Sein Drehbuch für „Chinatown“ (1974) gilt
als eines der besten in der Geschichte Hollywoods, ja vielleicht sogar des
Films überhaupt. Robert Towne gewann dafür 1975den „Oscar“ und den „Golden
Globe“. Es gibt kaum einen Drehbuchratgeber, in dem das Buch nicht als
Paradebeispiel für gelungenes Scriptwriting herangezogen würde. Towne
avancierte damit zum Star des New Hollywood. Im Juli 2024 ist er verstorben.
Das New Hollywood-Kino der 1970er Jahre war
die große Zeit von Robert Towne. Seine Drehbücher brachten ihm
drei „Oscar“-Nominierungen ein, neben „Chinatown“ auch für „Das letzte Kommando“ (1973) und „Shampoo“ (1975). „Chinatown“ ist
deswegen so grandios, weil das Drehbuch die Klaviatur des Detektivfilms zu
einer perfekten neuen Genrekomposition verdichtet. Der „Neo-Noir“ war damit
begründet. Es ist nicht das strahlende Los Angeles, sondern das zwielichtige,
das an Raymond Chandler und Philip Marlowe gemahnt. „Chinatown“ ist die beste
Hard-Boiled-Detective-Geschichte, die nicht von Chandler oder Hammett
geschrieben wurde.
Das könnte Sie auch interessieren:
In einem Interview meinte Towne, in „Chinatown“ habe er ein Thema aufgegriffen, das jeden Tag vor ihren Augen stattfinde, Wasser und Macht. Daraus, dass etwa die Staubecken geleert seien, habe er ein Rätsel für eine Detektivgeschichte gemacht, die er bewusst in den 1930er-Jahren angesiedelt habe. Das war genau der richtige Stoff für Roman Polanski, das neue Genre-Wunderkind aus Europa. Ganz einig waren sich die beiden aber nicht immer; vor allem der Schluss des Films wurde diskutiert und bis in die Dreharbeiten hinein aufgeschoben. Über Drehbücher lange nachzudenken, zu sprechen und zu diskutieren, wurde zu einem Markenzeichen von Robert Towne.
Der Drehbuch-Retter
Der 1934 als Robert Schwartz geborene Towne wuchs in wohlhabenden Verhältnissen in Los Angeles auf. Nach der High School zog es ihn schnell in die Welt des Films. Er begann als Autor fürs Fernsehen zu arbeiten und für Filme von Roger Corman. Die erste Arbeit, mit der er bekannt wurde, war „Bonnie und Clyde“, obwohl er dort nicht in den Credits auftaucht. Die Drehbuchautoren waren David Newman und Robert Benton. Warren Beatty, der Hauptdarsteller und Produzent des Films, konsultierte indes Towne als Script Doctor. Es heißt, die beiden hätten sich bei ihrem gemeinsamen Psychiater zum ersten Mal getroffen. Der Produzent Jack Warner war der Überzeugung, dass Gangster auf der Leinwand nicht mehr ziehen, und wollte sich ebenso wie danach auch der Regisseur Arthur Penn aus dem Projekt zurückziehen. Warren Beatty aber ließ nicht locker und gewann Towne dafür, sich das ursprüngliche Skript vorzunehmen und es zu überarbeiten. Nach drei Wochen hatte Towne seinen Job zu aller Zufriedenheit erledigt. Der Rest ist Filmgeschichte.
Die Arbeit als Script Doctor wurde zu seinem Steckenpferd. In dieser oder ähnlicher Funktion war er an Filmen wie „Der Pate“ (1972), „The Parallax View“ (1974), „Missouri Breaks“ (1976) und „Marathon Mann“ (1976) beteiligt. Er stand darüber hinaus auch Drehbuchautoren beratend zur Seite. So unterstützte er Jeremy Larner, der von Haus aus kein Drehbuchautor, sondern politischer Redenschreiber war, beim Skript für die Polit-Satire „The Candidate“ (1972).
Durststrecke und späte Erfolge
Die Geschichten flossen Robert Towne nicht leicht aus der Feder. Robert Evans, der Produktionschef von Paramount, soll einmal gesagt haben: „Er hatte schon jede Seite im Kopf ausformuliert, doch zu Papier brachte er die Sache nie. Nie!“ Das war etwas übertrieben, aber Towne hatte in der Tat Probleme beim Schreiben. Er konnte sich auch nicht kurzfassen. Was er schrieb, waren eher Filmromane mit oft über 250 Seiten im ersten Entwurf. So dauerte es auch mehrere Jahre, bis sich Warren Beatty mit ihm auf eine finale Drehbuchfassung für „Shampoo“ einigen konnte. Darüber wäre fast die Freundschaft zwischen den beiden in die Brüche gegangen.
Um diese Probleme zu umgehen, versuchte Towne seinerseits selbst Regie zu führen. Die Erfahrungen als Drehbuchautor und Regisseur in Personalunion waren jedoch desaströs. Sein Waterloo wurde „Greystoke: Die Legende von Tarzan, Herr der Affen“ (1984). Die Arbeiten zu dem Film begannen bereits in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre. Während dieser Zeit wurde Towne bewusst, wie schwierig es würde, einem Regisseur zu vermitteln, was da eigentlich passieren soll, denn Dialoge gab es kaum. Deshalb beschloss er, den Film selbst zu inszenieren. Aber schon das Drehbuch bereitete ihm Schwierigkeiten. Es gelang ihm einfach nicht, den dritten Akt zu Papier zu bringen.
Ein anderes Projekt, „Personal Best“, bei dem er ebenfalls Regie führen sollte, wurde vorgezogen und auch fertiggestellt, war aber ein kompletter Misserfolg. Von seiner Arbeit für „Greystoke“, der am Ende doch von Hugh Hudson gedreht wurde, war er so enttäuscht, dass er den Namen seines 1982 verstorbenen Hundes Hira in die Credits aufnehmen ließ: P.H. Vazak steht dort als Co-Autor.
Inzwischen hatte er die Schauspielerin Julie Payne geheiratet und war Vater geworden. Towne fing sich wieder. Für „Tequila Sunrise“ schrieb er 1988 das Drehbuch und übernahm auch die Regie. An „Chinatown“ reichte der mit Mel Gibson, Michelle Pfeiffer und Kurt Russell prominent besetzte und verschachtelt erzählte romantische Krimi nicht heran, besitzt als spielerische Genre-Unterhaltung aber seine Qualitäten. Mit dem „Chinatown“-Sequel „Die Spur führt zurück - The Two Jakes“ (Towne hatte ursprünglich eine Trilogie geplant), folgte 1990 jedoch erneut ein furchtbares Fiasko, bei dem die Freundschaft mit Jack Nicholson in die Brüche ging.
Von Mitte der 1990er-Jahre bis zum Jahr 2000 konnte Robert Towne als Autor dann wieder zu einigen Kassenschlagern wie den ersten beiden „Mission Impossible“-Filme beitragen. Vor allem der erste „Mission: Impossbile“-Film unter der Regie von Brian De Palma ist von so vielen Plot Points und überraschenden Wendungen durchsetzt, dass einem schier schwindlig wird.
Drehbuchschreiben als Balanceakt
Für Robert Towne stellte das Drehbuch eine eigenständige literarische Leistung dar. Sein eigener Anspruch an diese Kunst machte ihm die Arbeit an seinen Skripts nicht leicht. Drehbücher anderer zu verbessern, ging ihm besser von der Hand. Was wäre dabei herausgekommen, wenn er sich an einem Roman erprobt hätte? Ob er davon besser hätte leben können? Zeit seines Lebens kämpfte er um eine angemessene Honorierung der Arbeit fürs Drehbuchschreiben, sowohl in Zahlen als auch in Reputation. Meist war er pleite und musste sich Geld leihen. 2006 machte er mit „Ask the Dust“ seinen letzten Film als Drehbuchautor und Regisseur. Jetzt ist er am 1. Juli 2024 mit 89 Jahren in Los Angeles gestorben.