Drama | Österreich 2013 | 114 Minuten

Regie: Götz Spielmann

Der bevorstehende Tod ihres alten Vaters führt zwei Schwestern wieder zusammen, die sich im Lauf der Jahre fremd geworden sind, weil sie völlig unterschiedliche Wege im Leben eingeschlagen haben: Die ältere hat den väterlichen Gasthof in den österreichischen Alpen übernommen, die jüngere ist erfolgreiche Schauspielerin in Berlin. Am Krankenbett des Patriarchen müssen sie sich mit den Lügen und Illusionen ihres Daseins auseinandersetzen, finden aber überraschende Anstöße zur Neuordnung ihres Lebens. Ein mit meisterlicher Ruhe und Detailgenauigkeit inszeniertes Familiendrama mit eindrücklich charakterisierten, hervorragend gespielten Hauptfiguren. Die formale Strenge der Innenaufnahmen und der Verzicht auf Musik kontrastieren reizvoll mit der Naturkulisse und der im Kern optimistischen Stimmung des Films, die unaufdringlich auch eine spirituelle Ebene miteinbezieht. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
OKTOBER NOVEMBER
Produktionsland
Österreich
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Coop99 Filmprod./Spielmannfilm
Regie
Götz Spielmann
Buch
Götz Spielmann
Kamera
Martin Gschlacht
Schnitt
Karina Ressler
Darsteller
Nora von Waldstätten (Sonja) · Ursula Strauss (Verena) · Peter Simonischek (Vater) · Sebastian Koch (Andreas) · Johannes Zeiler (Michael)
Länge
114 Minuten
Kinostart
12.06.2014
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Ascot Elite (16:9, 1.85:1, DD5.1 dt.)
Verleih Blu-ray
Ascot Elite (16:9, 1.85:1, dts-HDMA dt.)
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Meisterliches Familien- und Sterbedrama von Götz Spielmann

Diskussion
Wie eine Oase der Ruhe und des Friedens schaut der kleine Waldsee aus, in dem sich die österreichischen Alpen spiegeln. Schon als Kind saß Sonja stundenlang allein auf einer Bank an diesem Weiher, um zur Besinnung zu kommen und sich mit der Welt zu versöhnen. Auch als Erwachsene zieht es sie in Krisenzeiten immer wieder dorthin. Dass an diesem späten Herbsttag schon jemand an ihrem geheimen Erholungsplatz sitzt, stört sie nicht, kommt ihr sogar gelegen: Denn auch Andreas passt nicht in den ausgestorbenen Flecken, in den sich noch nicht mal mehr Touristen verirren – er ist gebildet, aber als Dorfarzt unterfordert, und offenbar völlig allein und ungebunden. Sonja wittert hinter Andreas’ Gleichmut eine vergleichbar einsame Seele. So startet sie einen kleinen Flirt – ohne zu ahnen, dass der Arzt eine Affäre mit ihrer älteren Schwester Verena hat, in der Sonja bei aller Liebe nie mehr als eine brave Hausfrau und Mutter gesehen hat. Trügerische Idyllen und Illusionen über das Leben sind das große Thema des österreichischen Regisseurs Götz Spielmann, der mit „Oktober November“ sechs Jahre nach dem grandiosen Thriller „Revanche“ (fd 39 140) erstmals wieder einen Film ins Kino bringt. Keine der Figuren ist, wofür die anderen sie halten und was sie selbst zu sein vorgibt: Nicht Sonja, die erfolgreiche Schauspielerin, die vor der Kamera die eiskalte Verführerin mimt, im wahren Leben aber nach dem Ende einer unglücklichen Beziehung psychisch labil und von der ganzen Hohlheit des Filmgeschäfts angewidert ist. Nicht Verena, die widerspruchslos den väterlichen Gasthof übernommen hat, diesen aber ohne Leidenschaft führt und in ihrem Leben auch gern etwas von der Welt gesehen hätte. Und selbst der alt gewordene Familienpatriarch nicht, der angesichts des nahen Todes auf einmal so mit sich, Gott und dem Kosmos im Reinen ist, dass die Schwestern ihren sturen Vater kaum wiedererkennen. Wie schon in seinen früheren Werken nimmt sich Spielmann auch diesmal wieder die Zeit, seinen Figuren zunächst separat zu folgen, um sie sorgfältig und mit einem traumwandlerisch sicheren Blick für markante Details charakterisieren zu können. So zeigt zum Beispiel eine Reihe von Szenen aus ihrem Berufsalltag Sonja stets mit dem gleichen eingefrorenen Lächeln, was anfangs nicht mehr als eine nichtssagende Geste zu sein scheint. Allmählich kristallisiert sich aber heraus, dass es in Wahrheit eine Schutzmaßnahme ist: Außerhalb ihrer Arbeit verspürt Sonja panische Angst und würde sich am liebsten vor der ganzen Welt verstecken. Eine Rolle, für die sich Nora von Waldstätten mit ihrer katzenhaften Aura von Undurchschaubarkeit ebenso als ideale Besetzung erweist wie Ursula Strauss den Part der Verena in einer souveränen Mischung aus leicht verbitterter Bodenständigkeit und innerlich lodernder Glut anlegt. Wenn sie sich auf geheimen Waldwegen zum Rendezvous mit Andreas geschlichen hat, vergeht sie sichtlich vor Nervosität und ist doch fest entschlossen, nicht auf die Treffen zu verzichten. Die geheime Affäre ist für sie der einzige Weg, sich mit dem Provinzleben zu arrangieren – verständlich, dass sie sich von ihrer Schwester, die den Ausbruch geschafft hat, nicht um diese raren Glücksmomente bringen lassen will. Denn über beider Leben schwebt weiterhin der Übervater, den Peter Simonischek zu Anfang glaubhaft als Macherpersönlichkeit interpretiert, die zeitlebens auf die eigene Stärke vertraut hat, um dann mit verlangsamter Sprachmelodie und sparsameren Gesten auf anrührende Weise Altersmilde auszustrahlen, nachdem der alte Mann bei einem Herzinfarkt eine Nahtod-Erfahrung gemacht hat. Sein absehbares Sterben vereint nicht nur die beiden Schwestern wieder, es wird auch eine spirituelle Ebene in den Film eingeführt, die im weiteren Verlauf immer wieder aufgegriffen wird – etwa mit einer wie vom Himmel geschickten Pilgergruppe, die das verwaiste Gasthaus belebt –, ohne dabei aufdringlich zu wirken. Spielmann maßt sich keinerlei Urteil über die letzten Dinge an und bleibt bis zum Schluss ein aufmerksamer, aber niemals wertender Beobachter. Die durchgehende Kälte der Kamerabilder von Martin Gschlacht bei der Aufnahme der Innenräume und der Verzicht auf emotionalisierende Filmmusik kontrastieren nicht nur mit der Schönheit der herbstlichen Alpen-Panoramen, sondern vor allem auch mit der menschlichen Wärme, die sich im Verhalten beider Schwestern am Krankenbett immer klarer offenbart. Spielmann setzt so konsequent und künstlerisch schlüssig die Route fort, die er mit „Revanche“ eingeschlagen hat: weg von der pessimistischen Stimmung früherer Werke wie „Antares“ (fd 37 130), hin zu einer vom Glauben an die Menschlichkeit durchdrungenen Abbildung kleiner Gemeinschaften, bei der die Versöhnung das einzig logische Ende darstellt.
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