Die Geschichte eines ungelebten Lebens: 30 Jahre lang hat Edie ihren Ehemann nach dessen Schlaganfall gepflegt. Nun ist er tot. Die 84-jährige Frau weiß, dass sich die verlorene Zeit nicht zurückholen lässt. Ihre Tochter würde sie am liebsten ins Altersheim abschieben, doch Edie hat andere Pläne. Auf dem Dachboden ist ihr eine Ansichtskarte ihres Vaters in die Hände gefallen, die den Mount Suilven im Westen der schottischen Highlands zeigt, einen eigentümlich geformten Berg mit einem kilometerlangen Kamm. Trotz seiner geringen Höhe von 731 Metern ragt die Formation wie ein Monolith aus der kargen Moorlandschaft und wird so zum Symbol einer Herausforderung. Schon als Jugendliche hatte Edie den Berg zusammen mit ihrem Vater besteigen wollen. Doch dazu kam es nie.
Nun steht ihr Entschluss fest. Sie packt das Nötigste in einen uralten Rucksack und nimmt den Nachtzug nach Inverness. In einem Campingladen lernt sie Jonny kennen, einen jungen Hallodri, der so ganz ohne Ehrgeiz ist. Warum er die alte Frau nicht auf den Berg führen könne, fragt sein Kompagnon? Widerwillig fügt sich Jonny in sein Schicksal; Edie ist mit ihrer Alterssturheit keine einfache Kundin. Gemeinsam trainieren sie mehrere Tage lang. Dann beginnt der beschwerliche Aufstieg.
Ausprobieren, was der Körper noch leisten kann
„Für Träume ist es nie zu spät“, verspricht ein wenig überdeutlich der Zusatz des deutschen Verleihtitels. Die Absicht ist klar: Auch im hohen Alter kann man seinem Leben noch einmal eine Wendung geben; Reue und Bedauern über verpasste Chancen nützen nichts, weil sie in der Vergangenheit liegen und dem Neuanfang im Wege stehen.
Die Entscheidung, Versäumtes nachzuholen, kommt einer Befreiung gleich. Endlich kann Edie ausprobieren, was ihr Körper noch leisten kann, und sich selbst belohnen. Ein Themenkreis, der seit Yves Yersins „Kleine Fluchten“ aus dem Jahr 1979 im Kino immer mal wieder verhandelt wird. Hier kommt noch der Mythos des Bergsteigens hinzu, in dem körperliche Herausforderung, Einklang mit der Natur, Einssein mit sich selbst und die Lust an der Bewegung verhandelt werden. Die Belohnung wird für Edie schon bei der Zugfahrt sichtbar: Wenn sie aus dem Fenster schaut, fliegt die wunderschöne Landschaft mit den sanften Hügeln und Tälern, den glitzernden Seen und den einsamen Inseln nur so an ihr vorbei. Erst die Besteigung des Mount Suilven gebietet Langsamkeit und Respekt, doch der Blick in die Weite gewährt eine atemberaubende Aussicht.
Regisseur Simon Hunter (Interview zum Film) arbeitet, unterstützt von einem eingängigen Soundtrack, ein wenig zu konventionell und vorhersehbar auf den Höhepunkt hin. Davor hat er einige dramaturgische Stolpersteine ausgelegt. Besonders die wechselvolle Beziehung zwischen der alten Edie und dem jungen Jonny sorgt immer wieder für Reibungen. Während Edie der festen Überzeugung ist, ohne Hilfe auf den Berg steigen zu können, und im Miteinander bisweilen zu grantiger Unfreundlichkeit neigt, hat Jonny vor allem ein schlechtes Gewissen – sich selbst gegenüber, weil er im Leben so wenig erreicht hat, Edie gegenüber, weil er ihr für Ausrüstung, Training und Führung viel zu viel Geld abgeknöpft hat.
Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft
Die Scharmützel zwischen den beiden höchst unterschiedlichen Charakteren werden vor allem komisch ausgetragen, schließlich ist dies auch die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft, die die Generationen verbindet. Die 1933 geborene Sheila Hancock, eine der profiliertesten britischen Theaterschauspielerinnen, macht die Verletzlichkeit ihrer Figur, aber auch die körperliche Herausforderung, der sie sich aussetzten musste, glaubwürdig deutlich. Sie hat diesen Berg tatsächlich bezwungen. Dafür gebührt ihr gehöriger Respekt.