Dokumentarfilm | Deutschland/Belgien 2017 | 93 Minuten

Regie: Reiner Holzemer

Dokumentarisches Porträt des belgischen Modedesigners Dries van Noten (geb. 1958). Darin geht es weniger um die Persönlichkeit des renommierten Couturiers oder um das von ihm 1986 gegründete Modehaus, vielmehr rücken der künstlerische Schaffensprozess sowie die kreative Beschäftigung mit Stoffen, Mustern, Texturen und Applikationen in den Mittelpunkt. Unaufdringlich und ohne effektvolle dramaturgische Zuspitzungen geht der Film damit wohltuend auf Distanz zum schnelllebigen Modebetrieb und würdigt angemessen einen Kreativen, dessen Kleider über die Jahre mit ihren Trägerinnen "wachsen" sollen. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
DRIES
Produktionsland
Deutschland/Belgien
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Reiner Holzemer Film/Aminata bvba/BR/RTBF/Avrotros
Regie
Reiner Holzemer
Buch
Reiner Holzemer
Kamera
Reiner Holzemer · Toon Illegems · Erwin Van Der Stappen
Musik
Colin Greenwood · Matthew Herbert · Sam Petts-Davies
Schnitt
Helmar Jungmann · Stephan Krumbiegel
Länge
93 Minuten
Kinostart
29.06.2017
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Porträt des belgischen Modemachers Dries van Noten

Diskussion
„Fashion“, ist ein Wort, das Dries van Noten nicht mag. Wenn man dem belgischen Modedesigner dabei zusieht, wie er hochkonzentriert karierte Stoffe mit Leopardenprints an einem lebenden Modell collagiert, kommt einem der Begriff tatsächlich etwas vulgär vor. Dries van Noten wirkt eher wie ein Bildhauer bei der Arbeit an einer komplexen Skulptur. Er probiert Kombinationen, tritt ein Stück zurück, schaut, holt einen neuen Stoff, der das Gebilde in eine andere Anordnung bringt, überlegt, schaut, schichtet erneut, so lange, bis die fertige Form gefunden ist. Fashion bedeute, dass etwas nach sechs Monaten vorbei sei, sagt der Designer in dem Dokumentarfilm von Reiner Holzemer. Innerhalb des immer beschleunigteren Modebetriebs ist Dries van Noten eine Ausnahmefigur. Im Gegensatz zu den meisten Modehäusern, die von großen Luxuskonzernen aufgekauft wurden, ist er Besitzer seiner eigenen Marke. Er schaltet keine Anzeigen. Und entwirft weder Zwischenkollektionen, noch setzt er auf das wesentlich profitablere Accessoire-Segment. Dries van Noten steht für hohe Handwerkskunst, für leuchtende Farben, aufwendige Stickereien und Prints – und für Kleider, die mit der Trägerin wachsen, Teil ihres Charakters werden sollen. „Dries“ begleitet den Modemacher, der sich dem öffentlichen Blick bisher weitgehend entzogen hat, ein Jahr lang mit der Kamera. Dabei nimmt sich Holzemer mit eigenen künstlerischen Ambitionen zurück; seine Inszenierung ist unaufdringlich und im Verzicht auf jegliche Fashion-Hysterie angenehm nüchtern (umso unpassender wirkt die joviale Anrede mit dem bloßen Vornamen im Titel des Films). Vielleicht liegt es auch an van Notens schüchternem Wesen, das so gar nicht zum vorherrschenden Bild einer von Exzentrik und Spektakelwerten bestimmten Modewelt passen mag. Jedenfalls steht bei Holzemer eindeutig die Arbeit im Vordergrund und nicht der Kult um die Person, die Designerporträts oft auszeichnet. Von einer Cliffhanger-artigen Dramaturgie, die etwa „Dior und ich“ (fd 43 172) und Fashion-Formate wie die arte-Dokumentationsreihe „Vor der Show“ auszeichnet, wurde ebenso Abstand genommen wie vom aufgeregten Einfangen emotionaler Stimmungen. Stattdessen sieht man van Noten vor allem bei der Tätigkeit, die ihn am meisten auszeichnet: der Beschäftigung mit Stoffen, mit Mustern, Texturen und Applikationen. Dries van Noten ist der bekannteste Vertreter der „Antwerp Six“ – einer Gruppe von Designern, die 1980/1981 an der Royal Academy of Fine Arts in Antwerpen ihren Abschluss machten und 1986 erstmals ihre Kollektionen in London präsentierten. Der Film ermöglicht neben dem Blick auf die Entstehung aktueller Kollektionen auch erhellende und mitunter selbstkritische Revisionen vergangener Mode. Wie in einem DVD-Audiokommentar erläutert der Designer Hintergründe, Konzepte und Referenzen früherer Kollektionen sowie ihre Rezeption bei Presse und Kundschaft. So erzählt er etwa, wie er für die erfolgreiche Kollektion „Flowers“ die fertigen Kleidungsstücke in die Waschmaschine steckte, damit sie einen zerknitterten, alltagstauglichen Look bekamen. Eine von Francis Bacon inspirierte Kollektion wurde hingegen von der berühmten Modekritikerin Suzy Menkes mit dem schönen Farbwort „verfaulte Garnele“ geschmäht.
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