Drama | Österreich 2004 | 119 Minuten

Regie: Götz Spielmann

Drei Episoden loten die Irr- und Umwege der Liebe aus, die Bewohner einer Hochhaussiedlung am Stadtrand durchmachen: eine Mutter und Ehefrau, die sich auf einen Seitensprung einlässt, eine junge Frau, die eifersüchtig ihren Freund überwacht, und dessen Geliebte, die sich gegen ihren aufdringlichen Ex-Mann wehren muss. Der illusionslose Forscherblick des Regisseurs erinnert an Robert Altman, hält aber weniger emotionale Distanz. Trotz der Nüchternheit, mit der die Lebenssituationen geschildert werden, hoffnungsstiftend und voller Sympathie für die Figuren. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
ANTARES
Produktionsland
Österreich
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
TeamFilm Prod./Lotus-Film
Regie
Götz Spielmann
Buch
Götz Spielmann
Kamera
Martin Gschlacht
Musik
Walter W. Cikan · Marnix Veenenbos
Schnitt
Karina Ressler
Darsteller
Petra Morzé (Eva) · Andreas Patton (Tomasz) · Hary Prinz (Alfred) · Susanne Wuest (Sonja) · Dennis Cubic (Marco)
Länge
119 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
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Heimkino

Verleih DVD
Legend Films (16:9, 1.85:1, DD5.1, dts6.1 dt.)
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Diskussion
Es ist schon dunkel, als der Film beginnt. Ein Mann verkriecht sich im Rücksitz eines Taxis, das durch nachtleere Straßen rauscht. In den Händen hält er ein paar Fotos. Wehmütig schaut er sie an, eins nach dem anderen: die hübsche, blonde Frau, ihre nackte Brust, gespreizte Schenkel. Dann rast ein Auto aufs Taxi zu. Am Ende des Films dunkelt es wieder. In derselben tristen, graubetonierten Hochhaussiedlung am Stadtrand, irgendwo in Österreich. Zwischen dieser dunklen Klammer aus Ein- und Ausstiegssequenz erzählt Götz Spielmann („Der Nachbar“, „Die Fremde“) in drei aufeinander folgenden Episoden ungeschminkt von Um- und Irrwegen der Liebe; Lust, Eifersucht, Gewalt. Jeweils drei Tage und vor allem Nächte lang untersucht er die menschlichen Schattenseiten. „Neo-Noir“ könnte man meinen und läge gewiss nicht falsch. Low-Key, Low-Mood. Auch ein Vergleich zu Robert Altmans „Short Cuts“ (fd 30 588) bietet sich an. Nicht nur, weil die Geschichten der einzelnen – bei Spielmann nacheinander erzählten – Episoden sich überschneiden, die Lebenswege der jeweiligen Protagonisten sich kreuzen, sondern vor allem auch, weil Spielmann ähnlich wie Altman seine Einblicke exemplarisch organisiert. Aus Hunderten von Hochhausparzellen, die sich von außen kaum unterscheiden, greift er drei Wohnungen heraus. Mit exakt demselben Grundriss. Doch das, was am Reißbrett noch austauschbarer Standard war, ist längst vom Leben überwuchert, kaum noch als Gleiches erkennbar. Der Regisseur greift tief in die Masse hinein und erzählt dann doch individuelle Erlebnisse. Ähnlich wie Menschenforscher Spielmann seine „Studien der Liebe“ betreibt, näherte sich Altman aus der Vogelperspektive dem Menschenstaat, um ihn dann in viele kleine Grüppchen zu untergliedern. Dennoch aber unterscheidet sich Spielmanns Herangehensweise von derjenigen Altmans oder des Neo-Noir. Die Distanz, die Spielmann zu seinen Figuren aufbaut, ist in erster Linie eine formale, erzeugt durch düsteres Licht und einen gewissen Mindestabstand der Kamera. Emotional hingegen kommt er den Menschen bisweilen recht nahe, zumindest lässt er sie als vielschichtige Individuen aufscheinen und manövriert ihre Lebenswege in keine trostlose Ausweglosigkeit hinein. Zwar hütet er sich vor einem Happy End, doch am Schluss jeder Episode wird die zermürbende und aus Lügen geformte Lebensroutine auf unvorhergesehene Weise durchbrochen. Fast allen Protagonisten eröffnet sich die Chance auf einen Neuanfang. Ihr Glück ist damit zwar nicht vorgezeichnet, ihr Unglück aber ebenso wenig. Es ist nur konsequent, dass Spielmann mit der letzten Einstellung den suchenden Blick an den anonymen Fassaden der Stadtrandsiedlung abprallen und seine Alltagsheldinnen und –helden mit ihrer ungewissen Zukunft alleine lässt. Die erste der drei Episoden erzählt von Krankenschwester Eva. Ende 30, Mutter einer pubertierenden Tochter, solide, glücklich verheiratet – scheinbar. Eines Nachts taucht Tomasz auf, ein ehemaliger Liebhaber, ein One-Night-Stand vielleicht. Kaum trifft sie ihn wieder, flammt die Leidenschaft abermals auf. Nachts, bei ihm im Hotelzimmer. Fast ohne Worte reißen sie sich die Kleider vom Leib, leben ihre verborgensten Fantasien aus. Freizügig, indiskret, mit intimem, harrendem Blick inszeniert Spielmann diese Episode. Doch keineswegs voyeuristisch. Ohne Hochglanzbilder, ohne sinnlichen Soundtrack. Stattdessen ganz nüchtern, sich zu Recht auf das souveräne, geradlinige Spiel seiner Hauptdarsteller verlassend. Und es ist beeindruckend, wie rücksichtslos gegen sich selbst und ohne falsche Eitelkeiten Petra Morzé in ihrer ersten Kinohauptrolle hier zu Werke geht. Überhaupt beweist Spielmann ein feines Gespür bei der Auswahl seiner Darsteller. Darunter erfrischend viele Kinoneulinge, die dennoch fast immer den richtigen Ton treffen. Die zweite Episode handelt von Sonja, einer jungen Supermarktkassiererin und ihrem Freund, dem Plakatierer und Gastarbeitersohn Marco. Sonja leidet unter fast krankhafter Eifersucht, und um Marco endlich an sich zu binden und zur Heirat zu zwingen, behauptet sie, schwanger zu sein. Gleichzeitig schnüffelt sie ihm unaufhörlich hinterher, kramt in seinen Sachen, scheinbar grundlos, bis sie ihn eines Tages beim allabendlichen Spaziergang mit dem Hund verfolgt. Marcos Geliebte Nicole steht im Mittelpunkt der dritten Episode. Nicole ist geschieden und lebt als allein erziehende Mutter mit ihrem kleinen Sohn in der Siedlung. Aber ihr Ex-Mann, der windige Immobilienmakler Alex, mag nicht wahrhaben, dass Nicole nichts mehr von ihm wissen will. Ständig steht er vor der Tür, angeblich um seinen Sohn zu besuchen. Irgendwann will er dann „über alles“ reden. Und weil Nicole „einfach nicht kapiert“, was gut ist für sie, fängt er bald an zu brüllen. Am Schluss fliegen Gegenstände, und er schlägt zu, mal wieder. Drei Episoden, drei Geschichten, die das Leben erzählt: hart, ruppig, unsentimental, aber keineswegs hoffnungslos. Die hässliche, kaltstrahlende Wohnsiedlung passt zum scharfen, illusionslosen Forscherblick, mit dem Spielmann seine Figuren studiert. Diese sind jedoch nicht bloß Gefangene äußerer, sozialer Umstände, sondern selbst für ihr Leben und Lieben verantwortlich. Demonstrativ legt Spielmann Zukunft und Schicksal am Schluss in deren Hände zurück. „Antares“, so heißt der rotleuchtende „Gegenmars“ im Sternbild „Skorpion“. Auch wenn im menschlichen Mikrokosmos von Spielmann kein Platz für Illusionen sein mag – Raum für Wünsche, Sehnsüchte, Träume und für Hoffnung bleibt allemal.
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