt, aber wenig von der Architektur des Dritten Reichs zeigt. Ludwig I. erscheint wichtiger als Hitler. Der Film wird verboten.
1937 war Mussolini zu Besuch in München. Ein Jahr später durfte er die Münchner Konferenz moderieren; dazu entstehen zwei namenlose Filmdokumente. 1937 eröffnete Hitler die Autobahn München-Berlin. „Münchens Umbau beginnt“ plangemäß 1938. Im selben Jahr gibt es einen Oktoberfestfilm. 1940 paradiert die Wehrmacht zum Sieg über Frankreich, gefilmt in der Ludwigstraße und am Siegestor. Ein Filmdokument aus dem Jahr 1937 zeigt, dass im Bibliotheksbau des Deutschen Museums die Hetzausstellung „Der ewige Jude“ stattfindet. Der gleichnamige Film wurde 1940 von Fritz Hippler kompiliert. 1938, bei der Reichspogromnacht, ist „zufälligerweise“ auch eine Kamera dabei, als die kleine Synagoge brannte. Danach wird die Hauptsynagoge abgebrochen; der Abbruch wurde gefilmt, ebenso der Abbruch der Matthäuskirche im gleichen Jahr auf Befehl des betrunkenen Gauleiters Wagner, der sich über das Verkehrshindernis geärgert hat. Danach geht das Abbrechen ganz schnell.
Es gibt erstaunlich viele kleine
namenlose Dokumente zum Sujet München und Krieg. Frauenarbeit,
Luftschutzübungen, Metallsammlung, Bunkerbau, Entertainment für Verwundete. Der
Bund Deutscher Filmamateure veranstaltete 1943 eine heitere Landpartie nach
Dachau; zwischendrin muss ein SS-Mann aus dem nahen Lager weg zum Dienst. Die
Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen. Hans Albin drehte 1941 den
Tobis-Trichter „Volkshumor aus deutschen Gauen“: Adolf Gondrell, Karl Valentin
und Weiß Ferdl sitzen zum Schluss verdrießlich am Tisch und legen die
Buchstaben E N D E.
Zyklopenbauten für die Ewigkeit
Die Kriegszerstörungen dürfen offiziell nicht gefilmt werden; der Amateur Eckstaller macht zwischen 1943 und 1945 aber heimlich Aufnahmen. 1945 übernehmen dann die Kameraleute vom US Signal Corps das Dokumentieren. Sie waren Ende April 1945 auch in Dachau; dort filmten sie die Toten, die Überlebenden und entsetzte Deutsche, die sich abwenden. Das Material fand teilweise auch in „Die Todesmühlen“ (1945) von Hanuš Burger Eingang. Beim Einmarsch nach München erbeuten die GIs ein Stadtschild „Hauptstadt der Bewegung München“ mit Einschussloch. Nachdem aufständische Wehrmachtseinheiten die SS besiegt hatten, gab es keinen Widerstand mehr. Anfang 1947 filmte das Signal Corps die Sprengung der Ehrentempel; ein paar Münchner schleichen desinteressiert und frierend vorbei. Hitler hatte seine Bauten zwar für die tausendjährige Ewigkeit geplant, doch für den Fall des Untergangs diskutierte man auch den Ruinenwert der Bauten. Das Ergebnis waren Zyklopenbauten: Natursteinquader auf Stahlbetonskelett. Davon steht in München noch eine ganze Menge herum, versteckt hinter Efeu, mit abrasierten Freitreppen und anderen feinsinnigen Korrekturen, aber immer noch massiv bis zur Dysfunktionalität. Der Haupteingang vom „Haus der Kunst“ ist so schwer auffindbar, dass er für Ortsfremde mit Wegweisern und Transparenten sichtbar gemacht werden muss.
Was sonst noch an kritischen Filmen produziert wurde, ist auf bemerkenswerte Weise stets mit dem Groteskkomiker Karl Valentin verknüpft: „Die verkaufte Braut“ (1932) von Max Ophüls sowie diverse Valentin-Sketche wie „Der Firmling“, „Die karierte Weste“, „Der Theaterbesuch“, „Die Orchesterprobe“, „Der Antennendraht“, „Im Photoatelier“, „Im Schallplattenladen“, „Der verhexte Scheinwerfer“ oder „Beim Rechtsanwalt“. Alle Filme entstanden in Zusammenarbeit mit seiner langjährigen Partnerin Liesl Karstadt, die meist in der Rolle des Augusts zu sehen ist, der mit dem weißen Clown Valentin kämpft. In Zusammenarbeit von Karl Valentin und Jacob Geis entstand 1936 „Die Erbschaft“, eine bitterböse Abrechnung mit dem Regime, die wegen „Elendstendenzen“ sofort verboten wurde.
1937 präsentierte ARRI auf der Leipziger Messe die Spiegelreflexkamera „Arriflex“, eine der besten Kameras, die je gebaut wurden. Bis Kriegsbeginn wurden in den USA nur drei Exemplare verkauft, was die Kamera extrem begehrt machte. Eine „Arriflex“ stellte für US-amerikanische Filmoffiziere nach dem Krieg die wichtigste Beute dar. Viele technische „Oscars“ für die „Arriflex“ und filmtechnische Neuerungen gingen später an ARRI. Mit der ARRI-Digitalkamera „Alexa“ ging die Ära der „Arriflex“ erst 2010 zu Ende.
Neben propagandistischen Filmen entstanden weiterhin Filme mit süddeutschem Kolorit und Bayern-Filme mit Volksschauspielern wie Joe Stöckel, Weiß Ferdl und Wastl Witt. 1937 drehte Anton Kutter den bemerkenswert weitsichtigen Kurzfilm „Weltraumschiff 1 startet“. „IA in Oberbayern“ (1936) von Franz Seitz wird einer der größten Erfolge der Bavaria, auch wenn er die Pleite im Jahr 1937 nicht mehr abwenden kann. Dies ist die Stunde der 1929 gegründeten Cautio-Treuhand GmbH von Max Winkler, die für das Propagandaministerium Unternehmen der deutschen Filmindustrie aufkauft. 1938 entstand so die reichsmittelbare „Bavaria Filmkunst GmbH“; 1942 wurde dieser Prozess durch die Einverleibung der Bavaria in den Ufa-Konzern abgeschlossen.
Die Tradition der Isarwestern setzt sich mit Filmen wie „Gold in New Frisco“ (1939) von Paul Verhoeven und „Wasser für Canitoga“ (1939) von Herbert Selpin mit Hans Albers fort. Paul May (= Paul Ostermayr) drehte „Links der Isar, rechts der Spree“ (1940) und „Die unheimliche Wandlung des Alex Roscher“ (1943), Luis Trenker „Der Feuerteufel“ (1940), Herbert Selpin „Geheimakte WB1“ (1942).
Neuanfang der Filmproduktion 1945
1945 wurde das Bavaria-Gelände von der US-Armee übernommen. Die Wochenschau „Welt im Film“ wurde hier produziert, US-amerikanische Filme wurden synchronisiert. Im Rahmen der Reeducation (Entnazifizierung, Entmilitarisierung und Demokratisierung) kam dem Film eine wichtige Rolle zu. Wochenschau, Dokumentarfilme und ausgewählte Spielfilme wurden eingesetzt. Einer der ersten Filme waren „Die Todesmühlen“ (1945) von Hanuš Burger, ein Dokumentarfilm über die deutschen KZ. Größere Aufnahmen von München machen 1945 das US Signal Corps und Toni Attenberger; Wilhelm „Willy“ Cronauer filmte 1945 im Auftrag der Militärregierung das zerstörte München; die Fronleichnamsprozession fand inmitten von Ruinen statt, die Kamera spürte in den Trümmern Kruzifixe und Heiligenstatuen auf.
Erich Pommer, der Emigrant und ehemalige Ufa-Produzent, kam als oberster US-Filmoffizier 1946 nach München. Er bemühte sich um einen Wiederaufbau der deutschen Filmindustrie, musste sich aber an die US-amerikanischen Restriktionen halten. Günther Stapenhorst erhielt von der Besatzungsmacht die Filmherstellungslizenz Nr. 1, Fritz Thiery wurde Treuhänder der Bavaria, die erst ab 1949 wieder selbst produzieren durfte. Die Bavaria beschränkte sich auf kleine Dokumentationen, das Kerngeschäft waren Filme für externe Produzenten. Pommer produzierte wieder in Deutschland. Dabei fiel ihm bei „Film ohne Titel“ (1948) Rudolf Jugert als Regietalent auf. Mit ihm zusammen dreht er 1952 die beachtlichen Filme „Illusion in Moll“ und „Nachts auf den Straßen“.
Die erste Münchner Spielfilmproduktion nach 1945 war „Zwischen gestern und morgen“ (1947) von Harald Braun, ein sogenannter Trümmerfilm, der in den Ruinen des Regina-Palast-Hotels gedreht wurde. Die Periode der Trümmerfilme wurde 1950 durch die ersten Heimatfilme abgelöst. Der Heimatfilm der Nachkriegszeit ist ein versteckter Zeitfilm, der Verlust, vergangene Schuld, Vertreibung und Neuanfang thematisierte. Er wurde zum Kino-Pendant der restaurativen Adenauer-Ära. Peter Ostermayr produzierte wieder Ganghofer-Filme, darunter den äußerst bemerkenswerten „Die Martinsklause“ (1951) von Richard Häussler.
Die Bavaria sollte wieder privatisiert werden. Ein jahrelanger politischer Streit über die Zukunft der Bavaria kulminierte, nachdem Staatsbürgschaften von über 15 Mio. DM verlorengingen. In der tumultartigen Debatte des Bayerischen Landtags vom 5. Februar 1953 erklärt Joseph Baumgartner (Bayernpartei): „(Die Bavaria) könnte überhaupt nicht pleitegehen, wenn richtig gewirtschaftet würde, wenn die Pommer-Leute und ihre Hintermänner [...] verschwinden würden [...]. Es herrschen Barackenverhältnisse dort draußen, eine Weiberwirtschaft.“ 1956 ging die „Bavaria Filmkunst GmbH“ schließlich an ein Konsortium aus Banken, Agfa, NDF und den Schorcht-Verleih und wurde in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.
Für
US-amerikanische Filmfirmen blieb Deutschland aufgrund des hohen Dollarkurses
bis in die 1970er-Jahre ein günstiges Produktionsland mit einem Studio von
Weltniveau in München. Geiselgasteig wurde zum Drehort zahlreicher namhafter US-Filme
wie „Entscheidung vor Morgengrauen“ (1951) von Anatole Litvak , „Ein Mann auf dem Drahtseil“ (1952) von Elia Kazan, „Das unsichtbare Netz“ (1954) von Nunnally Johnson, „Der letzte Akkord“ (1957)
von Douglas Sirk, „Wege zum Ruhm“ (1957) von Stanley Kubrick, „Die Wikinger“ (1958) von Richard Fleischer, „Eins, zwei, drei“
(1961) von Billy Wilder, „Freud“ (1962) von John Huston, „Gesprengte Ketten“ (1962) von John Sturges, „Kapitän Sindbad“
(1962) von Byron Haskin, „Cabaret“ (1972) von Bob Fosse, „DieAkte Odessa“ (1974) von Ronald Neame, „Das Ultimatum“ (1976)
von Robert Aldrich, „Avalanche Express“ (1979) von Mark Robson, „Blutspur“
(1979) von Terence Young.
1955 wurde in München eines der wichtigsten Werke der Filmgeschichte gedreht: „Lola Montez“ von Max Ophüls mit Martine Carol, Adolf Wohlbrück, Peter Ustinov, Ivan Desny, Will Quadflieg, Oskar Werner und Gustav Waldau. Truffaut erklärte: „Das Filmjahr (1955) endet in einer Apotheose: der ‚Lola Montès‘ von Max Ophüls, zusammen mit Jean Renoir der beste französische Filmer.“
Neuausrichtung der Film- und Fernsehproduktion
Nach erheblichen Verlusten legte Peter Ostermayr 1958 den Vorsitz des Aufsichtsrats der Bavaria AG nieder. 1959 wurde die „Bavaria Atelier GmbH“ gegründet, in der SDR und WDR die Mehrheit hatten. Die Kapitalverschiebung war durchaus symbolisch: Das Fernsehen wurde für die Auslastung der Studios immer wichtiger, das Filmgeschäft hingegen zunehmend marginaler. Franz Peter Wirth und Rainer Erler, die Zugpferde der Bavaria, drehen Kinofilme mit Fernsehästhetik. Viele bekannte Fernsehserien wie „Raumpatrouille Orion“ (1966), „Die rote Kapelle“ (1972), „Kir Royal“ (1986) oder „Marienhof“ (1992) entstanden in München.
Am
28. Februar 1962 wurde das „Oberhausener Manifest“ veröffentlicht; darin wurden
für das Kino künstlerische Erneuerung und gesellschaftliche Verantwortung
eingefordert. Die Unterzeichner waren meist Jungfilmer aus München. Die
wesentlichen Filme der folgenden Dekade stammten von ihnen. Unterzeichner des
Manifests waren unter anderem Edgar Reitz, Haro Senft, Peter Schamoni,
Ferdinand Khittl, Alexander Kluge, Hansjürgen Pohland, Franz-Josef Spieker,
Hans Rolf Strobel, Heinz Tichawsky, Wolfgang Urchs, Herbert Vesely, Wolf Wirth.
Neue Bewegungen im Ausland wie die Nouvelle Vague, Free Cinema und Cinema Novo
hatten gezeigt, dass es möglich ist, veraltete Filmindustrien zu reformieren.
Um Finanzierung und Produktion zu fördern, kam es zur Gründung des Kuratoriums
junger deutscher Film (1965) und der AG neuer deutscher Spielfilmproduzenten
e.V. (1966). Erste Filme entstanden: „Abschied von Gestern“ (1966)
von Alexander Kluge, „Eine Ehe“ (1968) von Hans Rolf Strobel und
Heinrich Tichawsky, „Katz und Maus“ (1967) von Hansjürgen
Pohland, „Mahlzeiten“ (1967) von Edgar Reitz, „Der sanfte Lauf“ (1966) von Haro Senft.
Den allerersten Film des Neuen deutschen Films drehte ein Außenseiter, Vlado Kristl, mit „Der Brief“ (1966). Kristl, ein radikaler Experimentalfilmer, gilt heute als einer der wichtigsten Künstler auf diesem Gebiet.
1971 wurde in München der „Filmverlag der Autoren“ gegründet. Mitbegründer waren unter anderem Thomas Schamoni, Peter Lilienthal, Rainer Werner Fassbinder, Wim Wenders, Volker Vogeler, Hark Bohm, Uwe Brandner, Rüdiger Nüchtern, Michael Fengler, Laurens Straub. Die Idee bestand zunächst darin, dass sich diese Jungfilmer der zweiten Generation zusammenschließen und gegenseitig unterstützen. Laurens Straub avancierte schnell zur wichtigsten Figur. 1972 übernahm er die Geschäftsführung. „Kulturell unterschieden wir uns sehr von den Oberhausenern, die, in den dreißiger Jahren geboren, den Krieg miterlebt hatten und sich am Autoritätskonflikt mit den Vätern abarbeiteten, sich mehr an Adorno als an Lang orientierten. Außerdem betrieben Reitz, Kluge u.a. Einzelhandelsfirmen, was von uns als primitiver Kapitalismus verachtet wurde. Unsere Generation zwischen 1944 und 1950 geboren, wuchs in der Zeit des Zusammenbruchs und der Besatzungszonen auf, kannte das amerikanische Kino und war kosmopolitisch“, erinnerte sich Straub retrospektiv.
Straub begrub seinen Traum vom Autorenfilmer und entwickelt Produktions- und Verleihstrukturen, die ein kontinuierliches Arbeiten erst ermöglichen. Ab 1972 wurde der Filmverlag immer weniger als Produzent tätig. Es entstanden noch „Tschetan, der Indianerjunge“ (1972), „Der scharlachrote Buchstabe“ (1972/73), „Mona und der Sarg“ (1973), „Alice in den Städten“ (1973/74) und „Perahim – die zweite Chance“ (1973/74). Dafür fungierte der Filmverlag schon vor der Produktion als Verleiher; Straub konnte mit der Verleihgarantie die Produktionspakete schnüren und unter der Hand so zum heimlichen Produzenten der Filme werden. Eine fast geniale Idee. Auf diese Weise kamen bis „Despair - Eine Reise ins Licht“ (1978) insgesamt 58 Filme zusammen. Das war der größte Korpus des Neuen Deutschen Films. Ein Coup ohnegleichen; selbst Bernd Eichinger kam da nicht mehr mit.
1967 drehte Volker Schlöndorff „Mord und Totschlag“ und Klaus Lemke „48 Stunden bis Acapulco“. 1968 folgen „Detektive“ von Rudolf Thome, „Der Bräutigam, die Komödiantin und der Zuhälter“ von Jean-Marie Straub, „Neun Leben hat die Katze“ von Ula Stöckl und „Silver City“ von Wim Wenders. 1969 drehte Rainer Werner Fassbinder die Filme „Liebe ist kälter als der Tod“, „Katzelmacher“, „Götter der Pest“ und „Warum läuft Herr R. Amok?“. 1970 kamen die ersten kritischen Heimatfilme auf mit „Ich liebe dich, ich töte dich“ von Uwe Brandner und „Mathias Kneissl“ von Reinhard Hauff. 1972 erlebte Werner Schroeter seinen Durchbruch mit „Der Tod der Maria Malibran“. Auch das bereits vielfach verfilmte Leben von König Ludwigs II. wurde vom Jungen Deutschen Film aufgegriffen: „Ludwig - Requiem für einen jungfräulichen König“ (1972) von Hans-Jürgen Syberberg. Niklaus Schilling drehte „Die Vertreibung aus dem Paradies“ (1976), Robert van Ackeren „Das andere Lächeln“ (1977), Hans W. Geißendörfer „Die gläserne Zelle“ (1978).
In München entstanden die meisten internationalen Erfolge von Fassbinder, darunter „Händler der vier Jahreszeiten“ (1971), „Angst essen Seele auf“ (1973), „Ich will doch nur, dass ihr mich liebt“ (1975), „Despair“ (1977), „Berlin Alexanderplatz“ (1979), „Lola“ (1981), „Lili Marleen“ (1981), „Die Sehnsucht der Veronika Voss“ (1982) und „Querelle“ (1982).
Ein wichtiger Impuls zur Erneuerung ging von der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) aus, die 1967 ihren Lehr- und Produktionsbetrieb in München aufnahm. Im Umfeld der HFF entstanden viele interessante Filme wie „Blue Velvet“ (1969) von Matthias Weiss, „Der Paradiesgarten“ (1970) von Bernd Schwamm, „Was halten Sie vom Tod der Wilma Montesi?“ (1978) von Helmer von Lützelburg oder die ersten Fingerübungen von Wim Wenders. Absolventen der HFF wie Nicolas Humbert und Werner Penzel produzieren oft in München, auch wenn diese beiden Filmemacher „Step Across the Border“ (1989) und „Middle of the Moment“ (1995) in aller Welt drehten. Das galt auch für Dagmar Knöpfel, die zwei Kurzfilme in München realisierte, „Ein Bett mit Passagieren“ (1984) und „Ein Abend in der Stadt“ (1988); auch „Requiem für eine romantische Frau“ (1998) entstand teilweise in München.
Hollywood in Geiselgasteig
Auch wenn viele Münchner Produktionen unabhängig sind, gab es in den technischen Bereichen meist eine Zusammenarbeit mit der Bavaria. In Geiselgasteig waren auch weltberühmte Regisseure zu Gast. Ingmar Bergman drehte das „Das Schlangenei“ (1977) und „Aus dem Leben der Marionetten“ (1980), Billy Wilder den Film „Fedora“ (1978). Beide rühmten die Bavaria-Studios in den höchsten Tönen: „Das Wort unmöglich habe ich nie gehört“, sagte Bergman, und Wilder erklärte: „Neben Hollywood ist die Bavaria mein bevorzugtes Studio!“ Für Bergmans „Das Schlangenei“ wurde später dann die immer wieder umgebaute „Münchner Straße“ in Geiselgasteig errichtet.
Von
1979 bis 1994 war Günter Rohrbach der Geschäftsführer der Bavaria Film.
Rohrbach kam vom WDR, wo er Petersen, Fassbinder, Zadek und andere gefördert
hatte. Sein Erfolgsmodell war der amphibische Film: Co-Produktionen mit dem
Fernsehen. Das Modell garantiert nicht nur in Deutschland, sondern weltweit
nationale Produktionen. Ohne dieses Modell gäbe es heute fast nur
Hollywood-Filme.
In München stießen neue Kreative zu Rohrbach hinzu, etwa Bernhard Sinkel, Dieter Dorn, Dominik Graf, Helmut Dietl, Joseph Vilsmaier. „Die wichtigste Entscheidung war, Wolfgang Petersen und „Das Boot“ in Angriff zu nehmen. Petersen war der Einzige, der in Frage kam. Ich hatte am Anfang die Idee, kommerzielle Erfolge zu produzieren und mir dann auch Arthouse leisten zu können. Das habe ich auch gemacht. Es hat nicht funktioniert. Die Bavaria hatte nicht die Kapazitäten, einfach mal eine Million zu verlieren. Bei den kommerziellen Filmen habe ich auf drei Leute gesetzt: Loriot, Otto und Didi Hallervorden. Loriot, der bei der Kritik nicht besonders gut wegkam, halte ich für völlig unterschätzt. So ein professionelles Arbeiten habe ich nie wieder erlebt. Der war ein wirklich großer Meister“, erinnerte sich Günter Rohrbach.
Mit dem Film „Das Boot“ (1981) von Wolfgang Petersen entstand der bislang teuerste deutsche Film der Bavaria, der damals 30 Millionen DM kostete. Der Erfolg des Films bestätigt Günter Rohrbach auf seinem Kurs, in Geiselgasteig auch technisch Hollywood-Niveau zu erreichen. Blue-Screen-Anlagen und elektronische Studios wurden eingerichtet. Mit der Halle 9 entstand das größte Studio Europas.
1983 wurde für 60 Millionen DM „Die unendliche Geschichte“ gedreht. Produzenten waren Bernd Eichinger von der „Neuen Constantin“ und Günter Rohrbach von der „Bavaria“. Eichinger wurde mit diesem Film zu einer Größe im internationalen Filmgeschäft. Ab jetzt war München auch für US-amerikanische Top-Produktionen interessant. So realisierte Petersen 1985 für 20th Century Fox den Science-Fiction-Film „Enemy Mine“.
1983 fand unter der Leitung von Eberhard Hauff das erste Münchner Filmfest statt. Die ursprüngliche Idee der staatlichen Geldgeber, der „Berlinale“ Konkurrenz zu machen, war Anlass für viel Häme. Eberhard Hauff verfolgte allerdings einen anderen Kurs. Er setzte auf ein Festival, das die Politik mit einem Hauch von Glamour zufriedenstellte und auch kommerzielle Kompromisse einging, im Kern aber ein Publikumsfestival sein wollte, das Filme vermittelt, die sonst nicht ins Kino kommen. Im selben Jahr entwickelte sich Herbert Achternbuschs Film „Das Gespenst“ wegen des Vorwurfs der Blasphemie zu einem Skandal mit weltweitem Echo. Die zeitliche Nähe von Glamourwahn und Schweinkramkunst war dabei nicht ganz zufällig. Achterbusch war wie Vlado Kristl ein nicht korrumpierbarer Verächter der Filmbranche.
Ab 1987 erfuhr die Bavaria eine starke Umstrukturierung und wandelte sich zur Holding „Bavaria Film“, unter deren Dach die verschiedenen Geschäftsbereiche selbständig agierten. Neben den Kernbereichen Fernsehproduktion, Interactive, Media, Pictures und Studios&Production Services, die alle in München ihren Platz hatten, wurden viele Tochtergesellschaften außerhalb von Bayern angesiedelt.
Die 1980er- und 1990er-Jahre brachten neue Namen und Erfolge, die für die Ära nach dem „Jungen Deutschen Film“ stehen. Etwa Jörg Graser mit „Der Mond is nura nackerte Kugel“ (1981), Gerhard Polt mit „Kehraus“ (1983), Doris Dörrie mit „Männer“ (1985), Peter F. Bringmann mit „Der Schneemann“ (1985), Percy Adlon mit „Zuckerbaby“ (1985) und „Out of Rosenheim“ (1987), Dominik Graf mit „Die Katze“ (1987) und „Die Sieger“ (1994), Helmut Dietl mit „Schtonk!“ (1991) oder Caroline Link mit „Jenseits der Stille“ (1996).
In München entstanden aber weiterhin auch Großfilme wie „Letzte Ausfahrt Brooklyn“ (1989) von Ulrich Edel, „Stalingrad“ (1992) von Joseph Vilsmeier oder „Asterix und Obelix gegen Cäsar“ (1999) von Claude Zidi. Loriot drehte „Ödipussi“ (1988), und Bernd Eichinger begann 1995 eine spektakuläre Serie von Filmen für SAT.1 zu drehen, lauter Remakes deutscher Kino-Klassiker. Bei „Das Mädchen Rosemarie“ (1996), der Geschichte der Edelprostituierten Rosemarie Nitribitt, führte er selbst Regie.
Herausforderung Deutsche Einigung
Die deutsche Wiedervereinigung wurde von Peter Timm in der Komödie „Go Trabi go“ (1990) kommentiert. Nach der Wiedervereinigung waren auch die ehemaligen Ufa-Studios in Ost-Berlin wieder zugänglich, was die Konkurrenz am deutschen Markt belebte. 1994 endet die Ära Rohrbach; der neue Bavaria-Chef Thilo Kleine erklärte angesichts der neuen Marktsituation, dass das Kerngeschäft Fernsehproduktion konsolidiert und ausgebaut werden müsse. Ohne dieses ökonomische Rückgrat gäbe es auch keine solide Filmproduktion.
Trotz
der verschärften Konkurrenz am deutschen Markt entstanden aber weiter wichtige
Produktionen in den Bavaria Studios. Etwa „Der Mann ohne Vergangenheit“
(2002) von Aki Kaurismäki, „Der Untergang“ (2004) von Oliver
Hirschbiegel, „Das Parfum“ (2006) von Tom Tykwer, „Der Baader Meinhof Komplex“ (2008) von Uli Edel, „Hotel Lux“
(2011) von Leander Haußmann, „Die Frau des Polizisten“ (2013) von
Philip Gröning, „Die geliebten Schwestern“ (2015) von Dominik
Graf oder „Sisi & Ich“ (2023) von Frauke Finsterwalder. Erkennbar
ist aber auch, dass immer mehr auf kommerziell aussichtsreiche Produktionen wie
„Fack ju Göhte“ (2013) von Bora Dagtekin gesetzt wird.
Die
Filmindustrie ist einerseits kapitalintensiv, andererseits stark an
Spezialisten gebunden. Dass es in München überhaupt eine nennenswerte
Entwicklung gab, ist ein Glücksfall. Trotzdem entstanden immer wieder
Überlegungen, auch andernorts eine Filmindustrie zu etablieren. Wolfratshausen
wollte in den 1950er-Jahren Filmstadt werden. Das Areal zwischen Geretsried und
Wolfratshausen war dafür vorgesehen. Doch aus diesen Plänen ist nie etwas
geworden. Mini-Produktionen in Kochel und am Schliersee blieben Episode. Die
eher bescheidenen Anfänge in München erhielten nach 1945 durch den Wegfall der
Ufa-Studios in Berlin eine zweite Chance, die durchaus genutzt wurde. Nach wie
vor ist München ein renommierter Studiostandort mit Spitzentechnik,
erstklassigem Personal und einer unbezahlbaren Naturkulisse. Der
Produktionsstandort ist nicht gerade Hollywood, aber in Europa einer der
namhaften Player.
Doch auch wenn die Filmindustrie in Bayern zentral mit München verbunden ist, soll nicht unterschlagen werden, dass es immer wieder auch lokale Produktionen gab, kleine Firmen, die hier nicht berücksichtigt wurden; zumeist gab es dabei aber Verbindungen zu Emelka/Bavaria und zum Standort Geiselgasteig. Ein schönes Beispiel ist die Westallgäuer Filmproduktion mit ihren Exponenten Klaus Gietinger und Leo Hiemer. Sie entwickelten Filme und Stoffe aus einer Region heraus. Nach ersten kleineren Filmen entstand mit „Lond it luck“ (1979) ein Film, der aufs ganz große Format schielt – mit Super 8 über den Bauernkrieg im Jahr 1525. „Land der Räuber und Gendarmen“ (1982) und „Drei Schwestern“ (1983) sind historische Patchwork-Filme. 1985 entstand der Film mit dem vieldeutigen Titel „Daheim sterben die Leut’“. „Schön war die Zeit“ von 1988 erzählt die Nachkriegszeit in einem Allgäuer Dorf von 1945 bis in die 1960er-Jahre. Er behandelt das, was Edgar Reitz in seinem „Heimat“-Epos vornehm übergeht. Nach umfangreichen Recherchen wurde 1994 dann „Leni... muss fort“ gedreht. Ein alter Bauer rettet ein jüdisches Mädchen vor der Deportation. Vor dem Hof hatte er dem Mädel eine schöne Schaukel gebaut. Schließlich fliegt die Sache auf. Der Bauer erhängt sich am Strick der Schaukel.1996 folgt mit „Der Fischerkrieg vom Bodensee“ ein moderner Heimatfilm. „Komm wir träumen!“ (2004) entstand zum Großteil in einer Behindertenwerkstatt im Allgäu. Eine Liebesgeschichte unter behinderten Menschen.
Hinweise
Die meisten der genannten Dokumentarfilme und namenlosen Filmschnipsel sind im Münchner Filmmuseum zu finden. Das Stadtarchiv München besitzt auch einiges. Und natürlich auch das Bundesarchiv. Die Dokumente von Cronauer gibt es auch als DVD beim Münchner Filmmuseums.