Über elf Jahre liegt der Kinostart von „Die Monster AG“
(fd 35 258) schon zurück, und seitdem ist bei Pixar eine Menge passiert. Mit Filmen wie „Findet Nemo“
(fd 36 237) und „Cars“
(fd 37 766), aber auch „Die Unglaublichen“
(fd 36 818), „Ratatouille“
(fd 38 348) und „Oben“
(fd 39 473) setzten die Produzenten neue Maßstäbe, was Originalität und Erfindungsreichtum der Geschichten angeht, ihren Unterhaltungswert und Witz, nicht zu vergessen die ständige Verfeinerung der Computeranimation, die die Entstehung immer neuer, überraschender Bilderwelten und Figuren erlaubt, auch in 3D. 2006 wurde das Studio für sechs Milliarden Dollar dann von Disney übernommen; „Merida“
(fd 41 197) schien eine erste Konzession an die Märchentradition des Konzerns zu sein.
Doch nun kehrt Pixar wieder zu den Anfängen zurück. Der Clou von „Die Monster AG“ bestand darin, fantastischen Charakteren menschliche Eigenschaften zu verleihen und die klassischen Mythen des Horrorkinos in einen neuen Zusammenhang zu stellen, der die reale Welt der Menschen im Jenseits verortet. Natürlich hätte man dieses Konzept, ähnlich wie bei den Fortsetzungen zu „Toy Story“
(fd 31 830) und „Cars“, noch einmal neu auflegen und weiterspinnen können. Doch Regisseur Don Scanlon und seine Co-Autoren Robert L. Baird und Daniel Gerson gehen chronologisch einen Schritt zurück und erzählen die Vorgeschichte ihrer Hauptfiguren, die das Handwerk des Erschreckens erst noch mühsam erlernen müssen.
Mike Glotzkowski, der giftgrüne Einäuger auf zwei Beinen, und James P. „Sulley“ Sullivan, der blauflauschige, gemütliche Riese, teilen sich als Erstsemester auf der Monsters University ein Zimmer – und sind sich zunächst spinnefeind. Zu unterschiedlich sind sie, nicht nur äußerlich. Mike ist ein eloquenter Streber, der seine mangelnden körperlichen Voraussetzungen durch Fleiß und Begeisterung kompensiert. Sully hingegen ist ein nicht sehr heller Faulpelz, der sich lieber auf seine riesige Gestalt und sein furchterregendes Gebrüll verlässt, ansonsten aber den Versuchungen des Studentenlebens erliegt. Am liebsten würde er sich der Verbindung „Roh Omega Roh“ anschließen, weil sich dort die coolsten und furchterregendsten Typen der Uni herumtreiben.
Es ist keine Frage, dass „Roh Omega Roh“ auch in diesem Jahr bei den Schreckspielen ihren Titel als bestes Monster-Team der Uni verteidigen werden, zumal auch die Dekanin Hardscrabble Mike kaum Erfolgsaussichten einräumt. Als Sulley allerdings merkt, mit was für einem arroganten, hinterhältigen Haufen er sich da eingelassen hat, tut er sich mit Mike und vier anderen Außenseitern zu den „Omega Kreischma“ zusammen. Ein bunt zusammengewürfeltes Sextett, das sich auf seine Stärken besinnen muss, wenn es überhaupt eine Chance haben will.
Der reale Schrecken des Campus ist schon von zahllosen Teenie-Komödien und Horrorfilme beschrieben worden: das Verlassen des Elternhauses, die ungewohnte, neue Umgebung, Anpassungs- und Leistungsdruck, Gruppendynamik und Einzelgänger. „Die Monster Uni“ entwirft ein bekanntes, nachvollziehbares Szenario, um ihre beiden Hauptfiguren dann einer Serie fast schon hysterisch-fantastischer Situationen auszusetzen. Die Wettbewerbe der Schreckspiele, an denen auch noch andere schillernde Studentenvereinigungen teilnehmen, zählt zum Verrücktesten und Dynamischsten, was sich Pixar jemals ausgedacht hat.
Natürlich werden auch hier wieder, abgesehen von der technischen Perfektion, menschliche Werte wie Zusammenhalt, Selbstvertrauen, Intelligenz und Erfindungsreichtum verhandelt, die – ähnliche wie in „Toy Story“ oder „Findet Nemo“ – für das Erreichen des gemeinsamen Ziels unabdingbar sind. Die Universität ermöglicht, eine weitere Stärke des Films, neben dem Wiedersehen mit alten Bekannten, eine Vielzahl neuer, fantasievoll erdachter und liebevoll animierter Figuren. Von Hardscrabble über Art, der aussieht wie ein Viadukt mit zwei Händen, bis zu den arroganten Mitgliedern der Roh Omega Roh weisen alle Monster eine bewundernswerte Detailfreudigkeit und optische Brillanz auf, die schwer zu übertreffen ist. Herausragend auch die Synchronisation: Wie schon im ersten Teil werden Mike und Sully im Original wieder von Billy Crystal und John Goodman gesprochen. Witzig-vorlaut der eine, warmherzig-gemütlich der andere: Die Macher haben schon im Vorfeld die Sprecher der Charaktere im Hinterkopf und schneiden den Film dann auf sie zu. Der deutsche Verleih hingegen setzt lieber auf die Popularität seiner Sprecher und stellt so eine Ereignishaftigkeit her, der es gar nicht bedarf: So spricht der Bayern-Torwart Manuel Neuer eine Nebenfigur, obwohl seine Stärken doch ganz woanders liegen.