Golden Lemons
Dokumentarfilm | Deutschland 2002 | 81 Minuten
Regie: Jörg Siepmann
Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2002
- Produktionsfirma
- 2 Pilots
- Regie
- Jörg Siepmann
- Buch
- Jörg Siepmann
- Kamera
- Hajo Schornerus
- Musik
- Die Goldenen Zitronen · Wesley Willis
- Länge
- 81 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Beide Einlassungen greifen zu kurz. So wie sich Jörg Siepmanns Film durchaus adäquat zum behandelten Gegenstand verhält, so besteht der Vorzug der „Goldenen Zitronen“ gerade in der Unverdrossenheit, mit der sie gegen alle wohlfeilen Trends der Musikindustrie angespielt haben und dies noch immer tun. Seit ihrer Gründung 1984 stellen sie sich quer zu allen Moden, verwirren durch ihr äußeres Erscheinungsbild. Trotz des beträchtlichen Hit-Potenzials einzelner Songs blockieren sie regelmäßig naheliegende Verwertungsstrategien; niemals singen sie Englisch. Anders als beispielsweise „Die Toten Hosen“, mit denen sie oft getourt sind, konnten oder wollten „Die Goldenen Zitronen“ nie einen ganz großen kommerziellen Coup landen. Im Zweifelsfall schwenkten sie lieber auf die Auflösung herkömmlicher Songstrukturen ein, als an der Ausformulierung eines „richtigen“ Hits zu feilen. Ihre Werkgeschichte gestaltet sich vorrangig als die einer Verweigerung. Auch davon handelt Siepmanns Film.
Die Ironie der Geschichte ist, dass die Musiker um Schorsch Kamerun und Ted Geier zunächst optimistisch auf die Reise nach Übersee gehen. Doch spätestens bei ihrer Ankunft auf dem Flughafen von San Francisco beginnen sie zu realisieren, dass die Reise durch das Heimatland des Rock’n’Roll wohl wieder nicht den überfälligen Ruhm einfahren wird. Sie finden sich als eher pittoreske Zugabe zu einer Tournee des Faktotums Wesley Willis durch Kalifornien wider. Willis hat sich durch minimalistische Auftritte mit einer billigen Orgel einen bescheidenen Ruf erworben. Zu den immer gleichen Rhythmen brabbelt er sich niemals reimende Verse über Osama Bin Laden oder über die eigene, medizinisch bescheinigte Schizophrenie ins Mikrophon. Ähnlich wie der ebenso schwergewichtige Daniel Johnston gilt Willis durch sein fast autistisches Musikerdasein als Geheimtipp. Seine CDs verkauft er fast ausschließlich nach Live-Auftritten. Kein Mensch hat in den Clubs, in denen Willis seine Auftritte absolviert, je etwas von den „Goldenen Zitronen“ gehört. Und niemand spricht Deutsch. So fungieren sie als eine Art obskures Maskottchen für den obskuren Wesley Willis – vermutlich hätte dessen Manager auch eine mongolische oder portugiesische Band gebucht, wenn sich dies angeboten hätte. Hinzu kommen die nicht eben erbaulichen Umstände der Reise. Der beengte Tourneebus lässt keinerlei Intimsphäre zu, triste Motels säumen den Weg, schlechtes Essen wird serviert und wässriger Kaffee aufgetischt (den auch sein kostenloses „re-fill“ nicht besser macht).
Der mit einer beweglichen, bis in die Schlafkojen des Busses vordringenden DV-Kamera gedrehte Film funktioniert als Road Movie über die Einsamkeit Amerikas ebenso wie als Chronologie einer schrittweisen Desillusionierung. Als sich die Konzerttournee ihrem Ende zuneigt, sind die Musiker an einem Punkt angelangt, der ihnen schon vorher sehr vertraut gewesen sein muss. Das Dasein im Musikgeschäft erweist sich für Einzelkämpfer selten als erquicklich; vielfältig sind die Kümmernisse und launisch das Glück. So ziemlich alles läuft dem Mythos von Sex & Drugs & Rock’n’Roll entgegen. Aber die „Zitronen“ sind glücklicherweise keine naive Teenie-Band. Für die in Würde ergrauten Herrn aus Hamburg wird der Trip zum Anlass, die eigene Position zu überdenken; die äußere Reise weitet sich zur inneren Reise. Siepmanns Film ist ein sympathisches Dokument über eine Gruppe sympathischer Menschen, die auch Musik machen; er ist jedoch kein Musikfilm.