Goldene Strahlen liegen über dem nordkalifornischen Landstrich, Pappeln wiegen sich im Wind, die Kamera schwenkt über Hügelketten, die im Abendlicht sanft ausklingen: Ein Paradies, ein kleiner Garten Eden abseits der unruhigen Zivilisation. Dort lebt George Malley, ein etwas schüchterner freundlicher Automechaniker, der es noch nicht aufgegeben hat, Feldhasen aus seinen Salatbeeten zu vertreiben, beim Schach den Doktor doch einmal zu besiegen und Lace zu einem Rendezvous zu überreden, eine junge Kunstschreinerin, die mit ihren beiden Kindern in der Nähe der Kleinstadt Harmon wohnt. An seinem 37. Geburtstag aber ändert sich Georges zufriedenes Leben mit einern Schlag. Genaugenommen durch einen Lichtblitz, der ihn blendet und zu Boden wirft und aus dem einfachen Mann ein Universalgenie macht, das in kürzester Zeit fremde Sprachen lernt, Erdbeben vorhersagen kann oder Militärcodes knackt. Seine Umwelt reagiert auf die seltsame Veränderung zuerst mit Staunen, bald aber mit wachsender Beunruhigung. Während George jede Nacht vier bis fünf Bücher verschlingt und sein Haus in ein landwirtschaftliches Laboratorium verwandelt, in dem er neuen Dünger entwickelt und über effektivere Solaranlagen brütet, gehen seine Freunde auf Distanz. Selbst dem Doktor wird es mulmig, als der besorgte George ihm vorführt, wie er einen Stift nur mit Gedankenkraft in Bewegung setzen kann. Dafür interessieren sich plötzlich Wissenschaftler aus Berkeley und der Geheimdienst für i den einfachen Naturburschen, der unter wachsender Einsamkeit zu leiden beginnt und nicht verstehen kann, warum kaum jemand seine selbstlosen Tips und Ideen hören will.Um Jon Turteltaubs ("Während Du schliefst", fd 31 453) neue Komödie ist vor allem in Deutschland ein Glaubenskrieg entbrannt, der sich am Reizwort "Scientology" entzündet. John Travolta, prominentes Mitglied der Sekte und in der Rolle des sympathischen George so charmant wie gewinnend, ließ die Gerüchteküche brodeln, bei dem Film handle es sich um ein Propagandawerk der amerikanischen "Erfolgs"-Religion, ebenso wie einige auffällige Parallelen zwischen dem Lebensschicksal seines Helden und der "Dianetics"-Lehre Ron L. Hubbards der Diskussion Nahrung gaben. Listen mit akribischen Vergleichen zwischen Filmdialogen und Zitaten aus der Hubbard-Bibel geisterten durchs Internet. Wer sich die Mühe macht, kann in der Tat eine Reihe von Einzelelementen isolieren, die mit den Ideen der Scientologen in Verbindung gebracht werden können: George erklärt seine rätselhafte Wandlung als einen Vorgang, den prinzipiell jeder durchlaufen könne, weil doch die meisten Menschen ihre geistigen Potentiale nur zu einem Bruchteil ausnützten; der Regisseur spekulierte in Interviews über Intelligenz als Basis für Mitgefühl und eine spirituelle Grundlage des Lebens, und die letzte Sequenz des Films, in der Georges Freunde nach seinem plötzlichen Tod an seinem 38. Geburtstag zusammentreffen, läßt durchaus Assoziationen an eine religiöse Gedächtnisfeier zu.Doch wie in so vielen anderen Fällen muß auch hier an die offene Struktur eines Kunstwerkes erinnert werden, die es vielseitig deutbar macht und Raum für sehr unterschiedliche Interpretationen schafft. Wenn man sich nicht von vornherein einer bestimmten Sicht verschreibt und krampfhaft nach Anhaltspunkten sucht, ist der Film zunächst einmal nicht mehr als eine romantische Komödie mit melodramatischem Einschlag, ein nach einschlägigen Genrekonventionen Hollywoods konstruiertes Werk, das durch erlesene CinemaScope-Bildkompositionen, gefühlvollsentimentale Musikstücke und einen ruhigen Erzährhythmus über Strecken durchaus zu bezaubern weiß. Die sich gegen erhebliche Widerstände entfaltende Liebe zwischen George und Lace ist feinfühlig und trotz der unvermeidlichen dramaturgischen Drehs ungewöhnlich tiefgründig gezeichnet, die abwehrende Reaktion der Freunde verständlich und selbst das Einschreiten von FBI und CIA im Kontext amerikanischer Verschwörungsphobien nicht überzeichnet.Was die religiöse oder spirituelle Dimension betrifft, legen verschiedene Szenen, beginnend mit den verklärten Landschaftsbildern der Eingangssequenz, eine naturmystische, pantheistische Interpretation nahe, die in Form einer allumfassend gedachten Energie an verschiedenen Stellen thematisiert wird. Drehbuchautor DiPegos Auslassungen aber, die Georges wundersame Wandlung pauschal mit Einflüssen aus dem Zen-Buddhismus in Verbindung bringen, deuten an, daß transzendenten Belangen bei der Konzeption nicht die oberste Priorität beigemessen wurde. Wer Georges Geschichte einfach als fantastische Story nimmt, die ihre Auflösung in Form einer Krankheitsgeschichte erfährt - ein bösartiger Tumor ist Ursache der geistigen Hyperaktivität - liegt mindestens ebenso richtig. Vor ihrem Hintergrund schmilzt die vermeintliche Attitüde eines Propheten oder Religionsgründers wie Schnee in der Sonne und enthüllt Georges heroisches Sterben als furchtbar leeres Filmpathos. Denn obwohl sich die beziehungsgeschädigte Lace ihm zuwendet und beide an Georges letztem Tag Tisch und Bett teilen, willigt der schmerzfreie Kranke ohne Klage und Trauer in sein Schicksal ein. Ein demütiger Übermensch, der sich widerstandslos in kosmische Kreisläufe fügt: Das ist gedankenloser Kinomüll, der Zuschauer zu Tränen rühren soll, aber jeden Bezug zu seinen Figuren schon längst über Bord geworfen hat. Mehr als das dumme Geplappere vom unausgeschöpften Intelligenzpotential der Menschheit prägt sich eine Geste Georges dem Gedächtnis ein, der seiner schlaflosen Unruhe dadurch Herr wird, daß er sich tatsächlich einem Naturphänomen anpaßt: dem Wiegen der Pappeln im Wind. Eine Bewegung, die an das Wiegen kleiner Kinder erinnert, ein sanftes Schaukeln, das sich einem fremden Rhythmus überläßt, der jenseits der Kindheit zwar keine Erlösung mehr garantiert, aber die Ahnung von Heimat aufscheinen läßt.