Bis heute hat „The Wild Bunch“ nichts von der Eindringlichkeit eingebüßt, mit der Peckinpah 1968 das Western-Genre erneuerte. Antihelden wie der wilde Haufen desillusionierter Outlaws, von dem der Film erzählt, hatte es im US-Kino bislang in der Form nicht gegeben. Neu war nicht zuletzt die extreme Darstellung von Gewalt, die in der Zeitlupe ihre filmästhetische Stilisierung erfuhr. „The Wild Bunch“ ist der Höhepunkt im Werk eines Regisseurs, der wie nur wenige andere einen stetigen Kampf gegen die Konventionen Hollywoods führte.
Sam Peckinpah hat selbst einmal gesagt, dass er mit „The Wild Bunch“ weniger einen Western drehen, als vielmehr die Gegenwart kommentieren wollte. Allerdings kannte keiner die amerikanische Frontier-Zeit besser als er, worauf viele seiner Weggefährten immer wieder gerne verwiesen haben. Gerade der revisionistische Western der 1970er-Jahre (etwa von Robert Altman oder Clint Eastwood), dem Peckinpah in vieler Hinsicht den Weg ebnete, war ja auch immer beides: ein neuer Blick auf den Wilden Westen und zugleich Diagnose der Vereinigten Staaten der Entstehungszeit jener Filme. Und das gilt auch für „The Wild Bunch“, der auf dem Höhepunkt des Vietnam-Krieges erschien und zugleich jeglichem romantischem Blick auf die Siedler-Geschichte eine Absage erteilte. Die entscheidenden Faktoren für seine Perspektive waren die Protagonisten, die Ästhetik der Gewalt und die zeitliche Verortung seiner Western, in denen die technische Moderne meist schon Einzug gehalten hat.
Das letzte Aufbäumen müder Antihelden
Sam Peckinpah erläuterte, dass es vor allem
die Outlaws waren, die ihn am Wilden Westen interessierten: „Das waren Männer,
die nicht nur von der Gewalt lebten, sondern für die Gewalt.“ Outlaws waren für
den Western schon immer von zentraler Bedeutung. Im klassischen Western wurden
sie mitunter zu Sozialbanditen verklärt, die annähernd im Stil eines Robin Hood
den Reichen nehmen und den Armen geben. Peckinpah hat damit nichts am Hut. Er
schickt seine Antihelden erbarmungslos in Situationen, in denen die Moral, die
ihnen noch geblieben ist, drastisch auf die Probe gestellt wird. Das passiert
schon gleich zu Beginn des Films bei dem Überfall auf die Kasse einer
Eisenbahngesellschaft, der sich als Falle herausstellt. Denn der Besitzer der
Bahngesellschaft hat skrupellose Kopfgeldjäger angeheuert und wusste zudem von
einer Veranstaltung und einer Prozession im Ort, die direkt an der Bank
vorbeiführt. Die Outlaws sind dazu gezwungen, sich durch unschuldige Passanten,
Frauen und Kinder zu schießen, nehmen sich Menschen als Deckung, während die
Kopfgeldjäger gewissenlos in die Menge schießen und ein Massaker anrichten.
Peckinpah hebt Gut und Böse, ein entscheidendes Oppositionspaar im klassischen Western, völlig aus den Angeln. Nur ein Teil der Outlaws überlebt: der wilde Haufen. Die entscheidende Rest-Moral der Gruppe wird auf der Flucht ausgesprochen, wenn ihr Anführer Pike Bishop (William Holden) sagt: „Wenn du mit einem Mann reitest, dann bleibst du ihm verbunden. Wenn du das nicht kannst, bist du nur ein Tier.“
Zu dem wilden Haufen zählt genaugenommen auch Deke Thornton (Robert Ryan), der die gänzlich verrohten Kopfgeldjäger anführt. Er wurde vor die Wahl gestellt, diesen Job anzunehmen oder ins Gefängnis zu wandern. Die Bahngesellschaft und damit der in den Westen dampfende Kapitalismus hat komplett das Gesetz übernommen. Genauso wie bei Pat Garrett und Billy the Kid in Peckinpahs vier Jahre später entstandenem „Pat Garrett jagt Billy the Kid“ (in dem Bob Dylan mitwirkt) ist Thornton ein alter Freund des Mannes, Pike Bishop, dem er das Handwerk legen soll. Mit William Holden als Bishop und Robert Ryan als Thornton hat Peckinpah wie schon mit Joel McCrea und Randolph Scott in seinem ersten großen Western „Sacramento“ (1962) zwei Hollywood-Altstars gecastet, die für das Ende einer Epoche, sowohl des Hollywoodkinos als auch des Wilden Westens, stehen. Peckinpahs wilder Haufen bildete das Vorbild für viele Antihelden des nachfolgenden New-Hollywood-Kinos der 1970er-Jahre.
Man hat von einer Todessehnsucht gesprochen, die sich der Männer bemächtige oder schon immer Teil von ihnen gewesen sei. Sie sind zwischen den Welten und wissen nicht wohin, und auch ihr – schwer erträglicher – Sexismus und Rassismus wirkt wie ein letztes Aufbäumen gegen die neue Zeit. Die unmittelbare Motivation für den finalen Shootout ist die Rache für ihren schon fast zu Tode gefolterten Kumpan Angel, dem vor ihren Augen vom mexikanischen General Mapache die Kehle durchgeschnitten wird. Was die Männer jedoch im Innersten antreibt, ist die Todessehnsucht, der Wunsch, im Kugelhagel zu sterben. Der wilde Haufen, der beim Überschreiten des im Western zum topographischen Mythos gewordenen Flusses Rio Bravo bereits uneins darüber war, ob die Flucht nach Mexiko denn eine Verbesserung ihrer Situation bringen würde, muss endgültig realisieren, dass er hier seinen Endpunkt erreicht hat. Bleibt nur noch der möglichst spektakuläre Abgang.
Ästhetik der Gewalt
Der Filmwissenschaftler Bernd Kiefer hat geschrieben, dass Peckinpahs spezifischer Zugang zum Western darin bestehe, dass er die „Mythologie selbst in ihren Spannungen und ihren Widersprüchen ernst nimmt“. Das unterscheidet Peckinpahs Western vom Italo-Western, auch eines Sergio Leone, der mit den Mythen spielte, um sie letztlich über den Haufen zu werfen. Gewaltdarstellungen sind hier wie dort von zentraler Bedeutung, doch haben sie bei Peckinpah eine existentialistische Tragweite, die es im Italo-Western in dieser Form nicht gibt.
Im Zentrum der Gewaltdarstellungen steht bei Peckinpah die Zeitlupe. Sie ist das filmische Mittel, das die Gewalt stilisiert und zugleich schmerzhaft sichtbar macht. In den Zeitlupensequenzen wird sowohl bildlich durch das spritzende Blut als auch auf der Tonebene durch Geräusche von in die Körper einschlagenden Kugeln eine genuin filmisch generierte Erfahrung von Gewalt vermittelt; anders als in Western, in denen Shoot-outs beschönigend darin bestehen, dass es knallt und danach jemand zusammenbricht, wird hier unmissverständlich deutlich, was der Schuss mit dem menschlichen Körper anrichtet. Diese Bilder sind nicht zuletzt auch dem Kameramann Lucien Ballard zu verdanken, mit dem Peckinpah mehrfach zusammenarbeitete. Außerdem ergibt sich die Eindringlichkeit der Zeitlupensequenz auch aus der Montage von Lou Lombardo, für den es die erste Mitarbeit in einem Film war (später war er auch Editor für Robert Altman). Gewalt durchzieht den gesamten Film, und es sind mehrere Waffen, die dabei zum Einsatz kommen. Von zentraler Bedeutung sind jedoch moderne Schusswaffen wie das Maschinengewehr, das im Ersten Weltkrieg verheerend wirkte. Insofern spielt der Film ganz gezielt im Jahr 1913. Zum einen, weil Peckinpah den historischen Kontext der Mexikanischen Revolution nutzt. Zum anderen – und das gilt auch für den nachfolgenden „Abgerechnet wird zum Schluss“ (1970) – weil er seine Filme zu einem Zeitpunkt spielen lässt, als die Frontier laut U.S. Census schon längst geschlossen war.
Beginn der Moderne
Der Wilde Westen war im Wandel begriffen, und dazu zählte auch die Art sich vorwärtszubewegen. Schon in Peckinpahs erstem Western „Sacramento“ aus dem Jahre 1962 werden die gealterten Cowboys mit dem Automobil konfrontiert. In „The Wild Bunch“ staunt der wilde Haufen ebenfalls nicht schlecht über ein Auto, und in „Abgerechnet wird zum Schluss“ stirbt der Held Cable Hogue (gespielt von Jason Robards) am Ende daran, dass er von einem Auto überrollt wird. Stellt bereits die Eisenbahn für die Antihelden eine enorme Herausforderung dar, weil erst damit Menschenmassen den Westen überfluteten, so werden das Auto und das Motorrad (das in „Abgerechnet wird zum Schluss“ auch vorkommt) das Pferd als Transportmittel ablösen. Das Maschinengewehr markiert das Massensterben, das Automobil das Ende der Natur.
„Abgerechnet wird zum Schluss“ ist der „wohl sanfteste, empathischste Film, den Peckinpah je gedreht hat“, schreibt Stefan Jung in seinem spannenden Essay im Booklet der im Frühjahr 2025 erschienenen Blu-Ray-Edition „Peckinpahs West“. Es soll auch der Film sein, den Sam Peckinpah in seinem Werk am meisten mochte. Zu ergänzen ist, dass ein Teil des burlesken Humors in „Abgerechnet wird zum Schluss“ durch Zeitraffer erzeugt wird. Zeitlupe und Zeitraffer: Sie wären bei Peckinpah demzufolge zwei filmtechnisch erzeugte Zuspitzungen bekannter filmischer Darstellungsmodi – des tragischen und des komischen.
Die Blu-ray-Edition würdigt mit vier Filmen und umfassendem Bonusmaterial einen zweifellos sehr ambivalenten Filmkünstler, der nach „The Wild Bunch“ einen Kampf gegen Hollywood führen musste und daran mehr oder weniger zerbrach. Er starb 1984. „The Wild Bunch“ ist und bleibt sein bedeutendstes Werk.
Discografischer Hinweis:
"Wild Bunch" (1968) ist im Frühjahr 2025 neu erschienen als Teil der mit reichlich Bonusmaterial ausgestatteten Edition "Peckinpah's West" anlässlich des 100. Geburtstags des Regisseurs. Anbieter: Plaion. EUR 89,99. Mehr Informationen zur Edition hier.