© Excellent Friends & Futures Success ("Fwends" von Sophie Somerville)

Berlinale 2025: Caligari-Filmpreis für „Fwends“

Die australische Regisseurin Sophie Somerville gewinnt mit ihrem Film „Fwends“ den Caligari-Filmpreis

Aktualisiert am
28.02.2025 - 17:13:08
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Zum 40. Mal haben die Kommunalen Kinos ihren Favoriten aus dem Programm des Internationalen Forums gewählt. Die Jury zeichnete das Spielfilmdebüt der australischen Regisseurin Sophie Somerville aus. Der Film "Fwends" erzählt die Geschichte zweier Freundinnen, die in einer Existenzkrise stecken.


Em (Emmanuelle Mattana) ist aus Sydney angereist, um ihre Freundin Jessie (Melissa Gan) in Melbourne zu besuchen. Pläne gibt es keine. Für Em gibt es nicht einmal eine richtige Bettdecke. Doch zum Schlafen kommen die jungen Frauen ohnehin nicht. Denn unablässig sprudelt es aus ihnen heraus, von banal zu gewichtig und retour. Beide sind auf ihre Art verloren; Em, weil ihr vermeintlicher Traumjob von einem ausbeuterisch-misogynen Klima geprägt ist; Jessie, weil sich nach einer Trennung ein Vakuum aufgetan hat. 

Die gemeinsamen Stunden der Freundinnen werden zur Spielfläche, in der Selbst- und Fremdbeobachtung ineinander fließen. Der Film orientiert sich eher an der Komödie als am Drama. Analysen zur schwierigen Gegenwart werden mit Kostüm und Soundeffekt vorgetragen, rappend und improvisiert. „Fwends“ zieht unerwartete Register und ist zudem auch Liebeserklärung an eine frühlingshafte Metropole Melbourne.


Einfach nur seine Freunde sehen

Der Regisseurin Sophie Somerville geht es dabei um „die Komplexität moderner Frauenfreundschaften“. Der Film erzählt in ihren Augen „von unserer krankhaften Unfähigkeit zuzugeben, dass wir einander so dringend brauchen. Wir hören immer wieder, dass Einsamkeit heutzutage eine Epidemie sei, besonders unter jungen Menschen. Ich habe das Gefühl, dass der ständige Druck, Geld zu verdienen und erfolgreich zu sein, unsere Fähigkeit trübt, auf unsere menschlichen Bedürfnisse zu hören. Man hat leicht das Gefühl, dass die Welt einen erdrückt und man sich allein durchschlagen muss. Es ist viel schwieriger zuzugeben, dass man einfach nur seine Freunde sehen muss.“

„Fwends“ ist Somervilles erster Langfilm, der mit geringen Produktionskosten entstand. „Ich mag die Herausforderung“, so die Regisseurin, „mit minimalen Ressourcen zu arbeiten. Ich habe eine Formel für lustige, erfinderische und warmherzigen Geschichten entwickelt, die die echte Welt als Teil der Ästhetik einbezieht. Ich glaube, es ist notwendig, Geschichten zu erzählen, die uns ganz normale Menschen zeigen, die so aussehen wie du und ich. So können wir uns selbst mit einem unerschrockenen, verspielten und skeptischen Blick hinterfragen. Es liegt so viel Heilung und Katharsis darin, einfach zuzugeben, wie ängstlich, verwundet, chaotisch und witzig wir sind. Mein wichtigstes Anliegen bei ,Fwends‘ war es, zwei echte Menschen und die sehr reale Welt in all ihrem herrlichen Chaos zu zeigen. Ich finde, dieses Chaos ist irgendwie schön.

Die Jury (Nikolas Ditz, Tobias Dietrich, Katja Krause) notierte in ihre Laudatio: „Wir erleben die Zunahme und Komplexität globaler Krisen. Die wirken sich negativ auf unsere zwischenmenschlichen Beziehungen aus und darauf, wie wir Kunst machen. Ebenso erleben wir immer mehr, wie Fronten sich verhärten, Menschen sich einsam fühlen und wie sich sogar in Freundschaften Gräben auftun. Anderen zuzuhören und verstehen zu wollen, was sie bewegt, ist lange keine Selbstverständlichkeit mehr.


Viel Humor und große Leichtigkeit

Wir haben uns daher für einen Film entschieden, der ein Zeichen dafür setzt, wie wichtig es ist, hinzuhören und den Mut zu haben, sich zu öffnen und eigene Schwächen einzugestehen. Einem Film, der vor Humor und Leichtigkeit sprüht. Das Langfilmdebüt setzt auf heitere, erfüllende Momente ohne Eskapismus, auf Solidarität ohne Negativfolien, und auf Vertrauen ohne Angst vor Risiken. Im Kontext restriktiver Produktionsbedingungen, die er im Vertrauen auf kollektive Arbeitsweisen spielerisch und originell zu wenden versteht, wandert der Film zwischen ernsten Gesprächen und alberner Selbstvergessenheit und zwischen präzisem Schauspiel und dokumentarischer Freiheit.

Auf diese Weise regt „Fwends“ zur Suche an: nach dem Besonderen im Einfachen, nach den Stärken in unseren Schwächen, nach dem Lockeren im Kontrollierten. Der Film ist lebhaftes Dokument eines spürbar lustvollen kreativen Prozesses, ist kosmopolitisches Selbstzeugnis der Ängste und Motivationen junger Frauen.

Eine für viele Menschen nicht selbstverständliche Bewegungs- und Meinungsfreiheit nutzt der Film, um Themen anzusprechen, die hinter den akuten politischen Konflikten oftmals zurücktreten, die aber unser menschliches Miteinander und das Verhältnis der beiden Hauptfiguren ausmachen. Deren Bewegungen durch die Stadt strukturieren den Film. Sie sind dynamisch, rastlos und fließend und bewahren trotzdem ihren Fokus, öffnen Räume und sind bemerkenswert stringent montiert. In einem atemraubenden Tempo ziehen die improvisierten Gespräche uns in einen Strudel aus Zielstrebigkeit und Desorientierung, Klimawandel und psychischer Gesundheit, aus Nihilismus und Clownskostümen. Und alles innerhalb eines Übernachtungsbesuchs.

Wir sind sehr dankbar, durch diesen Film eine mitreißende, seltene, lustige und kraftvolle Freundschaft unter Frauen erleben zu dürfen, auf der Leinwand und im Filmteam. Deshalb verleihen wir den diesjährigen Caligari-Filmpreis an den Film „Fwends“.


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