Der US-Präsident (Nick Offerman) soll demnächst vor die Presse treten. Die Kamera ist nah an seinem Gesicht, während er konzentriert seine Rede durcharbeitet, die er gleich halten will. Noch sitzt die Betonung einzelner Passagen nicht, und die politische Illusion wirkt brüchig. Man stehe kurz vor dem größten militärischen Triumph, heißt es darin. Eine Lüge, wie sich im Verlauf des Films „Civil War“ herausstellt. Während der Politiker seine mediale Maske zurechtrückt, schleudert die Montage Bilder der Gewalt wie Blitze dazwischen. Es tobt ein brutaler Bürgerkrieg. Nicht irgendwo auf der Welt, sondern mitten in den Vereinigten Staaten von Amerika. Texas und Kalifornien, die sich in der aktuellen Realität politisch so diametral gegenüberstehenden Staaten, führen hier die sogenannten „Western Forces“ an, die das antidemokratische Staatsoberhaupt aus dem Oval Office bomben wollen.
Das ist der grobe Rahmen, innerhalb dessen Regisseur und Drehbuchautor Alex Garland einen ungemein komplexen Film aufspannt. Während die Reise in das Herz des demokratischen Zerfalls führt, folgt der Film der Kriegsfotografin Lee (Kirsten Dunst) und dem Reporter Joel (Wagner Moura). Beide konzentrieren sich professionell darauf, das Grauen sichtbar machen und möglichst nahe an den Tod heranrücken. Die Fronten aber verlaufen in diesem Krieg besonders unscharf.
Der Krieg verändert alles
In der ersten Szene nach der Rede des Präsidenten zerfetzt eine Sprengladung mit wehender US-Fahne in New York eine Menschengruppe, die auf ihre Wasserration warten. Nur mit Glück entgeht die Fotografin dem Tod. Leichen liegen herum. Lee wandert mit der Kamera durch das Schlachtfeld aus Körpern. Sie dokumentiert und hält fest, damit andernorts eine politische oder auch moralische Debatte entstehen kann. Früher habe sie ihre Bilder als Warnung nach Hause geschickt, sagt die abgebrühte Reporterin. Nun aber steht dieses Zuhause selbst in Flammen; der Empfänger ihrer Aufnahmen ist verzogen. Der Krieg findet nicht in der Ferne statt, sondern im eigenen Land; in der Heimat, die es nicht mehr gibt. US-Amerikaner töten US-Amerikaner, und das ändert in der Tat alles.
Auf die Verwüstungen des Attentats an der Wasserausgabe folgt ein Schnitt in die Lobby eines Hotels. Dort hat sich ein Großteil der Presse versammelt. Man befindet sich in Sicherheit. Der Job bleibt draußen vor der Tür. Jetzt wird getrunken. Es herrscht ein wenig After-Hour-Stimmung. Wüsste man nicht um den Krieg, könnte man sich auch im Pressebereich eines großen Filmfestivals wähnen. Letztlich aber konkurrieren alle um die besseren Bilder und die krassere Story.
In der Hoffnung, das erste Interview mit dem Präsidenten seit zwölf Monaten zu bekommen, machen sich Lee und Joel gemeinsam mit der jungen Nachwuchsfotografin Jesse (Cailee Spaeny) und dem altgedienten „New York Times“-Reporter Sammy (Stephen McKinley Henderson) auf den über 500 Meilen langen und gefährlichen Weg nach Washington D.C. Eine Reise, auf der auch ihre journalistischen Ideale unter Beschuss geraten.
Die ambivalente Rolle der Medien
„Civil War“ ist, anders als der Trailer nahelegen könnte, weit davon entfernt, ein plumper dystopischer Actionthriller zu sein. Auch lässt sich das Szenario nicht als Kommentar zu Donald Trump und dessen autoritärer rechter Politik lesen. Wie in all seinen Filmen geht es Alex Garland um strukturelle und philosophische Fragen. In seinem Horrorfilm „Men“ hatte er die mythischen Dimensionen missbräuchlicher Männlichkeit offengelegt; jetzt geht es ihm in „Civil War“ um Bilderpolitiken und das journalistische Geschäft mit dem Krieg.
Während bei Waffenlieferungen und den am monetären Gewinn beteiligten Personen und Institutionen moralische Gesichtspunkte außer Frage stehen, legt man bei der Kriegsberichterstattung völlig andere Maßstäbe an. Letztlich aber verdient auch die Medienbranche an den Kriegen der Welt, so unangenehm diese Tatsache auch sein mag. „Civil War“ zeigt mit unerbittlicher Härte, dass die Bilder selbst eine Waffe sind, und die Ästhetik der Fotografie mitunter darüber bestimmt, in welche Richtung das Pendel der Geschichte ausschlägt. So wird Lee im atemlosen Finale selbst zu einer Kriegsteilnehmerin. Die Grenzen zwischen Soldaten und Journalisten verwischen.
Doch „Civil War“ belässt es nicht bei dieser Reflexion über den Journalismus. Vielmehr entwickelt sich der Film zunehmend zu einer beißenden Kritik an der Hybris der Vereinigten Staaten. Die Gewalt der Weltkonflikte, die sich bis zu den Al-Qaida-Anschlägen am 11. September 2001 in New York jenseits der US-Grenzen abspielten, bricht jetzt als Wiederholung typischer Kriegsbilder über das Land selbst herein. Der Selbstmordattentäter lässt an den Nahen Osten denken, die Massengräber an den Krieg im Kosovo, und die brennenden Menschen rufen Erinnerungen an Vietnam wach. Das Ferne, mit dem man bislang nur durch die Medien in Berührung kam, wandelt sich ins Unheimliche und legt die schwelenden Konflikte des Landes, die Ungleichheit und den Rassismus, offen.
Ein kluger Film über die Gegenwart
Um sich dabei nicht selbst der Glorifizierung des Kampfes oder gar des Heroismus schuldig zu machen, benutzt Garland emotional gegenläufige Atmosphären, wenn er auf brutalste Szenen eine traumwandlerische Road-Movie-Ästhetik im Stile von New Hollywood folgen lässt. Wenn die Journalisten zu schönster Musik durch einen brennenden Wald fahren und die von der Glut erleuchtete Nacht helle Funken schlägt, wird etwas von jener nicht nur körperlichen Gewalt des Krieges spürbar. Denn selbst der erhabenste Moment der Schönheit ist von einer Poesie des Schreckens durchzogen. „Civil War“ ist ein ganz großer, selbstbewusster und kluger Film über unsere Gegenwart.