© Pandora (Jannis Niewöhner in "Je suis Karl")

#ichsehewas – Filme gegen Rechts!

Die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus hat seit vielen Jahren auch im Jugendfilm einen Platz. Ein Dossier aus der #ichsehewas-Reihe

Aktualisiert am
20.02.2025 - 13:16:34
Diskussion

Lange Zeit haben Skinheads das Bild junger Rechtsextremisten geprägt. Mit der Entwicklung der Neuen Rechten und dem Erfolg der AfD aber hat sich das nachhaltig verändert. Das Dossier „Filme gegen Rechts!“ aus der #ichsehewas-Reihe geht der Auseinandersetzung mit rechtsradikalen Vorstellungen in Jugendfilmen nach und beleuchtet sehr unterschiedliche Aspekte wie die Faszination extremer Körper oder das Bedürfnis nach Rebellion und Widerstand.


Die neuen Rechten sind smart, gut gekleidet und von einnehmendem Wesen. So wie der Protagonist (Jannis Niewöhner) in „Je suis Karl“ von Christian Schwochow, der den salonfähigen, für die bürgerliche Öffentlichkeit anschlussfähigen neuen Typus des Rechten 2021 filmisch in Szene setzte. Mit geheuchelter Anteilnahme schleicht der sich in die Psyche einer jungen Frau ein, die bei einem Bombenanschlag gerade einen Teil ihrer Familie verloren hat. Nicht im Traum würde Marie (Luna Wendler) vermuten, dass der einfühlsame Mann als Drahtzieher hinter dem schrecklichen Attentat steckt und die rechten Szenen in Paris oder Prag sogar international vernetzt. Mit dem klaren Ziel, die demokratischen Gesellschaften zu spalten und einen Umsturz vorzubereiten.


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Mit diesem Film etablierten Schwochow und sein Drehbuchautor Thomas Wendrich einen neuen Blick auf die rechtsextreme Szene, die nichts mehr mit den glatzköpfigen Schlägertrupps vergangener Jahrzehnte verbindet. Nicht nur gesellschaftlich und politisch haben sich die Zeiten verändert, auch die rechten Kräfte haben ihre Strategien und Modelle dem Zeitgeist angepasst. Im Jugendfilm hat die Beschäftigung mit rechtsextremistischen Phänomenen schon lange einen festen Platz, zumeist in dezidiert politischen Filmen, die sowohl pädagogisch als auch aufrüttelnd sein wollten. Holger Twele zeichnet in dem Essay „Vom Skinhead zum Posterboy“ die filmischen Entwicklungen der letzten 25 Jahre nach. Dass viele der Filme dabei aus Deutschland stammen, verwundert nicht. Von „Oi! Warning“ bis „Wir sind jung. Wir sind stark.“ oder „Und morgen die ganze Welt“ geht es um jugendaffine Themen wie Anerkennung, Zuneigung oder das Bestreben, sich um jeden Preis durchzukämpfen. In jüngerer Zeit wagen sich Filme auch vermehrt an die Aufarbeitung rechtsextremer Übergriffe und Straftaten. Wobei gerade der Vergleich mit Filmen aus den USA oder Großbritannien auch unterschiedliche Sicht- und Herangehensweisen sichtbar macht, sowohl erzählerisch als auch inszenatorisch.

"Wir sind jung. Wir sind stark." von Burhan Quabini (Zorro)
"Wir sind jung. Wir sind stark." von Burhan Qurbani (Zorro)

Eine Konstante ist sicherlich der Umgang mit Körperlichkeit. Dass Jugendfilme sich für den Körper interessieren, ist nicht neu. Hier aber sind die Körper nicht nur narzisstischer Selbstzweck, sondern auch Botschaften, sowohl für Eingeweihte als auch für Außenstehende. In dem Aufsatz „Extreme Körper“ geht Rochus Wolff der Thematisierung von Körpern und Körperbildern in Filmen über jugendliche Rechte nach und arbeitet eindringlich heraus, wie sehr die Versuchung der schönen Körper auch in kritisch gemeinten Filmen oft die Oberhand gewinnt. Die „normschönen Körper der neuen Rechten laden zur Identifikation ein, während über die Tattoos und Frisuren Authentizität erzeugt wird“.


Was Rechte denken und wollen

Der Wirkung dieser Bilder kann man sich kaum entziehen, auch wenn sie eigentlich kritisch gemeint sind. Auch deshalb kommt es darauf an, nicht bei den äußeren Erscheinungsbildern und Symbolen stehen zu bleiben, sondern nach den politischen Diskursen zu fragen und die rechten Prämissen und Ziele herauszuarbeiten. Insbesondere, seitdem eine Politikerin wie Alice Weidel zum Gesicht der AfD geworden ist, die mit Perlenkette und Einstecktuch den Kleidercode der Konservativen perfekt bedient. Die Zusammenstellung „Remigration, Ethnopluralismus, Identität“ verdeutlicht, was gemeint ist, wenn in politischen Zusammenhängen über Rechtpopulismus, Rechtsradikale, Rechtsextreme oder Neonazis gesprochen wird.

Einem anderen Aspekt aus dem Themenspektrum geht Denis Sasse in „Totalitarismus und Widerstand“ nach, der jugendliche Rebellionsformen gegen totalitäre Systeme in Fantasy- und Science-Fiction-Filmen in den Fokus nimmt. Dort wird häufig von jugendlichen Protagonist:innen erzählt, die in dystopischen Gesellschaften leben und gegen den Druck totalitärer Systeme rebellieren. Die fantastischen Welten in Filmen wie „Patema Inverted“ oder „April und die außergewöhnliche Welt“ dienen als subtile Erinnerung und zugleich als Mahnung. Die Hoffnung auf Widerstand, das Engagement für eine bessere – und das heißt eine gerechtere, empathischere und vielfältigere Welt – liegt in diesen Filmen, zu den man getrost auch das ganze „Star Wars“-Universum oder die Harry-Potter-Filmreihe rechnen kann, ganz eindeutig auf den Schultern junger Menschen.

Deutlich wird darin auch, dass die Hoffnung auf Veränderung und der Kampf gegen den Totalitarismus nicht ohne Verluste und Verletzungen zu haben ist. „Städte werden zerstört. Einzelne Personen oder ganze Völker verlieren ihre Heimat. Menschen werden verfolgt, verstoßen oder ausgelöscht. Das ist weder Fantasy noch dystopische Science-Fiction, sondern sind Erinnerungen an reale Vergangenheiten, die hier durch fiktionale Abbilder als Erinnerungskultur vorgeführt werden.“ Umso schöner, wenn Katniss Everdeen mit ihren Funken das Feuer der Rebellion entfachen kann.

"Und morgen die ganze Welt" von Julia von Heinz (Oliver Wolf)
"Und morgen die ganze Welt" von Julia von Heinz (Oliver Wolf)



Sehenswerte (Jugend-)„Filme gegen Rechts!“

Rechtes Gedankengut stößt in den letzten Jahren scheinbar immer mehr auf fruchtbaren Boden. Dagegen protestieren zwar Millionen Menschen, doch die Bedrohung für Demokratie und Gesellschaft nimmt nicht ab. Auch Jugendfilme beschäftigen sich intensiv mit der Faszination, aber auch den Abgründen dieser Szene.



Je suis Karl

Deutschland 2020 | Regie: Christian Schwochow


Nach einem Terroranschlag in Berlin, bei dem fast ihre ganze Familie ausgelöscht wurde, lernt eine traumatisierte Studentin einen charismatischen jungen Mann kennen. Sie folgt seiner Einladung zu einem Treffen junger Menschen in Prag und erkennt erst spät, dass es sich bei ihrem neuen Freund um einen diabolischen Rechtsextremisten handelt, der sie für seine Zwecke manipuliert. - Ab 16.

Filmkritik | Aktuell zu sehen | DVD/BD


Kriegerin

Deutschland 2011 | Regie: David Wnendt


Eine junge Frau aus Mecklenburg schlägt und tritt sich als Neo-Nazi durch ihr tristes Dasein, bis ein Mädchen aus „besseren“ Kreisen in ihre Kameradschaft drängt und ein jugendlicher Flüchtling aus Afghanistan ihre Wege kreuzt. Der spannend und intensiv erzählte, gut recherchierte Debütfilm zeichnet abseits von Klischees ein authentisches Bild des braunen Milieus in Ostdeutschland und lässt sich mutig auf die Binnensicht seiner Figuren ein. Im letzten Drittel psychologisiert er seine Protagonistin, die sich zur mutig-sensiblen Humanistin wandelt. - Ab 16.

Filmkritik | Aktuell zu sehen | DVD/BD


Oi! Warning

Deutschland 1999 | Regie: Dominik Reding, Ben Reding


Ein Jugendlicher aus kleinbürgerlichen Verhältnissen brennt nach Dortmund durch, wo er in einem dumpfen Kickboxer ein Vorbild sucht, immer mehr in die gewalttätige Szene der Skinheads gerät und zu ihrem unkritischen Mitläufer wird. Erst spät trifft er eine eigene, aber nicht minder von Gewalt bestimmte Entscheidung. In krassem Naturalismus ohne jede Beschönigung der jeweiligen „Szenen“ illustriert der hervorragend fotografierte Film die fatalen Sackgassen eines kollektiven Wahns, der sich in Hass und Zerstörung entlädt und damit jede Form jugendspezifischer Rebellion sprengt. Ein sperriger, „unbequemer“ und schmerzhafter Film über Heimatlosigkeit und Orientierungslosigkeit. - Sehenswert ab 16.

Filmkritik | Aktuell zu sehen | DVD/BD


This is England

Großbritannien 2006 | Regie: Shane Meadows


Ein zwölfjähriger Junge aus desolatem Elternhaus findet Anfang der 1980er-Jahre Geborgenheit bei einer Gruppe britischer Skinheads. Als deren Anführer aus dem Gefängnis entlassen wird und mit Parolen der National Front seinen angestammten Platz wieder einnimmt, ändern sich die Verhältnisse. Der Junge durchlebt einen radikalen Wandel. Ironisch-kritischer, um Authentizität bemühter Rückblick auf das Großbritannien der Thatcher-Ära, der den Rechtsruck der jugendlichen Subkultur nachvollziehbar macht. Der bewegende Film zeichnet das Porträt einer verlorenen Generation und zugleich die Studie einer in emotionaler Kälte erstarrten Gesellschaft. - Ab 14.

Filmkritik | Aktuell zu sehen | DVD/BD


Und morgen die ganze Welt

Deutschland 2020 | Regie: Julia von Heinz


Eine Jurastudentin aus adeligen Kreisen schließt sich in Mannheim einer Antifa-Gruppe an, in der sie anfangs nur geduldet ist. Als die Aktivisten einem rechten Netzwerk auf die Spur kommen, das Sprengstoff und Munition bunkert, wandelt sich die Milieu- und Jugendstudie zum Politthriller, der um die Frage kreist, ab wann Gewalt im Kampf gegen Rechts erlaubt oder gar geboten ist. Der politisch engagierte Film greift ein brisantes Thema auf und glänzt durch viele sprechende Details und herausragende Schauspieler. - Ab 14.

Filmkritik | Aktuell zu sehen | DVD/BD


Kombat Sechzehn

Deutschland 2005 | Regie: Mirko Borscht


Seine Kampfsporterfahrung dient einem 16-jährigen Schüler aus Frankfurt/Main nach dem Umzug nach Frankfurt/Oder zunächst zur Selbstbehauptung in einer Clique Neonazis. Dann aber mutiert sie zum Instrument von Machtbehauptung und Willkür. Die Schilderung einer männlichen Erlebniswelt in rechtsradikal eingefärbten Subkulturen versucht, die Faszination der Szene zu erklären, ohne zu moralisieren. Trotz dramaturgischer Schwächen und der Neigung zur Kolportage bietet der Film einem jungen Publikum wichtige Denkanstöße. - Ab 16.

Filmkritik | Aktuell zu sehen | DVD/BD


Wir sind jung. Wir sind stark.

Deutschland 2013 | Regie: Burhan Qurbani


Die skandalösen Ereignisse aus Rostock-Lichtenhagen, wo im Sommer 1992 jugendliche Hooligans nach pogromartigen Tagen ein Wohnheim von vietnamesischen Immigranten anzündeten, verdichten sich als Abfolge kleiner Geschichten. Dabei werden nicht nur die Opfer und das politische Versagen, sondern auch die jugendlichen Brandstifter in Blick genommen, die mit rechter Gesinnung kokettieren, aber noch keine Nazis sind. Der differenzierende Rückblick wurde mit großem handwerklichem Geschick in Szene gesetzt, kreist um den Frust und die Orientierungslosigkeit der Nachwendezeit. - Sehenswert ab 14.

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American History X

USA 1998 | Regie: Tony Kaye


Ein US-amerikanischer Skinhead-Anführer ermordet drei Farbige, die sein Auto stehlen wollten, schwört im Gefängnis aber den Idealen der „arischen Herrenrasse“ ab. Kunstvoll verschachteltes Drama, das aus der Perspektive seines jüngeren Bruders die Vergangenheit rekapituliert und dieses mit suggestiven Bildern in die Ereignisse am Tag der Entlassung einschneidet. Obwohl die herausfordernde Reflexion über Gewalt und Rassismus überzeugend gespielt ist und sich abseits gängiger Kinokonventionen bewegt, kann der in seinen Absichten eindeutige Film dennoch missverstanden werden. – Ab 16.

Filmkritik | Aktuell zu sehen | DVD/BD


Führer Ex

Deutschland 2002 | Regie: Winfried Bonengel


Zwei Jugendfreunde in der DDR träumen von Flucht beziehungsweise Aussiedlung und geraten in Haft. Im Gefängnis schließt sich einer der beiden einer Gruppe radikaler Altnazis an und steigt nach der Wende zum fanatischen Neonazi-Führer auf. Als bei einem Überfall auf ein von Autonomen bewohntes Haus ein Mädchen zu Tode kommt, zerbricht die längst nur noch oberflächliche Freundschaft. Spannend erzählter Spielfilm, der zur kritischen Auseinandersetzung mit deutscher Vergangenheit und Gegenwart anregt. – Ab 16.

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Leroy

Deutschland 2007 | Regie: Armin Völckers


Ein Berliner Teenager mit deutscher Mutter und schwarz-afrikanischem Vater behauptet sich gegen die fünf Neonazi-Brüder seiner Angebeteten und deren ebenfalls politisch „vorbelastete“ Eltern. Mittel zum Zweck sind die verbindende Musik sowie die Solidarität mit den Angehörigen anderer Minderheiten. Eine sympathische Multikulti-Komödie, die dank des überzeugenden Hauptdarstellers sowie der mitreißenden Songs vorzüglich unterhält und in seiner spielerischen Auseinandersetzung mit realitätsnahen und aktuellen Problemen durchaus in die Tiefe lotet. – Ab 12.

Filmkritik | Aktuell zu sehen | DVD/BD



Hinweis

Unter dem Motto „#ichsehewas“ entstehen in regelmäßigen Abständen Artikel, Interviews, Themendossiers und Filmlisten, die die Sparte des Kinder- und Jugendfilms nach neuen Themen und Trends durchforsten und die Bandbreite des weltweiten Filmschaffens für junge und junggebliebene Menschen von 5 bis 99 Jahren in all seiner Vielfalt abbilden. Die Reihe ist eine Kooperation des Kinder- und Jugendfilmportals und filmdienst.de


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