Der Kampf um die Vorherrschaft im Mainstream-Trickfilmgenre geht weiter. Disney und die Produktionsfirma Pixar legten mit den „Toy Story“-Filmen (fd 31 830/34 099) epochale Werke im Bereich der Computeranimation vor, DreamWorks konterte mit „Antz“
(fd 33 404) und vor allem dem respektlosen „Shrek“
(fd 34 929), der im Grunde eine herrliche Disney-Parodie war. Mit der „Monster AG“ erhöhen Disney/Pixar nun erneut die Pixelzahl pro Inch, verfeinern Bewegungen und Oberflächen und liefern vor allem eine Geschichte, die so fantasievoll ist, dass man sie fast abgedreht nennen kann, und so witzig-ironisch, wie es Disney aufgrund seines bekanntlich hohen Niedlichkeitsfaktors sonst nicht oft zeigt. Zumal es hier um ein eher düsteres Phänomen geht, das Kinder weltweit bewegt: die Angst vor den Monstern im Schrank. Dass es sie wirklich gibt, ist die erste Prämisse. Dass sie aber nichts weiter tun, als ihrer Arbeit nachzugehen und ansonsten meistens sehr umgängliche Zeitgenossen aus einer Parallelwelt sind, ist die zweite, bislang unbekannte Vorgabe.
Die Buddies Sulley und Mike leben in einer Gegend, die stark an Amerikas Lieblingsviertel Greenwich Village in New York erinnert. Sie teilen sich ein Appartment und gehen, vorbei an freundlichen Nachbarn, gemeinsam zur Arbeit in eine gigantische Fabrik voller mehr oder weniger freundlicher Kollegen. Ihre Tätigkeit ist wichtig, denn sie helfen, die Stadt mit Strom zu versorgen. Die Art ihrer Energiebeschaffung ist allerdings eher ungewöhnlich: Sulley und Mike sind Monster, so wie alle ihre Mitbürger in Monstropolis, und sie gehören zum erlesenen Kreis derjeniger, die durch Türen ins Parallelreich der Menschen schlüpfen, in die Zimmer der Kinder, um sie zu erschrecken. Wenn diese dann vor Entsetzen schreien, wird der Schall in Energie umgewandelt. Sulley, ein großes, blaues, haariges, im Herzen ungeheuer gutmütiges Wesen, ist seit Jahren auf diesem Gebiet die Nummer Eins. Mike, ein kleines, grünes, kugeliges Ding mit nur einem riesigen Auge, hat diesen Ehrgeiz nicht, dafür eine große Klappe, im anatomischen wie verbalen Sinne. Andere sind da missgünstiger. Der drachenförmige Randall will Sulley unbedingt seinen Platz streitig machen und schreckt auch vor gemeinen Tricks nicht zurück. Derweil passiert Sulley das Unfassbare: Ein Menschenkind hängt sich bei der Rückkehr an sein Fell und gerät in die Monsterwelt! Aber anstatt dass alle Monster im näheren Umkreis tot umfallen, wie es die Legende will, wird die kleine, putzige „Buh“ so etwas wie Sulleys kleine Schwester, die sich allerdings wenig um die Gepflogenheiten im Monsterland schert.
Diese Ausgangslage wird zum Fundus für zahllose Einfälle, die überwiegend ins Reich des Fantastischen gehören, zugleich aber, wie in Trickfilmen auch aus dem Hause Disney seit jeher Sitte, zahlreiche Verweise auf die Gegenwart und hier besonders die Populärkultur liefern. Dazu zählen ein Zitat aus dem Unsichtbaren-Thriller „Hollow Man“
(fd 34 486) oder ein Cameo von Woody Allen. Den größten Charme entwickelt der Film aber mittels seiner Hauptfiguren, deren besonderer Reiz darin liegt, dass sie wie Monster aussehen, sich aber wie ganz durchschnittliche Menschen verhalten. Offensichtlich sind sie ihren (Original-)Synchronsprecher-Schauspielern nachempfunden: Sulley dem ebenfalls eher schweren John Goodman, Mike dem Komiker und langjährigen Moderator der „Oscar“-Show Billy Crystal, und Randall dem im Independent-Kino groß gewordenen Steve Buscemi, der am liebsten sinistre Charaktere spielt. Der oft schneidende Wort- und Situationswitz wurde Mike/Crystal auf den Leib geschrieben, während Sulley/Goodman für den warmherzigen Aspekt der Geschichte zuständig ist. Dies ist die eigentliche Qualität des Films, abgesehen von der schönen Grundidee, die Welten innerhalb der klassischen Mythendramaturgie zu vertauschen: Das Diesseits gehört den Monstern, die Gegenwelt, durch die man mittels einer – als Schwelle allerdings industriell entweihte – Tür gelangt, bevölkern schreckliche Menschenkinder. Dazu kommt eine detailfreudige, zugleich präzise optische Brillanz, die in einen grandiosen, achterbahnartigen Showdown mündet. Das „Toy Story“-Team fand weitgehend wieder zusammen, der bisherige Pixar-Trickfilmzeichner Pete Docter inszenierte. Der äußerst fruchtbare Kampf im Animationsfilmbereich ist noch nicht entschieden.