Das Olympia-Attentatdrama „September 5“ und der Iran-Thriller „Die Saat des Heiligen Feigenbaums“ sind die Favoriten für den 75. Deutschen Filmpreis 2025. Bei der Bekanntgabe der „Lola“-Auswahl am 17. März entfielen auf die beiden auch international sehr beachteten Filme zehn beziehungsweise sechs Nominierungen. Aber auch Andreas Dresens „In Liebe, Eure Hilde“ und der musiknostalgische Historienfilm „Köln 75“ können sich Hoffnungen auf die Preise machen.
Zeugnis zu geben von brutaler realer Gewalt ist eine der Leistungen, zu denen das Kino fähig ist. Zugleich liegt eine der großen Gratwanderungen für Filmemacher darin, die Gewalterfahrung nicht einfach zu replizieren oder nachzuinszenieren, sondern Wege der Annäherung zu finden, bei denen die Gewaltdarstellung weder verharmlosend noch selbstzweckhaft oder reißerisch ausfällt, sondern etwas Substanzielles vermittelt wird. Angesichts der von Kriegen und Kriegsbedrohungen geprägten aktuellen Weltlage liegt es nahe, dass auch Spielfilme sich verstärkt mit diesen Herausforderungen beschäftigen – und das oft auf hohem filmischem Niveau.
Davon künden die Favoriten für den 75. Deutschen Filmpreis, dessen Nominierungen am 17. März 2025 bekanntgegeben wurden. So entfielen zehn Nennungen auf den kammerspielartigen Thriller „September 5“ des gebürtigen Schweizers Tim Fehlbaum über US-amerikanische Sportjournalisten, die sich bei den Olympischen Spielen in München 1972 gedrängt sehen, über den Anschlag palästinensischer Terroristen auf die israelische Olympia-Mannschaft berichten zu müssen. Siebenmal geht Andreas Dresen mit seinem Film „In Liebe, Eure Hilde“ ins „Lola“-Rennen, in dem er von der Hinrichtung der NS-Widerstandskämpferin Hilde Coppi erzählt.
Und sechs Nominierungen konnte der iranische Regisseur Mohammad Rasoulof für „Die Saat des Heiligen Feigenbaums“ einheimsen, in dem er unverhüllt die Proteste nach dem Tod der Jugendlichen Jina Mahsa Amini durch Schergen des Staats thematisiert und ihre Folgen auf die Familie eines Juristen schildert. Ein Film, für dessen Dreh Rasoulof im Iran eine Gefängnisstrafe drohte, der sich der Regisseur mit der Flucht nach Deutschland entzog.
Die Werke von Rasoulof und Fehlbaum hatten auch international viel Anerkennung gefunden und damit den für das deutsche Kino in den letzten Jahren erfreulichen Trend fortgesetzt. So war „Die Saat des Heiligen Feigenbaums“ bereits bei der Premiere in Cannes ausgezeichnet worden und war als deutscher Beitrag für den „Oscar“ als bester internationaler Film nominiert worden; der auf Englisch gedrehte „September 5“ war bei diversen US-Filmpreisen in der engeren Auswahl und bei den „Oscars“ mit einer Nominierung für das Drehbuch bedacht worden. Das beschert den 75. „Lolas“ wieder Filme mit höherem Aufmerksamkeitsfaktor als beim eher durchschnittlichen letzten Jahrgang, was der Verleihung am 9. Mai zugutekommen dürfte.
Ergänzt wird die Auswahl der sechs nominierten Arbeiten für die „Lola“ als bester Film mit „Köln 75“ über die unorthodoxe Organisation des „Köln Concerts“ von Keith Jarrett, Jan Ole Gersters Highsmith-angehauchtem Thriller „Islands“ und dem Spielfilmdebüt „Vena“ über eine schwangere Drogensüchtige, die eine Gefängnisstrafe antreten muss.
Die neuen Leading Ladies des deutschen Films
Für die Hauptrolle in „Vena“ wurde Emma Nova auch als beste Darstellerin nominiert und tritt in dieser Kategorie gegen Liv Lisa Fries’ intensive Darstellung von Hilde Coppi in „In Liebe, Eure Hilde“ und Mala Emde als quirlige Konzertorganisatorin in „Köln 75“ an, womit drei der herausragendsten jungen Schauspielerinnen der letzten Jahre jeweils ihre erste „Lola“-Nominierung erhielten. Bei den Männern kommt es in beiden Schauspiel-Kategorien zu einem Doppelaufschlag: Bei den Hauptdarstellern ist der gebürtige Brite Sam Riley sowohl für seinen Auftritt als Ballett-Legende in „Cranko“ als auch für seinen abgehalfterten Tennistrainer in „Islands“ nominiert, bei den Nebendarstellern ist Alexander Scheer sowohl für seinen prägnanten Kurzauftritt als Pfarrer in „In Liebe, Eure Hilde“ als auch für seine Interpretation des Musikproduzenten Manfred Eicher in „Köln 75“ benannt.
Ihre Mitkandidaten sind der Iraner Missagh Zareh als zusehends paranoid werdender Jurist in „Die Saat des Heiligen Feigenbaums“ respektive Godehard Giese als skeptischer Filmproduzent in „Sad Jokes“. Bei den Nebendarstellerinnen ist mit Niousha Akhshi eine weitere Schauspielerin aus Rasoulofs Film berücksichtigt, ihre Konkurrentinnen sind Anne Ratte-Polle („Bad Director“) und Leonie Benesch („September 5“).
Insgesamt haben sich die Mitglieder der Deutschen Filmakademie bei ihrer „Lola“-Auswahl auf 14 Spielfilme konzentriert. So treten „September 5“, „In Liebe, Eure Hilde“ und „Die Saat des Heiligen Feigenbaums“ sowohl mit ihren Regisseuren als auch mit ihren Drehbüchern jeweils gegeneinander an, was die Favoritenrolle der drei für die „Lolas“ in Gold, Silber und Bronze weiter unterstreicht. Neben ihnen und den weiteren Kandidaten für den besten Film gelangen „Cranko“ und der Fantasy-Adaption „Hagen – Im Tal der Nibelungen“ mit jeweils vier Nennungen Achtungserfolge.
Der langjährige Filmpreis-Favorit Tom Tykwer musste sich für seinen bei der Berlinale-Premiere heftig kritisierten neuesten Streich „Das Licht“ mit zwei Nominierungen für Ton und Spezialeffekte zufriedengeben. Auffallend ist die erneute Nichtberücksichtigung von kassenträchtigeren deutschen Filmemachern wie Sönke Wortmann („Der Spitzname“), Simon Verhoeven („Alter weißer Mann“) und Karoline Herfurth („Wunderschöner“), die in früheren Jahren durchaus Spuren bei den „Lolas“ hinterlassen hatten, ebenso fehlen allerdings Kritikerfavoriten wie „Verbrannte Erde“ – im Februar vom Verband der deutschen Filmkritik als bester Film ausgezeichnet –, „Die Ermittlung“ oder „Shahid“ komplett.
Wenig überraschend besteht die Kinderfilm-Konkurrenz einmal mehr aus nur zwei Filmen – mit „Akiko, der fliegende Affe“ von Veit Helmer kommt der eine aus dem künstlerisch ambitionierten Bereich, während Damian John Harpers Jugendbuch-Verfilmung „Woodwalkers“ dem Mainstream zuzuordnen ist.
Bei den Dokumentarfilmen sind neben dem mehrfachen „Lola“-Gewinner Andres Veiel mit „Riefenstahl“ das Politikerinnen-Porträt „Petra Kelly – Act Now!“ und „Hollywoodgate“ über die Rückeroberung Afghanistans durch die Taliban nominiert.
Bereits fest stehen für die Verleihung am 9. Mai im Berliner Theater am Potsdamer Platz der Preis für den besucherstärksten Film („Die Schule der magischen Tiere 3“) sowie der Ehrenpreis, der dieses Jahr an die Casting-Direktorin An Dorthe Braker geht. Moderiert wird die Verleihung erstmals durch den Schauspieler und Musiker Christian Friedel.
Nominierungen für den Deutschen Filmpreis 2025
Bester Spielfilm
Die Saat des Heiligen Feigenbaums
Bester Dokumentarfilm
Bester Kinderfilm
Beste Regie
Andreas Dresen für „In Liebe, Eure Hilde“
Tim Fehlbaum für „September 5“
Mohammad Rasoulof für „Die Saat des Heiligen Feigenbaums“
Bestes Drehbuch
Laila Stieler für „In Liebe, Eure Hilde“
Moritz Binder, Tim Fehlbaum für „September 5“
Mohammad Rasoulof für „Die Saat des Heiligen Feigenbaums“
Beste weibliche Hauptrolle
Mala Emde für „Köln 75“
Liv Lisa Fries für „In Liebe, Eure Hilde“
Emma Nova für „Vena“
Beste männliche Hauptrolle
Sam Riley für „Cranko“
Sam Riley für „Islands“
Missagh Zareh für „Die Saat des Heiligen Feigenbaums“
Beste weibliche Nebenrolle
Niousha Akhshi für „Die Saat des Heiligen Feigenbaums“
Leonie Benesch für „September 5“
Anne Ratte-Polle für „Bad Director“
Beste männliche Nebenrolle
Godehard Giese für „Sad Jokes“
Alexander Scheer für „In Liebe, Eure Hilde“
Alexander Scheer für „Köln 75“
Beste Kamera/Bildgestaltung
Philipp Sichler für „Cranko“
Markus Förderer für „September 5“
Lisa Jilg für „Vena“
Bester Schnitt
Anja Siemens für „Köln 75“
Andrew Bird für „Die Saat des Heiligen Feigenbaums“
Hansjörg Weißbrich für „September 5“
Beste Tongestaltung
Stefan Soltau, Thomas Kalbér, Tobias Fleig für „Islands“
Bernhard Joest-Däberitz, Frank Kruse, Matthias Lempert, Markus Stemler, Alexander Buck für „Das Licht“
Lars Ginzel, Frank Kruse, Marc Parisotto, Marco Hanelt für „September 5“
Beste Filmmusik
Dascha Dauenhauer für „Islands“
Dascha Dauenhauer für „Kein Tier. So wild.“
Lorenz Dangel für „September 5“
Bestes Szenenbild
Astrid Poeschke für „Cranko“
Matthias Müsse, Nancy Vogel für „Hagen - Im Tal der Nibelungen“
Julian R. Wagner, Melanie Raab für „September 5“
Bestes Kostümbild
Juliane Maier, Christian Röhrs für „Cranko“
Pierre-Yves Gayraud für „Hagen - Im Tal der Nibelungen“
Birgitt Kilian für „In Liebe, Eure Hilde“
Bestes Maskenbild
Jeanette Latzelsberger, Gregor Eckstein für „Hagen - Im Tal der Nibelungen“
Grit Kosse, Uta Spikermann, Monika Münnich für „In Liebe, Eure Hilde“
Sabine Schumann für „September 5“
Beste visuelle Effekte
Jan Stoltz, Franzisca Puppe für „Hagen - Im Tal der Nibelungen“
Robert Pinnow für „Das Licht“
Max Riess, Sven Martin, Bernie Kimbacher für „Woodwalkers“
Ehrenpreis