Einzelgänger mit Eruptionen - Donald Sutherland

Der kanadische Schauspieler Donald Sutherland besaß keine herkömmliche Attraktivität, aber eine einzigartige Ausstrahlung, der er eine lange Leinwandkarriere verdankte. Zum Star wurde er als Einzelgänger oder Außenseiter, die er linkisch, sarkastisch und eiskalt gestalten konnte, sei es als Chirurg im Koreakrieg oder Nazi-Spion. Seine präzise Darstellungskunst verschaffte ihm bis ins hohe Alter als Vaterfigur oder Schurke wie in „Die Tribute von Panem“ den Beifall neuer Generationen. Ein Nachruf.

Von Karsten Essen

Geheimnisvolle Schönheit - Anouk Aimée

Die französische Schauspielerin Anouk Aimée verstand sich auf das Spiel mit Sonnenbrillen, hinter denen ihre rätselhafte Schönheit stets ein Hauch von Melancholie umgab. Hollywood scheiterte daran, ihre filigrane Aura zu vereinnahmen. Dafür fand sie in Claude Lelouch und seinen drei „Ein Mann und eine Frau“-Filmen einen Regisseur, bei denen sie ihre Kunst leiser Skepsis in allen Lebensaltern ausspielen konnte.

Von Hanns-Georg Rodek

Ein radikaler Dokumentarist - Thomas Heise

Der plötzliche Tod des Filmemachers Thomas Heise am 29. Mai hat Bestürzung auslöst. In seinen Filmen begegnete man Außenseitern und Theaterleuten, Stasi-Mitarbeitern und Rechtsradikalen, ohne dass diese je auf solche Zuschreibungen reduziert worden wären. Sie erschienen als Individuen voller Widersprüche, mit komplexen Biografien und Lebenswünschen quer zur Wirklichkeit. Doch statt Porträts präsentierte Heise lieber assoziative Annäherungen, die das Fragmentarische nicht leugneten.

Von Dietrich Leder

Zum Tode von Roger Corman

Als unabhängiger Filmemacher kultivierte Roger Corman das B-Movie wie kein anderer und gab einer langen Reihe von später berühmt gewordenen Regisseuren erste Bewährungschancen. Mit seinen eigenen Produktionen blieb er bis ins hohe Alter hinein eine Ausnahmeerscheinung. Im Alter von 98 Jahren ist Roger Corman am 9. Mai in Santa Monica gestorben.

Von Thomas Klein

Der unaufgeregte Rebell - Michael Verhoeven

Eigentlich wollte er dem familiär vorgezeichneten Leben in der Filmwelt entkommen. Deshalb studierte Michael Verhoeven Medizin und wurde Gehirnchirurg. Doch dann durchkreuzte ein Filmkuss seine Pläne. Seine Filmpartnerin Senta Berger wurde seine Ehefrau, und er einer der aufrechtesten und skandalträchtigsten deutschen Filmemacher. Wobei er mit seinen intensiven Auseinandersetzungen mit dem Nationalsozialismus immer den Themen, nie dem öffentlichen Aufruhr verpflichtet war.

Von Josef Schnelle

Mit feinem Humor - Percy Adlon

Von München nach Los Angeles ist es manchmal nur ein Gedankensprung. Bei Percy Adlon war es ein Straßenschild Richtung „Bagdad Cafe“. Nach den Dreharbeiten zu seinem berühmtesten Film „Out of Rosenheim“ (1987) blieb er mit seiner Frau Eleonore einfach in Kalifornien, bescherte dem deutschen Kino aber auch von dort aus weiter feine Komödien und sympathische Menschenporträts. Nachruf auf einen hintersinnigen Freigeist, der im Alter von 88 Jahren in Pacific Palisades gestorben ist.

Von Josef Schnelle

Gerechtigkeit für alle - Nachruf auf Norman Jewison

Der kanadische Regisseur Norman Jewison scheute Zeit seines Lebens nie vor „heißen Eisen“ zurück, die ihm am Herzen lagen. So wurde der Südstaaten-Krimi „In der Hitze der Nacht“ zu seinem berühmtesten Werk. Weitere Erfolge mit sozialen Themen waren das Musical „Anatevka“ oder die Science-Fiction-Dystopie „Rollerball“. Als profilierter Filmemacher setzte Jewison aber ebenso überzeugend auch Liebeskomödien wie „Mondsüchtig“ oder den Pokerfilm „Cincinnati Kid“ um.

Von Chris Schinke

Zum Tode von Tom Wilkinson (5.2.1948-30.12.2023)

Der britische Bühnendarsteller Tom Wilkinson wurde im mittleren Alter ein hochbegehrter Charaktermime im Kino, der nach seinem Auftritt als Amateur-Stripper in „Ganz oder gar nicht“ 25 Jahre lang in zahlreichen Filmrollen glänzte. Zuverlässig und vielseitig füllte er autoritäre Charaktere ebenso aus wie Sympathieträger und glänzte besonders dort, wo vermeintlich gefestigte Männer vor den Augen der Zuschauer von Schicksalsschlägen aus dem Gleichgewicht gebracht wurden.

Von Marius Nobach

Trotz allem mit Liebe filmen - Erinnerungen an Otar Iosseliani

Die Welt ist eigentlich zu hässlich, als dass sie die Zärtlichkeit und Zuneigung verdient hätte, mit der Otar Iosseliani auf sie geblickt hat. Obwohl er nicht an die Veränderbarkeit der Wirklichkeit glaubte, rückte er das Unscheinbare und Beiläufige ins Zentrum seiner Filme. Und auch wenn Aufbruch und Scheitern darin eng verwandt sind wie Komik und Tragik, dominierte stets der Wunsch, gut gelebt zu haben, bevor man stirbt. Nachruf auf einen heiteren Melancholiker.

Von Patrick Holzapfel

In Memoriam… 2023

Zu den Übergangsritualen ins neue Jahr gehört auch der Rückblick auf verstorbene Filmschaffende. Das ist mehr als eine pflichtschuldige Übung, die verdienstvollen Akteuren posthum Respekt zollt. Die kleinen Wort-Stelen halten vielmehr die bleibenden Verdienste der Künstlerinnen und Künstler fest, die sich auf ihre Weise ins Reich der bewegten Bilder eingeschrieben haben. Ohne sie würden die Leinwände weniger funkeln. Ihr Andenken öffnet zudem den Raum der Filmgeschichte, ohne deren Kontexte vieles Neue gar nicht denkbar wäre.

Von Marius Nobach