Im Tal von Elah

Krimi | USA 2007 | 122 Minuten

Regie: Paul Haggis

Als sein aus dem Irak-Krieg heimgekehrter Sohn spurlos verschollen geht, macht sich ein Vietnam-Veteran und Ex-Militärpolizist auf den Weg zu dessen US-Stützpunkt, wo er mit Hilfe einer couragierten Polizistin die Wahrheit über das Verschwinden ans Licht bringt. Vordergründig ein Kriminalfilm im Militärmilieu, wird der Rahmen dieses Genres geschickt genutzt, um die Erschütterungen einer Nation zu artikulieren. Ein engagierter Film um eine Figur, die ihr nationalistisch-militärisch geprägtes Gedankengut in Frage gestellt sieht. (SIGNIS-Preis Venedig 2007; Kinotipp der katholischen Filmkritik) - Sehenswert ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
IN THE VALLEY OF ELAH
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Blackfriars Bridge Films/NALA Films/Samuels Media/Summit Ent.
Regie
Paul Haggis
Buch
Paul Haggis
Kamera
Roger Deakins
Musik
Mark Isham
Schnitt
Jo Francis
Darsteller
Tommy Lee Jones (Hank Deerfield) · Charlize Theron (Det. Emily Sanders) · Jason Patric (Lt. Kirklander) · Susan Sarandon (Joan Deerfield) · James Franco (Sgt. Dan Carnelli)
Länge
122 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Krimi | Drama
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Die Extras umfassen u.a. ein Feature mit im Film nicht verwendeten Szenen (8 Min.) sowie ein ausführliches "Making Of" (43 Min.).

Verleih DVD
Concorde/Eurovideo (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt., dts dt.)
DVD kaufen

Ein Kriminalfilm im Militärmilieu über die Suche eines Vietnam-Veteranen nach seinem Sohn.

Diskussion
Wenn Hollywood-Filme politisch kontroverse Themen anschneiden, verwickeln sie sich meistens absichtlich in Widersprüche, um keinen Teil des Publikums mit einer allzu eindeutigen Position zu vergrätzen. Deshalb war die deutliche Regierungskritik, die jüngst in Filmen wie „Machtlos“ (fd 38 451) und „Von Löwen und Lämmern“ (fd 38 419) durchschien, so ungewöhnlich, und deshalb ist das Schlussbild von „In the Valley of Elah“ umso ungewöhnlicher: Wie als Fazit rückt Regisseur Paul Haggis abschließend ein Flaggensignal ins Bild, das, wie der Protagonist erklärt, in der US-Armee traditionell als Notzeichen gilt. Und weil es die Stars and Stripes sind, die dabei als Signalfahne dienen, bleibt kein Zweifel, dass das stumme Alarmzeichen auf die gegenwärtige Lage der amerikanischen Nation zu beziehen ist. Vordergründig ist dieser Film als konventioneller Thriller angelegt, dessen Plot mit einem beunruhigenden Anruf beginnt. Auf diesem Weg erfährt Hank Deerfield, dass sein Sohn Mike kürzlich vom Kampfeinsatz im Irak in die USA zurückgekehrt ist, aber inzwischen am heimatlichen Stützpunkt seiner Einheit vermisst wird. Also macht sich der ehemalige Militärpolizist auf den Weg zum Armeestandort, um nach dem Verbleib des Sohnes zu forschen. Weil die einstigen Kollegen längst ebenfalls im Ruhestand sind, kann Hank dabei nicht auf interne Kontakte bauen, und die örtliche Polizei erklärt sich in Armeeangelegenheiten gern für unzuständig. Erst als Hank darauf pocht, dass das Schicksal seines Sohnes wegen dessen militärischen Dienstes am Vaterland mehr Aufmerksamkeit verdiene, lässt sich die Polizistin Emily Sanders zu Recherchen überreden. Wenn bald darauf Mikes Leiche gefunden wird, stacheln Hanks kriminalistische Schlüsse wiederum den professionellen Ehrgeiz der allein erziehenden Mutter an, die von ihren ausnahmslos männlichen, chauvinistischen Kollegen bis dahin nicht ernst genommen wurde. Die Beispiele für Hanks detektivischen Spürsinn, die uns Haggis anbietet, sind bei Lichte besehen allerdings nicht sonderlich beeindruckend – weshalb schnell klar wird, dass der „Whodunit“-Aspekt des Stoffes dem Filmemacher nur als Vorwand dient. Statt der Tätersuche rückt in „Im Tal von Elah“ bald die Frage in den Vordergrund, was Mike und die anderen Soldaten, mit denen er am Abend seines Todes unterwegs war, im Irak erlebt haben. Einen ersten vagen Eindruck davon vermitteln schon die grobkörnigen Digitalbilder, mit denen der Film beginnt. Diese Bilder hat der junge Soldat vor Ort mit einem Handy gemacht, das Hank später unbemerkt an sich nimmt. Weil die darauf befindlichen Daten beschädigt sind, müssen erst die Reparaturdienste eines Computerexperten abgewartet werden, bevor Hank die wiederhergestellten Bilddateien peu à peu per Mail einsehen kann und sich auch für den Zuschauer ein zusammenhängendes Bild ergibt. Das Drehbuch von Haggis, der den Film auch co-produziert hat, ist von einem authentischen Fall inspiriert, der, wie unlängst Recherchen der New York Times ergaben, unter Irakveteranen keineswegs singulär ist. Kriegstraumata mit verspäteten Todesfolgen in einem Hollywoodfilm zu thematisieren, noch während der dafür verantwortliche Krieg im Gange ist, ist gewiss ehrbar – zumal an der US-Kinokasse damit kein Geld zu verdienen war. Und erst recht gebührt Haggis Respekt dafür, dass er den nahe liegendsten Ansatz vermeidet und die Wirkung seines Films nicht auf der Tragik solch eines Soldatenschicksals aufbaut, sondern auf der Entwicklung einer anderen Figur. Für diese Rolle von Hank war zunächst Clint Eastwood vorgesehen gewesen, doch es ist schwer vorstellbar, dass der sie noch überzeugender hätte ausfüllen können, als Tommy Lee Jones es tut, der dafür verdient für einen „Oscar“ nominiert wurde. Trotzdem ist Eastwoods Einfluss in diesem Film zu spüren. Denn Haggis, der in „L.A. Crash“ (fd 37 166) die Klischees seines bemüht konstruierten Drehbuchs mit konventioneller Melodramatik umsetzte, hat sich nun ganz offensichtlich von den Regietugenden des Filmemachers beeinflussen lassen, für den er die Drehbücher zu „Million Dollar Baby“ (fd 36 951) und „Flags of Our Fathers“ (fd 37 993) verfasst hat. „Im Tal von Elah“ lebt, mit anderen Worten, von Dialogszenen, die einfach aufgelöst sind und deren Wirkung sich ganz unaufdringlich einstellt, weil sie regelmäßig von leiser Ironie abgerundet werden. Und in den dramatischsten Szenen, die Jones jeweils mit Susan Sarandon (als Hanks Ehefrau) teilt, gibt es erst recht keinen Ton, keine Geste, keinen Schnitt zuviel. Ähnlich diskret suggeriert Kameramann Roger Deakins mit Blau-, Grau- und Brauntönen sowie fahlem Licht die Tristesse eines winterlichen Provinznestes im amerikanischen Südwesten, das Haggis und Jones als Hintergrund für die Charakterstudie eines Mannes dient, der im Zivilleben an militärischen Tugenden festgehalten hat. Dass Hank eben deshalb indirekt für das Schicksal seines Sohnes mitverantwortlich ist, lassen eine kurze Rückblende sowie ein knapper Vorwurf seiner Frau erahnen. Dass er allmählich zu eben dieser Einsicht gelangt, vermittelt sich dem Zuschauer ganz nebenbei, als sein spartanisches Motelzimmer irgendwann nicht mehr in militärisch korrekter Ordnung erscheint. Wenn solch ein Wandel ausgerechnet von einer Figur vollzogen wird, die in vielerlei Hinsicht ein Musterbild des gegenwärtigen amerikanischen Konservatismus ist, entspricht das gewiss einer Wunschvorstellung, die Kriegsgegner Haggis mit Zuschauern teilt. Doch der Filmemacher diskreditiert seine Figur nicht. Es ist bezeichnend und umso wirkungsvoller, dass er auch Hanks abschließendes Fanal in dessen eigenen, von Militär und Patriotismus geprägten Kategorien formulieren lässt.
Kommentar verfassen

Kommentieren