Von Löwen und Lämmern

Drama | USA 2007 | 92 Minuten

Regie: Robert Redford

Ein Senator will eine Journalistin von der Notwendigkeit einer geheimen militärischen Operation in Afghanistan überzeugen. Derweil mahnt ein Politikwissenschaftler einen Studenten, sich seine kritische, engagierte Haltung zu bewahren, während zwei weitere seiner Schüler, die sich freiwillig zur Armee meldeten, in Afghanistan zum Einsatz kommen und Opfer der fehlgeschlagenen Operation werden. Während die drei ineinander geschachtelten Episoden untereinander keine visuellen Bezüge aufweisen, ergeben sich durch die Dialoge des meisterhaften Drehbuchs ebenso spitzfindige wie spannungsvolle Zusammenhänge. Eindrucksvoll hinterfragt der Film, wie Politik funktioniert, spiegelt Macht und Ohnmacht der Presse und stellt die Würde und Verantwortung des Individuums heraus. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
LIONS FOR LAMBS
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
United Artists/Cruise-Wagner Prod./Wildwood Ent./Andell Ent./Brat Na Pont Prod.
Regie
Robert Redford
Buch
Matthew Michael Carnahan
Kamera
Philippe Rousselot
Musik
Mark Isham
Schnitt
Joe Hutshing
Darsteller
Robert Redford (Dr. Stephen Malley) · Meryl Streep (Janine Roth) · Tom Cruise (Sen. Jasper Irving) · Michael Peña (Ernest) · Peter Berg (Wirey Pink)
Länge
92 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama | Kriegsfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Fox (1:2,40/16:9/Deutsch DD 5.1/Engl.)
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Diskussion
Die Löwen sind die einfachen Soldaten. Die Lämmer diejenigen, die die Soldaten führen. Dieses Gleichnis habe, so wird an einer Stelle des Films behauptet, seinen Ursprung im Ersten Weltkrieg: Es sei auf die todesmutigen, immer wieder sinnlos anstürmenden britischen Soldaten und ihre Befehlshaber gemünzt gewesen, die sie, ohne selbst etwas zu riskieren, in den Tod schickten. Robert Redford verschachtelt diese Metapher in drei zeitversetzte Handlungsepisoden. Bemerkenswert ist dabei, dass zwei der Episoden fast durchgängig in nur einem Raum spielen. Der durch diese Einschränkung des Settings zwangsläufig entstehende Fokus auf den reinen Dialog wird in der dritten Episode durch eine Actionhandlung kontrastiert. In einem der Erzählstränge versucht ein ehrgeiziger junger Senator, eine Journalistin davon zu überzeugen, für ihren Sender eine neue geheime militärische Kampagne in Afghanistan positiv darzustellen. Die Journalistin aber torpediert den Senator mit kritischen Fragen und Einwänden und muss sich dessen Angriffen auf die Rolle der Presse stellen. Meryl Streep spielt dies mit der ihr eigenen, leicht nervösen Art, und ihre lebhafte Ausdrucksweise kommt der Rolle dabei entgegen. Von betont minimaler Mimik hingegen ist Redford, der in einer anderen Episode einen Politikwissenschaftsprofessor spielt, der einen talentierten Studenten aus gutem Hause davon überzeugen will, mehr Enthusiasmus für sein Studium aufzubringen, statt seine Zeit und Gaben mit Partys und Abhängen zu verschwenden. Die Protagonisten der dritten Handlung sind zwei ehemalige Studenten des Professors, die sich freiwillig zum Kriegseinsatz in Afghanistan gemeldet haben und dort in der neuen militärischen Kampagne des Senators eingesetzt werden – so schließt sich der Kreis der Geschichten. Redford macht sich gar nicht erst die Mühe, die Episoden visuell zu verbinden. Keine Blende, keine indirekt vorbereiteten Übergänge, nur harte Schnitte lassen den Zuschauer nahezu unerwartet von Episode zu Episode springen. Die Möglichkeit, filmisch so zurückhaltend arbeiten zu können, verdankt Redford vor allem der exzellenten Drehbuchvorlage. Voller Spitzfindigkeiten, intelligenter Diskussionsansätze und spannungsvollen, beinahe aggressiven Dialogpassagen ist das Buch die größte Stärke des Films und hievt Redfords siebte Regiearbeit auf den Sockel eines höchst wertvollen Beitrags zur aktuellen politischen Diskussion: Es geht um die Mechanismen, nach denen Politik und Politikerkarrieren funktionieren, und um die Verantwortung des Individuums für die Gesellschaft, in der es lebt; es geht um die Macht der Presse und die Ohnmacht von Journalisten, die sich mit Zwängen und Abhängigkeiten herumschlagen müssen, und darum, wer mit welchen Mitteln das Gesicht einer Nation gestalten kann. Redfords schon immer sehr unaufdringlicher, scheinbar nicht kommentierender Regiestil gibt den Episoden den entsprechenden Raum. Nur einmal verhebt sich der Regisseur, wenn er sich in der Schlussszene der Episode um die zwei Infanteristen, die verwundet im Taliban-Gebiet verschollen gehen, der gängigen pathetischen Hollywood-Mittel bedient, um eine unnötige Überhöhung zu erzielen. Die „Löwen“ sind eben nicht nur pathetische Helden, sondern vor allem auch Opfer. Als solches sieht sich auch der unzufriedene Student, dem der Professor seine Passivität vorhält und den er anzuregen versucht, seinen zu Beginn des Studiums noch eingeschlagenen Weg der kritischen Hinterfragung nicht aufzugeben, sondern weiterzugehen. Wenn der frustrierte, demotivierte Junge die gegenwärtig in der Politik üblichen Handlungsmuster anklagt, die in Floskeln, taktischen Manövern und unterschwelligen sowie offensichtlichen Beeinflussungen zum Ausdruck kommen, findet er in der anderen Episode in dem aalglatten Senator seinen Adressaten. Der bedient sich so geschickt all dieser Muster, dass hinter dem Taktieren, hinter der Fassade nach außen kaum zu erkennen ist, ob der Politiker aus Idealismus, politischer Notwendigkeit, eigenem Ehrgeiz oder einem Sammelsurium all dieser Motive handelt. „Wenigstens hat man es versucht“: Das ist letztlich das einzige handfeste Argument, das der Professor seinem Studenten mit auf den Weg geben kann. Wenigstens zu versuchen, eine Veränderung zum Besseren zu bewirken, wahrt die Selbstachtung, die sich auch der Professor damit erhält, indem er junge Menschen ausbildet und dazu anhält weiterzumachen, auch wenn das System unüberwindlich erscheint. Die Selbstachtung und Würde des Individuums ist in Redfords Filmen schon immer zentrales Element gewesen; mit „Von Löwen und Lämmern“ hat er seinen bisher politischsten Film gedreht und knüpft an hervorragende Werke wie „Eine ganz normale Familie“ (fd 22861) und „Quiz Show“ (fd 31182) an. Er bietet nicht nur Diskussionsansätze für dringliche politische und soziale Fragen, sondern zudem einen höchst kurzweiligen Film.
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