Die Jury der Katholischen Filmkritik hat das subtile Gesellschaftsporträt „Mit der Faust in die Welt schlagen“ von Constanze Klaue als neuen Kinotipp ausgewählt. Darin wird aus der Perspektive zweier Brüder von einer ostdeutschen Kindheit Mitte der 2000er-Jahre erzählt. Zunächst scheint ihre Familie vom gesellschaftlichen Aufschwung zu profitieren, doch dann zerbricht die Beziehung der Eltern und die Kinder werden sich selbst überlassen.
Der neunjährige Tobi (Camille Moltzen) und sein drei Jahre älterer Bruder Philipp (Anton Franke) wachsen Mitte der 2000er-Jahre in der Oberlausitz in Sachsen auf. Ihre Wohnung in einer Plattenbausiedlung haben sie gegen ein selbstgebautes Eigenheim getauscht. Doch damit beginnen die Probleme. Das Haus wird nicht fertig. Der Vater verliert seinen Job und sucht Halt im Alkohol und bei der Nachbarin; die Mutter schaut weg und schiebt Doppelschichten im Krankenhaus, um die Familie zu ernähren. Als dann auch noch der Großvater stirbt, bleiben die Kinder sich selbst überlassen.
An der Schule gibt es Hakenkreuzschmierereien und im Bus werden Judenwitze erzählt. Die Jung-Nazis fahren mit dem Auto über den Schulhof und recken den rechten Arm. Philipp sucht die Nähe zu diesen Halbstarken, von denen er sich ernst genommen fühlt. Dafür verbringt er immer weniger Zeit mit Tobi, der sich alleingelassen fühlt und seinen Frust in lautem Schreien entlädt.
Nüchterner Blick auf eine entwurzelte Welt
Das Spielfilmdebüt von Constanze Klaue basiert auf dem gleichnamigen Roman von Lukas Rietzschel und erzählt am Beispiel der Familie Zschornack vom gesellschaftlichen Wandel in der ostdeutschen Provinz. Der Film vermittelt eindrücklich, wie es sich anfühlt, in einer Region aufzuwachsen, die seit der Wende mit Deindustrialisierung und hoher Arbeitslosigkeit zu kämpfen hat. Die Jury der Katholischen Filmkritik hat „Mit der Faust in die Welt schlagen“ allerdings nicht allein deshalb zum Kinotipp gewählt, weil der Film die Nachwirkungen der Wende reflektiert oder den Wegen nachgeht, wie Menschen, die den Halt verlieren, sich radikalisieren, wenn sie keine Perspektiven mehr sehen. Mehr beeindruckte, „wie unaufgeregt und nüchtern der Film seine Themen zu einem mosaikhaften Gesellschaftsbild verdichtet. Ohne übergroße Dramatisierung beschreibt der Film einen Abstieg und einen Verlust an Existenzsicherheit, der in der ostdeutschen Gesellschaft vielerorts bis heute prägend geblieben ist“.
Der Film spielt 2006, aber die Probleme von 1990 sind noch allgegenwärtig. Sie reichen sogar bis in die Gegenwart, wie ein Zeitsprung kurz vor Ende des Films vor Augen führt. Die Jugendlichen begegnen dabei überall Widerständen, Zwängen und Überforderungen. In diesem Umfeld hat es die rechte Ideologie leicht, willfährige Anhänger zu rekrutieren.
Keine Frage wird direkt beantwortet
Und doch macht es sich der Film nicht so leicht, die Schuld den Umständen zuzuweisen. Stattdessen spürt der Film, so die Jury, dem fehlenden Verständnis untereinander und dem mangelnden Sinn für die Bedürfnisse des anderen nach. „Mit der Faust in die Welt schlagen“ traut sich, die großen Fragen von Politik, Kontext und Verantwortung nur am Rande aufscheinen zu lassen, weil er ganz in der gefühlten Realität der beiden Heranwachsenden bleiben will.
„Nicht eine einzige Frage der Kinder wird direkt, sondern meist durch eine Gegenfrage oder Ausweichen beantwortet. Auf diese Weise entsteht eine bedrängende Beziehungs-, Herz- und Sprachlosigkeit, die im schlechtesten Fall in lautes Schreien oder Gewalt umschlägt“, heißt es in der Jurybegründung.
Hinweis
Der „Kinotipp der Katholischen Filmkritik“ hebt Filme hervor, die in besonderer Weise religiöse Themen aufgreifen, von menschlichen Nöten, Sorgen und Hoffnungen erzählen und Antworten auf existenzielle Fragen formulieren.