Drama | Dänemark/Schweden 2012 | 120 (24 B./sec.)/115 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Thomas Vinterberg

In einem dänischen Dorf wird ein introvertierter Mann des sexuellen Missbrauchs beschuldigt, weil eine Fünfjährige aufgeschnappte Sätze nachplappert. Ehe er sich versieht, bricht eine Welle der Aggression über ihn herein, die seine bisherige Existenz unter sich begräbt. Das Pendant zu Thomas Vinterbergs früherem Film "Das Fest" (1997) ist bar jeder "Dogma"-Ästhetik und bemerkenswert eindeutig in seiner Haltung. Die ökonomische Inszenierung registriert aufmerksam die um sich greifende Paranoia der Öffentlichkeit und verdichtet sich zusehends zu einer moralischen Parabel, ohne dabei die gesellschaftlichen Mechanismen aus den Augen zu verlieren. (Kinotipp der katholischen Filmkritik) - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
JAGTEN
Produktionsland
Dänemark/Schweden
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Zentropa Ent./Film i Väst
Regie
Thomas Vinterberg
Buch
Tobias Lindholm · Thomas Vinterberg
Kamera
Charlotte Bruus Christensen
Musik
Nikolaj Egelund
Schnitt
Janus Billeskov Jansen · Anne Østerud
Darsteller
Mads Mikkelsen (Lucas) · Thomas Bo Larsen (Theo) · Annika Wedderkopp (Klara) · Lasse Fogelstrøm (Marcus) · Susse Wold (Grethe)
Länge
120 (24 B.
sec.)
115 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
28.03.2013
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Die Extras enthalten u.a. ein Feature mit fünf im Film nicht verwendeten Szenen inklusive eines alternativen Filmendes (13 Min.).

Verleih DVD
Universum (16:9, 2.35:1, DD5.1 dän./dt.)
Verleih Blu-ray
Universum (16:9, 2.35:1, dts-HD dän./dt.)
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Diskussion
Nach dem Inzestdrama „Das Fest“ (fd 33 486), mit dem Thomas Vinterberg 1998 die „Goldene Palme“ in Cannes gewann, und seinem letzten Film „Submarino" (2010), der das desaströse Schicksal zweier Brüdern verfolgte, die in ihrer Kindheit psychischen und körperlichen Misshandlungen ausgesetzt waren, greift der dänische Regisseur mit „Die Jagd“ das Missbrauchsthema erneut, aber unter umgekehrten Vorzeichen auf. Was passiert, wenn sich der wegen angeblicher pädophiler Neigungen zum Täter stigmatisierte Held als das eigentliche Opfer entpuppt? Der arbeitslose Lehrer Lucas, von seiner Frau verlassen, kämpft sich durch eine Lebenskrise und findet einen neuen Job in einem Kindergarten. Als sein pubertierender Sohn den Wunsch äußert, nach der Scheidung bei ihm einzuziehen und eine jüngere Geliebte am Horizont auftaucht, scheint es wieder aufwärts zu gehen. Ohnehin scheint der freundliche Mann in der Dorfgemeinschaft bestens integriert. Die Männer des Ortes zelebrieren ihre Zusammengehörigkeit mit Vorliebe durch die Teilnahme an trinkseligen Jagdausflügen, bei denen das Töten wehrloser Tiere für den sozialen Kitt sorgt und die Männer ihre Rangordnung vermessen lässt. Das virile Provinzstandardprogramm, das der introvertierte Lucas unwillig absolviert. Wäre da nicht eine Fünfjährige, die plötzlich Interesse für männliche Genitalien zeigt und bei einer Kindergärtnerin den Verdacht weckt, das sexualisierte Geplapper des Kindes könnte etwas mit dem neuen Erzieher zu tun haben, zumal dieser auch der beste Freund des Vaters ist. Weitere perfide suggestive Befragungen lassen scheinbar keinen Zweifel daran, dass das Mädchen sexuell missbraucht worden sein muss; zu realistisch sind ihre Angaben, um lediglich als Fantasie abgetan zu werden. Dass die Ursache für die Erzählungen im näheren Geschwister-Umfeld zu suchen wäre, oder gar in einem latent amourösen Verhältnis der Kleinen zu ihrem Betreuer, auf diese nächstliegenden Spuren ein Augenmerk zu werfen, sieht sich niemand mehr genötigt, selbst dann nicht, als das Mädchen beginnt, ihre geplapperten Anschuldigungen zurückzunehmen. Eine Hexenjagd beginnt, angepeitscht von Menschen, die gerade noch als Kollegen und Nachbarn ein harmonisches Miteinander pflegten und auf puren Verdacht hin kurz davor stehen, zur Selbstjustiz zu greifen. Vinterberg seziert die einzelnen Phasen des kollektiven Sinneswandels behutsam und mit Sinn für sich langsam steigernde Dramatik. Von Anfang an ergreift er Partei für den Ausgestoßenen, der fassungslos jede Verteidigung unterlässt und nicht nach Möglichkeiten sucht, seine Version zu äußern. Wozu auch. Das Urteil über seine Person ist längst gefallen. Zu gut passt er ins Bild des unauffälligen und pädagogisch begabten Kinderschänders. Daran kann auch seine natürliche Autorität nichts ändern, die ihn seine Unschuld viel zu lange lediglich durch provozierende Passivität beteuern lässt. Andererseits ist der mögliche Tatbestand nicht von der Hand zu weisen. Die um sich greifende Paranoia kommt nicht von ungefähr und fußt auf kollektiven Erfahrungswerten, die das rechtzeitige Reagieren und gerade nicht Wegschauen als logische Notwendigkeit erscheinen lassen. Ein Dilemma, das die verängstigten Eltern ihre Urteilskraft verlieren lässt, bis weitere um sich greifende Missbrauchsfälle endlich die ernüchternde Wahrheit ans Licht bringen. Es ist neben der ökonomischen Inszenierung dem klugen Drehbuch von Tobias Lindholm zu verdanken (der auch mit einigen Folgen der herausragenden Fernsehserie „Borgen“ seine Fähigkeit unter Beweis stellte, komplexe Gesellschaftskritik in ungemein spannende Handlungsbögen zu packen), dass man am Geschehen dran bleibt, obwohl der Ausgang früh zu erahnen ist. Eine weitere Moralparabel aus dem beneidenswerten Dänemark, die nicht zuletzt dank der mitreißenden Schauspieler ins Mark allzu bequemer Gewissheiten trifft.
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