Daredevil: Born Again
Action | USA 2025 | (9 Folgen)
Regie: Justin Benson
Filmdaten
- Originaltitel
- DAREDEVIL: BORN AGAIN
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2025
- Produktionsfirma
- 20th Television/Corman & Ord/Marvel Studios/The Walt Disney Company
- Regie
- Justin Benson · Aaron Moorhead
- Buch
- Matt Corman · Chris Ord · Dario Scardapane · Jill Blankenship · Jesse Wigutow
- Kamera
- Hillary Fyfe Spera · Pedro Gómez Millán
- Musik
- The Newton Brothers
- Darsteller
- Charlie Cox (Matt Murdock/Daredevil) · Vincent D'Onofrio (Wilson Fisk/Kingpin) · Ayelet Zurer (Vanessa Marianna-Fisk) · Margarita Levieva (Heather Glenn) · Genneya Walton (BB Urich)
- Länge
- (9 Folgen)
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 18.
- Genre
- Action | Comicverfilmung | Serie
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
In der Fortschreibung der Serie „Marvel’s Daredevil“ geht Superschurke Kingpin in die Politik und steigt zum Bürgermeister auf; Matt Murdoch alias Daredevil hängt das „Vigilante Hero“-Dasein an den Nagel – doch beide kommen nicht aus ihrer Haut.
Es gibt keine Teufel in Menschengestalt, aber Menschen, die Teuflisches tun. Wie diesem Bösen die Stirn bieten? Wer dabei seine Gegner als Monster sieht, denen man in heiligem Zorn alles antun darf, um sie aufzuhalten, ist auf dem besten Weg, selbst Teil des Teuflischen zu werden. Matt Murdock alias Daredevil, der gläubige Katholik unter den Marvel-Superhelden, der in der für Netflix produzierten Serie „Marvel’s Daredevil“ (2015-2018) drei Staffeln lang als maskierter „Vigilante Hero“ gegen das Böse in Manhattans Stadtviertel Hell’s Kitchen zu Felde zog, war sich dieses Dilemmas stets bewusst.
„Vigilante Hero“ und Mann des Rechtsstaats
Die von Charlie Cox verkörperte Serienversion der von Comicautor Stan Lee in den 1960er-Jahren ersonnenen Figur war ein Zweifler und Schmerzensmann, der immer wieder mit sich selbst und im Austausch mit Figuren wie seinem besten Freund Foggy Nelson (Elden Henson) oder seinem Priester und Beichtvater um die Wahl der richtigen Mittel im Kampf gegen das Unrecht in seiner Stadt rang. Zwar änderte die New Yorker Öffentlichkeit am Ende der ersten Staffel ihre Haltung zu dem durch Verleumdungen in Verruf geratenen, als Terrorist und „Devil of Hell’s Kitchen“ verschrienen Helden und verpasste ihm den weniger düsteren, nach verwegenem Teufelskerl klingenden Nom de guerre Daredevil. Matt selbst aber blieb immer bewusst, dass seine Selbstjustiz-Kämpfe gegen Gangster moralisch fragwürdig waren. Schließlich ist der seit einem Unfall in der Kindheit erblindete, aber mit übernatürlich geschärften anderen Sinnen und in der Jugend antrainierten Kampfkünsten ausgestattete Matt, wenn er nicht in die Daredevil-Maske schlüpft, Anwalt und ein Verfechter des Rechtsstaats.
Ganz anders sein großer Antipode, der Gangster-Geschäftsmann Wilson Fisk alias Kingpin (Vincent D’Onofrio): Der teilt zwar mit Matt das Ziel, Hell’s Kitchen zu einem besseren Ort zu machen (worunter er vor allem versteht: es zu gentrifizieren), geht aber davon aus, dass der Zweck jedes Mittel heiligt. Was in den drei Staffeln von „Marvel’s Daredevil“ dazu führte, dass Fisk im Namen des Projekts, seine Stadt „great again“ zu machen, skrupellos nach Macht strebte, sich die New Yorker Unterwelt unterwarf und Institutionen wie Politik, Justiz, Presse und Polizei (und ab Staffel 2 nach seiner Verhaftung den Strafvollzug) zu korrumpieren versuchte. Und Matt damit immer wieder in Zugzwang brachte.
Kritischer Biss statt effektbombastischer Spaß
Im Jahr vor der ersten Präsidentschaft Donald Trumps im April 2015 gestartet, gehörte „Marvel’s Daredevil“ wie „Jessica Jones“ zu jenen Marvel-Stoffen, die der Superhelden-Mythenmaschinerie nicht nur selbstironisch grundierten, effektbombastischen Spaß abtrotzen, sondern kritischen Biss entfalten – damit, wie die Serie das Verhältnis von Helden, Schurken und Gesellschaft problematisierte, und damit, wie sie insistierend die Gretchenfrage des Genres nach der Legitimation der „Vigilante Heroes“ stellte. Statt des Geschmacks nach Fantasy und Science-Fiction dominieren hier Einflüsse von Gangsterfilm und Politthriller, statt CGI-getragener Action mit Monstern, Laserstrahlen und Magie handfeste, brachiale Körperkonfrontationen (Daredevil lehnt den Gebrauch von Schusswaffen ab, weil er nicht töten will). So inszeniert, dass die Gewalt wirklich wehtut.
Vincent D’Onofrios Kingpin hat zwar wesentlich menschlicheres Format als etwa der außerirdische Superschurke Thanos aus den „Avengers“-Filmen, ist neben Homelander aus der Amazon-Prime-Serie „The Boys“ aber trotzdem oder gerade deswegen locker der beängstigendste Antagonist aller US-Comicverfilmungen der letzten zehn Jahre. Weil das Übel, das er verkörpert, trotz aller Larger-than-Life-Zuspitzung erschreckend treffsicher den kleptokratischen Egotrip Donald Trumps und die Ermüdungsbrüche in der US-Demokratie, die seinen Aufstieg befeuerten, spiegelt.
Der Großgangster wird Bürgermeister
Dass die Serie 2018 nach nur drei Staffeln abgesetzt wurde, enttäuschte viele Fans; ab 2021 ans Marvel Cinematic Universe angedockt und 2022 von Disney+ übernommen, eröffnete sich der Serienfigur Daredevil aber eine neue Zukunft. Dass die Fortsetzung „Daredevil: Born Again“ nun ausgerechnet kurz nach der zweiten Inauguration Donald Trumps als US-Präsident gestartet ist – sie läuft bei Disney+ seit Anfang März 2025; das Finale der ersten Staffel feiert am 16. April Premiere – passt wie die Faust aufs Auge. Tatsächlich schließt der Plot beklemmend an den realen Irrsinn an. Wilson Fisk gewinnt in Folge 1 eine Wahl: Er hat aus seinen von Daredevil herbeigeführten Niederlagen in der Vorgängerserie gelernt und beschlossen, sein Streben nach Macht auf legitime, politische Beine zu stellen. Und schafft es mit Hilfe eines geschickt geführten Wahlkampfs, zum Bürgermeister New Yorks aufzusteigen. Seine kriminelle Vergangenheit? Für (zu) viele Wählerinnen und Wähler kein Hindernis; sie glauben lieber Fisks Versprechen, der starke Mann zu sein, der den maroden Sumpf New York trockenlegen kann, als den Tatsachen, die gegen ihn sprechen. Die Spielregeln und Verpflichtungen, die mit seinem neuen Amt einhergehen, nimmt er nach errungenem Sieg zunächst in Kauf, ganz Wolf im Schafspelz, ist aber schnell davon genervt. Und beginnt, die Ordnung, der er nun vorsteht, so zu modifizieren, dass sie zu seinen Ambitionen passt.
Und Matt Murdock? Der wird am Beginn der Serie Opfer einer niederschmetternden Katastrophe: Sein Anwalts-Partner, bester Freund und verkörpertes moralisches Rückgrat Foggy wird vom Schurken Benjamin Poindexter alias Bullseye (der in der dritten Staffel von „Marvel’s Daredevil“ eine wichtige Rolle spielte) erschossen; die in „Marvel’s Daredevil“ im Mittelpunkt stehende Trias aus Matt, Foggy und ihrer Freundin Karen ist damit zerbrochen – worauf Matt reagiert, indem er die Daredevil-Maske an den Nagel hängt und fortan nur noch als Anwalt fürs Gute kämpfen will. Eine Entscheidung, die Foggys Andenken ehrt, aber immer prekärer wird, je mehr das Teuflische ohne Daredevil fröhliche Urstände feiert.
Etwas zu viele Fässer werden aufgemacht
Die Wucht ihres Stoffs verwässert die erste Staffel ein bisschen damit, dass sie zu viele Fässer aufmacht – Handlungsstränge, die für sich genommen allesamt durchaus spannend sind und/oder Fan-Service liefern (wie etwa einer komödiantischer Cameoauftritt einer Figur aus „Ms. Marvel“), aber ein bisschen wie eine Verzögerungstaktik wirken, um den erneuten Clash zwischen den Kontrahenten Fisk/Matt auf die lange Bank zu schieben. Da spielt etwa einmal mehr die Presse eine Rolle sowie die Frage, inwieweit sich Fisk, dieser Meister der trügerischen Selbstinszenierung, auch mit den Mitteln des Journalismus bekämpfen lassen könnte. Die von Matts und Foggys Anwaltsgehilfin zur Journalistin avancierte Karen bleibt zwar in der neuen Serie erstmal außen vor, und der aufrechte Investigativjournalist Ben Urich aus der ersten Staffel von „Daredevil“ ist längst tot. Doch seine nun auftretende Nichte, eine Bloggerin (Genneya Walton), profiliert sich im Lauf der Serie als spannende, weil schwer berechenbare Figur.
Außerdem geht es um die Brüche, die sich zwischen Fisk und seiner „Lady Macbeth“ Vanessa (Ayelet Zurer) aufgetan haben, die während seiner haftbedingten Abwesenheit die kriminellen Geschäfte ihres Mannes in die eigenen, fähigen Hände genommen hat und auf die Rückkehr Fisks und seine politische Neuorientierung nun mit Zurückhaltung reagiert. Eine Paartherapie ist von Nöten – ausgerechnet durchgeführt von einer Psychologin (Margarita Levieva), die Matts neues Love Interest ist. Ein weiterer „Vigilante Hero“ spielt eine Rolle, der Latino Hector Ayala alias „White Tiger“, den Matt in einem Mordprozess vertritt und anhand von dessen tragischer Story die Serie Matts Entscheidung, ganz auf die Mittel des Rechtsstaats zu setzen, ins Wanken kommen lässt. Was wiederum in einer Folge zu einer bitteren Aussprache Matts mit Frank Castle/Punisher (Jon Bernthal) führt. Für dramatische Zuspitzung sorgen schließlich die Taten eines Serienkillers, des Schurken Muse, die Matt endgültig dazu verlocken, den Teufel in sich selbst wieder von der Leine zu lassen, sowie neue bedrohliche Lebenszeichen des nach dem Mord an Foggy im Gefängnis gelandeten Poindexter.
Die beiden Antipoden im Zentrum der Serie, Matt und Fisk, die beide ihre Vergangenheit hinter sich lassen wollen und doch ihre Alter Egos, Daredevil und Kingpin, wie einen Schatten nicht loswerden, treffen schließlich erst in Folge 8, kurz vor dem Serienfinale, wieder aufeinander. Im noblen Rahmen eines Wohltätigkeitsballs, vor dessen kultivierter Fassade die unterschwellig glimmende, mühsam beherrschte Aggressivität zwischen den beiden umso heißer glüht. Ausbrechen tut die Gewalt dann aber auf unerwartete Weise. Um dem Bösen die Stirn zu bieten, braucht es manchmal nicht Kämpfe und Siege, sondern die Bereitschaft, Opfer zu bringen und das moralisch Richtige zu tun, auch wenn es wehtut.