Ich will alles! Hildegard Knef

Dokumentarisches Porträt | Deutschland 2025 | 98 Minuten

Regie: Luzia Schmid

Die Sängerin und Schauspielerin Hildegard Knef (1929-2002) war eine der schillerndsten Entertainerinnen deutscher Sprache. Der Dokumentarfilm beleuchtet ihr ereignisreiches Leben zwischen beruflichen Erfolgen und Misserfolgen, ihren internationalen Ruhm und ihr Privatleben. Gegen die öffentliche Kritik in der Bundesrepublik setzte sie sich eloquent zur Wehr. Der Film räumt der Künstlerin durch Ausschnitte ihrer zahlreichen gefilmten Interviews die Deutungshoheit über ihr Leben und ihre Karriere ein und kontrastiert damit die zwiespältige Rezeption im eigenen Land. - Ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2025
Produktionsfirma
RBB/Zero One Film
Regie
Luzia Schmid
Buch
Luzia Schmid
Kamera
Hajo Schomerus
Musik
Danielle De Picciciotto · Alexander Hacke
Schnitt
Yana Höhnerbach
Länge
98 Minuten
Kinostart
03.04.2025
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarisches Porträt
Externe Links
IMDb | TMDB

Dokumentarfilm über die Schauspieler und Entertainerin Hildegard Knef, ihre Karriere und ihr Privatleben inmitten einer ihr wenig gesonnenen Öffentlichkeit.

Aktualisiert am
18.02.2025 - 15:16:54
Diskussion

„Hier kommt die Uneitle, deren Ehrgeiz es war, die Beste zu sein.“ Mit diesen Worten urteilten Nachwuchstalente der UFA in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs über ihre junge Kollegin Hildegard Knef. Ob sie wirklich uneitel war, sei dahingestellt. Auf jeden Fall aber war sie schön und verfügte über eine verführerische Aura, die den Unterschied ausmachte. Den Ehrgeiz brachte Hildegard Knef schon in sehr jungen Jahren mit: Sie wollte berühmt sein. Dafür nahm sie Ende des Krieges, als Berlin permanent von den westlichen Alliierten bombardiert wurde, für Probeaufnahmen weite Wege in Ausweich-Locations des Studios Babelsberg auf sich. Nur in den letzten Kriegstagen verzichtete sie auf die Schauspielerei und war nur mit dem Überleben beschäftigt. Es spricht für sie, dass sie anschließend die Hauptrolle im ersten deutschen Anti-NS-Film übernahm: in Wolfgang Staudtes „Die Mörder sind unter uns“ (1946), mit dem auch die frisch gegründeten DEFA-Studios debütierte.

Viele Erfolge, aber auch Niederlagen

Die Dokumentation von Luzia Schmid ist keine Biografie von A bis Z. Anhand zahlreicher Archivfilme und -bildern konzentriert sich der Film auf das Leben von Knef ab Mitte der 1940er-Jahre, wobei es nicht streng chronologisch zugeht, sondern immer wieder auch Zeitsprünge zu finden sind. Der Film beginnt mit einem in Schwarz-weiß gefilmten Auftritt ihres größten Hits „Für mich soll es rote Rosen regnen“ aus dem Jahre 1968. Da blickt Hildegard Knef bereits auf eine 25-jährige Karriere zurück, mit viele Erfolgen, aber auch große Niederlagen. Einige davon sind auf jugendliche Unerfahrenheit und ihren glühenden Ehrgeiz zurückzuführen. So ging Knef Ende der 1940er-Jahre auf Einladung von David O. Selznick nach Hollywood. Dort lernte sie Englisch, erhielt aber keine Rollenangebote und bereute später ihre „Dämlichkeit“.

Zurück in Deutschland lagen Erfolg und Fall nahe beieinander. In der prüden Bundesrepublik des Wirtschaftswunders sorgte ihr sechs Sekunden langer barbusiger Auftritt in „Die Sünderin“ (1951) für einen handfesten Skandal. Es gab Demonstrationen; Kinos brannten. Angegriffen wurde aber nicht etwa der Regisseur oder der Produzent des Films, sondern die vermeintlich unmoralische Hauptdarstellerin. Auch später ließ die (Klatsch-)Presse keine Gelegenheit aus, Knef anzugreifen, zu verhöhnen oder unter Druck zu setzen. Privat erhielt sie sogar Morddrohungen.

Trost fand die Schauspielerin zum Teil bei ihren drei Ehemännern in verschiedenen Phasen ihres Lebens, vor allem aber in der Arbeit. Mit ihrem zweiten Ehemann David Cameron arbeitete sie eng zusammen, wodurch ihr in den 1960er-Jahren ein glanzvolles Comeback gelang. Ihre Karriere verfolgte sie zweigleisig: als Schauspielerin und als Sängerin. Die Texte ihrer Chansons, die alle Gefühle zwischen Schmerz, Mut und Trotz behandelten, schrieb sie selbst und nannte sie „unverschämt biografisch“. Auch Selbstironie war ihr nicht fremd, wie der Song „Mit mir geht’s bergab“ bezeugt.

Immer auf dem Prüfstand

„Ich weiß alles“ lässt die Künstlerin selbst sehr oft zu Wort kommen. Es gibt unzählige (Film-)Interviews mit ihr. In den im Film gezeigten Ausschnitten nutzte Hildegard Knef die Gelegenheit, sich ehrlich analysierend, manchmal forsch, aber stets wortgewandt zu präsentieren und einige Dinge klarzustellen. Die Anmaßung der männlichen Interviewer, selbst wenn sie sich wie Joachim Fuchsberger einen kollegialen Anstrich geben, wird dabei besonders deutlich. Knef soll über intimste private Angelegenheiten Auskunft geben: die Höhen und Tiefen ihrer Karriere, ihre Ehe(n), Krankheiten oder Schönheitsoperationen.

Stets stellte man sie auf den Prüfstand, immer wurde sie als öffentliches Eigentum betrachtet. Einmal erdreistete sich ein Journalist sogar, ein (küchen-)psychologisches Porträt von ihr zu entwerfen, was sie jedoch schlagfertig pariert („Sie machen mich ja zu 24 Personen auf einmal.“). So übte die bundesrepublikanische Öffentlichkeit permanent Druck auf sie aus, was sie belastete. Auf die verletzliche Seite von Hildegard Knefs geht insbesondere ihre Tochter Christina ein, die unter dem Eindringen der Öffentlichkeit in die Privatsphäre der Familie litt, auch wenn sie verstand, dass die zahlreichen Home Stories in Schrift und Bild zur Arbeit ihrer Mutter dazugehörten.

Eine Stehauffrau

Die Arbeit war der Rettungsanker der Entertainerin, die neben Songtexten auch fleißig autobiografische Bücher verfasste. In einem anderen gefilmten Interview erläutert sie ihre tägliche Schreibroutine. Als Autorin feierte Knef große Erfolge, auch im Ausland. In den USA, wo sie sich „Hildegard Neff“ nannte, wurde sie in dem Stück „Silk Stockings“ neben Don Ameche am Broadway bejubelt. Marlene Dietrich besuchte sie backstage und fand sie „fabelhaft“. Überhaupt hatten die beiden Ur-Berlinerinnen einiges gemein, vor allem den Umstand, dass sie als Prophetinnen im eigenen Land weniger galten als international. Zwar wurde Knef von der deutschen Presse nicht als „Vaterlandsverräterin“ gebrandmarkt wie Dietrich, doch die im Gewand der Häme daherkommende Missgunst war ihr in ihrer Heimat stets gewiss.

Hildegard Knef erscheint in „Ich weiß alles“ als Stehauffrau als eine, die sich immer wieder neu erfand, sich von der Engstirnigkeit ihrer Landsleute und der wertenden Presse nie unterkriegen ließ. Dennoch kann man ihren Alterungsprozess im Laufe der Jahrzehnte in den Archivaufnahmen gut mitverfolgen. Im letzten Drittel ihres Lebens spielte ihre Gesundheit nicht mehr mit; sie musste den Krebs bekämpfen, Dutzende Operationen über sich ergehen lassen und mit ihrer Tablettensucht ringen. Der Film enthält sich jeglicher Wertungen. Er lässt lediglich Hildegard Knef– vor der Kamera oder im Off, gelesen von der Schauspielerin Nina Kunzendorf – sowie ihre Tochter und ihren letzten Ehemann Paul von Schell zu Wort kommen. Damit gibt die Regisseurin Luzia Schmid dieser einzigartigen Künstlerin eine Würde zurück, die ihr die (west-)deutsche Öffentlichkeit allzu oft verweigert hat.

Kommentar verfassen

Kommentieren