Perfect Sense

Drama | Deutschland/Großbritannien/Schweden/Dänemark/Irland 2011 | 92 Minuten

Regie: David Mackenzie

Eine unbekannte Seuche raubt den Menschen auf der ganzen Erde nach und nach ihre Sinneswahrnehmungen. Während sich die Katastrophe anbahnt, finden in Glasgow eine Epidemiologin und ein Gourmet-Koch zueinander, die mit den chaotischen Begleiterscheinungen der Krankheit umzugehen versuchen. Ein elegisch temperiertes Drama, das durch sinnlich-melancholische Bilder in warmen Sepia-Tönen in Bann schlägt und mit einer Fülle an Einsichten und Reflexionen aufwartet, die eine große Spannweite menschlicher Empfindungen und Verhaltensweisen ausloten. Die souveräne Inszenierung und die beiden Hauptdarsteller halten die stilvoll überkonstruierte Parabel im Lot. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
PERFECT SENSE
Produktionsland
Deutschland/Großbritannien/Schweden/Dänemark/Irland
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Sigma Films/Subotica Ent./Zentropa ent./Film i Väst
Regie
David Mackenzie
Buch
Kim Fupz Aakeson
Kamera
Giles Nuttgens
Musik
Max Richter
Schnitt
Jake Roberts
Darsteller
Ewan McGregor (Michael) · Eva Green (Susan) · Ewen Bremner (James) · Connie Nielsen (Jenny) · Stephen Dillane (Samuel)
Länge
92 Minuten
Kinostart
08.12.2011
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Diskussion
Schöner untergehen als in diesem elegisch temperierten Seuchendrama kann man während der aktuell sowohl politisch als auch gesellschaftlich um sich greifenden Endzeitstimmung wohl in keiner anderen filmischen Apokalypse-Meditation, abgesehen vielleicht von Lars von Triers Weltabgesang „Melancholia“ (fd 40 662), der dem Ende allerdings keinerlei Hoffnung spendende Volten abgewinnt. „Perfect Sense“ dagegen erkennt gerade wegen der Katastrophe Licht am Ende des Tunnels, und das auch dann noch, wenn es für alle Versuchspersonen dieser stilvoll überkonstruierten Parabel längst ausgegangen ist. Als nichts mehr gegen eine ominöse Epidemie hilft, die den Erdbewohnern peu à peu sämtliche Sinne raubt, fährt die Kamera von Giles Nuttgens, der schon David Mackenzies kleines Meisterwerk „Young Adam“ (fd 36 814) fotografierte, zur Hochform auf und überwältigt mit einem sinnlich melancholischen Bilderrausch in warmen Sepia-Tönen. Dass man sich dem schwarz-romantischen Trauerspiel nicht entziehen kann, liegt auch an dem mehr als ansehnlichen Liebespaar in Gestalt von Ewan McGregor und Eva Green, das seine körperlichen Qualitäten mitunter allzu vorhersehbar gegen das drohende Unheil stemmen muss. Auch wenn das Sensorium für die Bewältigung des Lebens noch so brüchig wird: Ihre Liebe, obgleich von einem komplizierten Auf und Ab geprägt, hält allen Zumutung bis zum bitteren Ende stand, als nur noch der Tastsinn die Existenz des Anderen zu bestätigen vermag und sich die ultimative Dunkelheit ihrer verlorenen Körper bemächtigt. Bevor sich im Finale selbst die Leinwand dramatisch verdunkelt, begegnen die ersten Menschen, die urplötzlich in tiefe Depressionen fallen, von Fressattacken heimgesucht werden und danach nicht mehr riechen und schmecken können, den Folgen der Erkrankung mit erstaunlichem Gleichmut und ostentativer Konzentration auf den Alltag. Erst als das Ansteckungstempo zunimmt und sich überall, mitten auf der Straße oder am Arbeitsplatz, seelische Zusammenbrüche häufen, exzessive Glücksausbrüche inklusive, beginnen Wissenschaftler aufgeregt, nach den Ursachen zu forschen. Während sich Tiere weiterhin bester Gesundheit erfreuen, perfektionieren die Killerviren unter wunderschönen Mikroskopbildern ihre Vernichtungstaktik. Auch die junge Epidemiologin Susan schlägt sich die Nächte um die Ohren, was sie nicht daran hindert, mitten im dramaturgisch wohltuend missachteten Chaos ihre Beziehungsphobie in Angriff zu nehmen und sich angesichts der nahenden kollektiven Auslöschung zaghaft in einer Affäre mit dem ebenso bindungsscheuen Chefkoch eines Glasgower Edellokals zu versuchen. Nicht nur dem Gourmet und seinem Team zerstört die Plage des ausbleibenden Geschmacks seine Existenz. Die Flucht in wahllosen Sex sorgt nur punktuell für Erleichterung und lässt das Bedürfnis nach seelischer Intimität noch dringender erscheinen, zumal unkontrollierte Gewaltausbrüche bereits die nächste Stufe der Krankheit einläuten. Als plötzliche Taubheit um sich greift, breitet sich doch noch Panik aus, und Verschwörungstheorien machen die Runde. Die wilden Spekulationen um Bio-Terror und Öko-Gau gehen auf der Tonspur in ein langsam kollabierendes Wortrauschen über, nur die Stimme der Erzählerin kommentiert aus dem Off verlässlich weiter das Geschehen und entführt in die Abgründe des inneren Grauens, gepaart mit einer Resignation, die sich bei Susan nach dem Verlust der Sehkraft nur noch in den Armen des Geliebten aushalten lässt. Der Schotte David Mackenzie genießt es in seinem sechsten Spielfilm sichtlich, dem Allmachtwahn des Menschen einen Dämpfer zu verpassen, ihn hilflos und aller Ablenkungsmanöver beraubt, auf sich selbst zurückzuwerfen und zur Besinnung auf das Wesentliche, die überlebenswichtige Nähe zu seinen Artgenossen, zu zwingen. Auch wenn er seine letztlich optimistische Dystopie gelegentlich mit allzu penetranter Geigenrührseligkeit überfrachtet, hallt die Stille der letzten Abschiedsbilder lange nach.
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