Allein der Name klingt schon nach einer Filmfigur: Jeremiah Terminator LeRoy. Ein prophetischer Android, königlich noch dazu – das ist reichlich Stoff für jeden Geschichtenerzähler. Und doch schien diese schillernde Persönlichkeit real sein, zumindest für ein paar Jahre. JT landete in den frühen 2000er-Jahren mit seinen autobiografischen Romanen „Sarah“ und „Jeremiah“ Sensationserfolge in der Literaturwelt, zunächst in New York, dann weltweit. Aus einem Teenager mit einer Lebensgeschichte aus Armut, Misshandlung, Drogen und Prostitution wurde ein Shootingstar. Fans lasen seine öffentlichkeitsscheue Art und die authentische, raue Literatur als Ausdruck seiner schwer verwundeten Persönlichkeit. Lebensnaher kann Literatur kaum sein.
Nach und nach tauchten vereinzelte Fotografien und Interviews auf; mit Andy-Warhol-Perücke, Sonnenbrille und großem schwarzen Hut huschte der Autor verschüchtert durch spärliche öffentliche Auftritte. Die Verfilmung seines zweiten Romans feierte in Cannes Premiere. Der Skandal war perfekt, als 2005 das New York Magazine enthüllte, dass JT eine Kunstfigur war, der Name ein Pseudonym.
Ein Biopic über die Entstehung einer Kunstfigur
Der US-Filmemacher Justin Kelly zeigt nun die Entstehung dieser Kunstfigur als Biopic, wenn man die Werdung einer Fiktion so nennen möchte. Er erzählt von der übersprudelnden Autorin Laura Albert, die mit ihrem ersten Roman einen Überraschungshit landet. JT ist damals noch ihr Pseudonym, mit dem sie regelmäßig bei der Telefonseelsorge anruft, um eigene Gewalterfahrungen zu verarbeiten. Die Story des jungen Strichers aus schlechten Verhältnissen entwickelt jedoch eine starke Eigendynamik, und Laura Albert behält die Maske auf. Die große JT-LeRoy-Show nimmt ihren Lauf. Als die Presse ihr immer mehr Aufmerksamkeit schenkt, gibt sie Telefoninterviews mit männlicher Stimme und überzeugt schließlich ihre Schwägerin Savannah Knoop, mit Sonnenbrille und blonder Perücke als Jugendlicher JT aufzutreten. Schließlich wird Knoop zu seinem Avatar, JT zur Rolle ihres Lebens.
Kelly hält sich stringent an Knoops Transformation, wie sie sie 2007 in ihren Memoiren „Girl Boy Girl. How I became JT Leroy“ niedergeschrieben hat. Das Fesselnde an „Zu schön um wahr zu sein“ ist dann auch nicht das Was; zu wenig distanziert sich die Inszenierung von dieser überdimensionierten Täuschung, die für die italienische Schauspielerin Asia Argento sogar in einer Karriereblamage endet: Sie verguckte sich in den scheuen und überaus linkischen jungen Mann, verfilmte dessen zweiten Roman unter dessen Originaltitel „The Heart Is Deceitful Above All Things“ und landet damit einen immensen Flop. Vielmehr zeigt der Film das Ausmaß und den Aufwand der Bauernfängerei hinter dem Phänomen JT LeRoy, aber auch die Chuzpe der gesamten Aktion.
Über allem schwebt die Frage, wie Knoop und Albert mit einer halbseidenen Verkleidung und dieser Story so lange und mit so enormem Erfolg durchkommen konnten.
Kristen Stewart scheint mit ihren Manierismen – Lippenbeißen hier, geduckter Kopf da – beinahe die perfekte Besetzung für die unsichere Knoop zu sein, die in die Rolle des verkrampft-gehemmten JT schlüpft. Die Schau des Films ist jedoch Laura Dern. Sie spielt Laura Albert als überdrehte und egozentrische Zirkusdirektorin, deren einziges Ziel darin besteht, die Illusion aufrechtzuerhalten. Spielerisch wechselt Dern zwischen der ambitionierten Laura und deren Alter ego als JTs britische Managerin Speedie. Mit übertrieben hochnäsigem Akzent wuselt sie so nervös und manisch um JT herum, dass ehrliche Nachfragen und Gespräche mit ihm kaum möglich sind. Schon bald kann man sich vorstellen, wie aus viel Gewese um Nichts eine Sensation werden konnte, und versteht, welchen Reiz die Trickbetrügerei für Knoop und Albert gehabt haben muss, welchen Stellenwert sie in ihrem eigenen Leben eingenommen hat. „Manchmal ist eine Lüge wahrer als die Wahrheit“, lallt Laura einmal als JT schleppend ins Telefon – und meint natürlich sich selbst.