Bildprächtiger Essay-Film über die Zeit als Bedingung menschlich-irdischen Seins. Er führt an Orte, an denen der Zeit eine besondere Bedeutung zukommt, und zu Menschen, die sich intensiv mit der Zeit als Vorstellung auseinandersetzen. Betörend schön fotografiert, trägt er seine Thesen mit traumtänzerischer Sicherheit und philosophischer Gewichtung vor, ist in persönlichen Momenten jedoch auch erfrischend lebensnah und bodenständig.
- Sehenswert ab 16.
The End of Time
Dokumentarfilm | Schweiz/Kanada/Frankreich 2012 | 109 Minuten
Regie: Peter Mettler
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Filmdaten
- Originaltitel
- THE END OF TIME
- Produktionsland
- Schweiz/Kanada/Frankreich
- Produktionsjahr
- 2012
- Produktionsfirma
- maximage/Grimthorpe Film/NFB/SRF/RG/ARTE
- Regie
- Peter Mettler
- Buch
- Peter Mettler
- Kamera
- Peter Mettler · Camille Budin · Nick de Pencier
- Musik
- Gabriel Scotti · Vincent Hänni · Richie Hawtin · Robert Henke · Autechre
- Schnitt
- Roland Schlimme · Peter Mettler
- Länge
- 109 Minuten
- Kinostart
- 09.05.2013
- Fsk
- ab 0 (DVD)
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Heimkino
Bildprächtiger Essay-Film über die Zeit als Bedingung menschlich-irdischen Seins
Diskussion
Ein Lava-Feld; dunkel, weit. Hier und dort sprießen schüchtern erste Pflanzen. Mitten auf dem Feld sitzt ein Hund. Weißes Fell, die Ohren gespitzt, die Aufmerksamkeit auf die Kamera und die Menschen dahinter gerichtet. Er beobachtet die Szene, Kamera und Menschen schauen zurück. „Die Zeit tropft“, könnte das heißen. Doch so lapidar kann man nicht über die Zeit schreiben bei einem Film, der diese zum Thema macht. „The End of Time“ ist allerdings keine Abhandlung über das Ende der Welt, wie wir sie kennen. Es ist vielmehr ein filmisches Essay über die Zeit als Bedingung des irdisch-menschlichen Seins. Nach einer Weile verfliegt die Neugierde des Hundes. Er steht auf, wendet sich ab, trollt sich. Ein ruhiges Bild, eine Szene vielleicht. Eine kurze Begegnung am Rande der Welt, einfach, aber beeindruckend in ihrer Kargheit – und bildschön. Die Szene findet sich ungefähr in der Mitte des Films. Sie spielt im Süden der Insel Hawaii, wo es unablässig brodelt, sprudelt, sickert, seitdem 1983 der Vulkan Kilauea ausbrach. Dampfend stülpt die Erde ihr Inneres nach außen, bildet sich wie zu Urzeiten unablässig neue Landmasse; 20 Meilen von der Küste entfernt entsteht eine neue Insel, Lo’ihi, die in 50.000 Jahren über dem Meeresspiegel auftauchen wird. „Too much to think about“, meint Jack Johnson. Sein Haus ist das einzige, das der Lavafluss noch nicht unter sich begraben hat, und so lebt er wie ein Eremit dort, wo das Ende der Welt zugleich ihr Anfang ist.
Der kanadisch-schweizerische Filmemacher Peter Mettler (geb. 1958) ist voll in seinem Element. Er hat sich schon oft mit philosophischen Fragen beschäftigt, ist auch Fotograf und Musikperformer; von ihm stammen so intuitiv-assoziative Filme wie „Tectonic Plates“ (1992), „Picture of Light“ (fd 32 866) oder „Gambling God and LSD“ (fd 36 178). „The End of Time“ ist ein typischer Mettler-Film: betörend schön fotografiert, geschmeidig montiert, bilderprächtig und soundintensiv; eine Einladung zur Reise um die Welt. Er führt in Landschaften und an Orte, wo der Zeit eine besondere Bedeutung zukommt. An denen sie besonders wahrnehmbar erscheint, und wo Menschen sich intensiv mit Zeit auseinander setzen, als Vorstellung einer Bewegung durch den Raum, eines Zyklus, der reinen Gegenwart bzw. der Zeitlosigkeit. Der Weg führt so nach Meyrin in der Schweiz, wo Wissenschaftler am CERN in Zeitdimensionen vorzudringen versuchen, die sich der menschlichen Wahrnehmung entziehen, in Mettlers Heimat Toronto, nach Hawaii und nach Indien, zu Buddhas Baum der Erleuchtung in Bodhgaya. Und in die verlassene Innenstadt der ehemaligen Zwei-Millionen-Stadt Detroit, wo heute einige Zurückgebliebene alternative Lebensformen erproben und in eine neue Zukunft aufbrechen. Irgendwann landet Mettler im Haus seiner Eltern und erhält von seiner Mutter die Antwort, dass Zeit für sie bedeute, den Liebsten beim Älterwerden zuzuschauen. In diesem Moment wird der Film, der sonst so traumtänzerisch ins All abhebt oder ins Transzendentale eintaucht, für einen kurzen Moment erfrischend lebensnah und bodenständig.
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