Die USA, die Schweiz und Indien sind Stationen des überlangen Dokumentarfilms, der mehr oder weniger fehlgeleitete Versuche menschlicher Sinnsuche vorstellt. Fotografiert in ausgesucht schönen Bildern, findet er trotz vieler Natursymbole zu keiner meditativen Einheit und lässt die zwischen den Bildern beschworene Stille und Einkehr am eigenen Objekt nicht zu. Ein eher bemühter Versuch über Spiritualität - oder das, was dafür gehalten wird.
- Ab 16.
Gambling, Gods and LSD
- | Schweiz/Kanada/Frankreich 2002 | 180 Minuten
Regie: Peter Mettler
Kommentieren
Filmdaten
- Originaltitel
- GAMBLING, GODS AND LSD
- Produktionsland
- Schweiz/Kanada/Frankreich
- Produktionsjahr
- 2002
- Produktionsfirma
- Grimthorpe/Maximage/SRG/SRR idée swiss/SF DRS/arte
- Regie
- Peter Mettler
- Buch
- Peter Mettler
- Kamera
- Peter Mettler
- Musik
- Fred Fritz · Jim O'Rourke · Peter Bräker · Knut & Silvy · Fennesz
- Schnitt
- Peter Mettler · Roland Schlimme
- Länge
- 180 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Diskussion
Jeder, der sich nur halbwegs Gedanken über den Zustand unserer Welt machen will, ahnt, dass diese längst aus den Fugen geraten ist oder – je nach Standpunkt – ihre notwendigen spirituellen/religiösen Wurzeln zu verlieren droht. Hetze und Hektik heißen die Gebote der angeschlagenen Stunden, wo Innehalten nötig wäre. Doch wo soll man Innehalten? Mit seinem ebenso langen wie aufwändigen Dokumentarfilm „Gambling, Gods and LSD“ begibt sich der in Kanada aufgewachsene Dokumentar- und Experimentalfilmer Peter Mettler (u.a. Kameramann von Atom Egoyan) auf spirituelle Spurensuche und startet in der Heimatstadt Toronto eine mehr als außergewöhnliche Reise: Hier treffen sich die Mitglieder einer „Church“, die nach stundenlangen Lobpreisungen Jesu in Verzückung verfallen und sich dem Heiligen Geist hingeben. Dies wäre fast ein Thema für sich, doch Mettler sucht den nordamerikanischen Subkontinent ab, findet in der Wüste von Nevada ein Atom-Raketen-Museum, in Las Vegas ein „Institut“ für erotische Elektrostimulation. Später wird die Sprengung eines Hochhauskomplexes als Massen-Stimulanz empfunden; eine Frau berichtet über ihre Begegnungen mit Gott, räumt aber gleichzeitig ein, vielleicht auch verrückt zu sein. In einer Poker-Runde gemahnt ein Witwer mit den sterblichen Überresten seiner Frau an seine Liebe und die Vergänglichkeit – eine der wenigen ergreifenden Szenen.
Dem Zuschauer schwirrt da bereits der Kopf, doch Flugzeug, Kondensstreifen und freier Himmel zeigen die nächste Episode an. Mettler besucht die alte Schweizer Heimat, das gelobte Land der Eltern. Aber die Idylle findet er nur in einem Spielzeugland: Skater, Rave-Partys, Love-Parades scheinen den Alltag der Jugendlichen zu bestimmen; ein Junkie-Pärchen auf Metadon, aber einer vollen Dröhnung nicht abgeneigt, sinniert über das Glück, ihr Freund beschreibt das Leben auf der Straße. Später findet man sich zu einem Bollywood-Film ein, der aus Kostengründen in der Schweiz gedreht wird. Anlass, nach Indien zu fliegen und dort nach dem Glück zu suchen. In der Tat scheint hier alles in bester Ordnung, bis auch hier die Chimäre des Kommerzes ihre Fratze zeigt. Wohin soll man gehen, wenn man nicht zu sich und der eigenen Spiritualität kommen kann?
Ohne jeden Kommentar hat Mettler einen komplexen, stellenweise aber enervierenden Dokumentarfilm geschaffen, der sich mit betörenden Bildern und Bildmetaphern auf Sinnsuche begibt, letztlich jedoch nur die Hilflosigkeit im Leben in der Moderne spiegelt. Aufnahmen von der unberührten Natur – Wasser und Wasserläufe, Wälder, Laub und Bergwipfel – gemahnen immerzu zum Innehalten; doch die filmische Struktur ist von einer Hektik getrieben, die der mitunter überwältigend fotografierte Film auf all seinen Metaebenen anprangert. Hierzu trägt auch der recht polyphone Score bei, der keine Stille zulässt, und um Stille und (Rück-)Besinnung geht es eigentlich in Mettlers Film. Die bleibt allerdings Vision, treibt und schwebt vorbei, ist kurze Wipfelruh und Herbstlaubtreiben, ein verstohlener Bachlauf, menschenleer. Wenn Mettler vom Wasser eines eiskalten Gebirgsflusses auf die aufgeheizte Stimmung einer Rave-Party überblendet, wird die manipulative Absicht seines Films mehr als deutlich: Sinnsuche-Pessimismus pur, ohne eine Alternative anzubieten. Irgendwie erinnert der Film dann an Reggios „Koyaanisqatsi“ (fd 24 271), ohne freilich dessen Sogwirkung zu entfalten. So entlässt Mettlers Suche nach Sinn eher ratlos: sie zeigt Irrwege und Sackgassen, stellt Menschen vor, die sich nicht von der Oberfläche lösen können. Dabei wäre es recht leicht gewesen, der Orientierungslosigkeit Bilder eines erfüllten Lebens gegenüber zu stellen; doch in sich ruhende Menschen bei sinnstiftender Arbeit zu zeigen, ist wenig kinogen, will man uns Glauben machen. So ist Erich Langjahrs „Hirtenreise ins dritte Jahrtausend“ (2002), ein Schweizer Film zu einem eigentlich ganz anderen Thema, der bessere Einstieg zu einer Spurensuche. Langjahrs Film bietet zwar auch keine Lösung an, aber er zeigt Wege auf, macht deutlich, dass sich das Göttliche zunächst in der erfahrbaren Schöpfung zu erkennen gibt, in der Gestaltung des eigenen Lebens, im Sich-Verhalten zu seiner Umwelt. Von dieser Erkenntnis ist Mettlers Films sphärenweit entfernt; oder sie ist ihm zu banal, um thematisiert zu werden.
Kommentar verfassen