Der stromlinienförmig verlaufende Alltag eines erfolgreichen Produzenten von Sex-and-Crime-Filmen ändert sich grundlegend, als er auf mysteriöse Weise entführt und fast exekutiert wird. Gerade noch rechtzeitig erkennt er, daß er sich auf dem falschen Weg befunden hat. Eine komplexe Schilderung des Filmemachens, die eine komplizierte Verschwörungstheorie mit der individuellen Sinnkrise des Protagonisten verbindet. Dabei steht die zivilisationskritische Botschaft überdeutlich im Vordergrund und droht, die geglückten Momente des Films zu überdecken. Nach wie vor ist Wim Wenders ein authentischer Visionär des Kinos, der hier jedoch in der Unausgewogenheit epischer und dramatischer Momente seine Handschrift zu verlieren droht.
- Ab 16.
Am Ende der Gewalt
- | Frankreich/Deutschland/USA 1997 | 121 Minuten
Regie: Wim Wenders
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Filmdaten
- Originaltitel
- THE END OF VIOLENCE
- Produktionsland
- Frankreich/Deutschland/USA
- Produktionsjahr
- 1997
- Produktionsfirma
- Road Movies/Ciba Pictures/Kintop Pictures
- Regie
- Wim Wenders
- Buch
- Wim Wenders · Nicholas Klein
- Kamera
- Pascal Rabaud
- Musik
- Ry Cooder
- Schnitt
- Peter Przygodda
- Darsteller
- Bill Pullman (Mike Max) · Andie MacDowell (Paige Stockard) · Gabriel Byrne (Ray Bering) · Loren Dean ("Doc" Dean Block) · Traci Lind (Cat)
- Länge
- 121 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Externe Links
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Heimkino
Diskussion
Los Angeles, Stadt der Illusionen, Stadt der Enttäuschungen. Mike Max, überaus erfolgreicher Produzent von Sex&Crime-Filmen, steht auf der Gewinnerseite des Lebens. Seine schöne Frau langweilt sich im exklusiv ausgestatteten Haus, emsige Gärtner entlauben das Grundstück seiner Villa mit direktem Blick auf den Pazifik. Laptop, Handy und Organizer sind sein tägliches Handwerkszeug, mit dem er einen Thriller nach dem anderen auf den begierigen Markt wirft. Gestreßt, aber glücklich "zappt" er quasi durch seinen Terminkalender; kein Problem, das sich nicht lösen ließe. Dieser Kosmos platzt wie eine Seifenblase, als Mike auf mysteriöse Weise entführt wird und nur knapp einer Exekution entgeht. Verwirrt findet er sich im eigenen Vorgarten wieder, beschließt aber, nicht wieder in den Kreislauf des Alltags einzutauchen. Seine aus Mexiko stammenden Gärtner nehmen ihren durch jenes existentielle Erlebnis geläuterten Arbeitgeber auf, bringen ihn ins bescheidene, aber glückdurchflutete Vorstadtheim. Hier lernt der ehemalige Zyniker das "einfache Leben" kennen und lieben, was sich in mehrfacher Hinsicht als gesund herausstellt: höchste Regierungskreise sind auf fieberhafter Suche nach ihm. Offensichtlich sollte als mutmaßlicher Mitwisser eines Geheimnisses er zielgerichtet eliminiert werden. Brücke zu dieser Intrige ist Ray Bering, ein genialischer Informatiker, der an einem perfekten, satellitengestützten Überwachungssystem arbeitet. In Gewissensnot geraten, wollte er sich hilfesuchend an Mike Max wenden, den er einst flüchtig kennengelernt hatte. Obwohl die Annäherung zwischen den beiden durch die Staatsräson brutal verhindert wird, gelingt es, das an Orwell gemahnende Sicherheitsprojekt rechtzeitig zu verhindern.Zwei Modelle der Weltverbesserung stehen sich gegenüber: das der allumfassenden, perfektionierten Überwachung, des optimalen administrativen Zugriffs einerseits, das der individuellen Läuterung, der inneren Umkehr andererseits. Überflüssig zu erwähnen, welcher Variante Wim Wenders zuneigt. Weltverbesserungsideen ist freilich stets der Hang zur argumentativen Entmündigung eigen; ihre Parteigänger tendieren zur Mission, nicht zur Diskussion. Natürlich ist der Titel des Films Programm. In diversen Interviews hatte Wenders wiederholt seinen Abscheu gegenüber gewaltexzessiven Arbeiten der amerikanischen Kollegen Oliver Stone oder Quentin Tarantino geäußert. Daß er ausgerechnet Bill Pullman in der Hauptrolle besetzt, ist sicher ebensowenig ein Zufall, hat Pullman doch in David Lynchs "Lost Highway" (fd 32 459) einen hoffnungslos derangierten Saxophonisten gespielt - auch Lynch gehört schließlich zu den von Wenders beargwöhnten Regisseuren. So ist "Am Ende der Gewalt" durchaus als ein Gegenentwurf zu Lynchs hypnotischem, beileibe nicht unblutigem Psychotrip zu verstehen. In dieser Besetzung ist eine gewisse Ironie angelegt. Aber nur hier. Ja, es ist wieder dieser überdeutlich didaktische Ansatz, der einem das potentielle Vergnügen an Wenders Kino fast vergällt. (Hinzu kommt eine gewisse esoterische Schräglage.) Wenn nach Mike Max auch der eben noch extrem coole "Gangster-Rapper" Six bekehrt wird und plötzlich in einem Off-Theater melancholische Gedichte vorträgt, grenzt das Ganze ans Parodistische. Erst wenn man diesen Wermutstropfen des Oberlehrerhaften geschluckt hat und damit zu leben weiß, entfaltet der Film seine Poesie. Denn nach wie vor ist Wenders ein authentischer Visionär des Films, der im noch unbekannten Kameramann Pascal Rabaud zudem einen idealen Partner gefunden hat: Rabauds Scope-Blicke fixieren das Weichbild Los Angeles auf geradezu magische Weise - selbst das schon oft abgelichtete Schnellstraßengeflecht der Millionenstadt wirkt als eigenständiger Entwurf und nie als Klischee.Neben dem Darstellerensemble ist es Ry Cooders Gitarren-Teppich, der manche Ungereimtheit verschleift bzw. überspielt. Denn wie oft bei Wenders hat man das Gefühl, seine Absichten bedürften der ordnenden Hand eines Dramaturgen. Angerissene Beziehungen, angedeutete Kausalitäten und blitzlichtartig beleuchtete Protagonisten gibt es zuhauf - das ist legitim. Handlungsbedingte Notwendigkeiten stets mit einer großzügigen Gebärde des Alles-gehört-immer-irgendwie-zusammen als obsolet zu erklären, kann auf Dauer jedoch nicht funktionieren. In der Unausgewogenheit epischer und dramatischer Momente droht sich Wenders' Handschrift einmal mehr zu verlieren. Daß hier einiges im argen liegt, muß er selbst gespürt haben: Vehikel wie die erklärende Off-Stimme (die zudem mit billigen psychoanalytischen Erklärungen aulwartet) und mit "4 Wochen später"-Schrifttafeln überbrückte Zeitsprünge, zeugen vom Versuch der Straffung, verraten aber auch dramaturgische Unsicherheit.Wenders ist nach 15 Jahren an die amerikanische Westküste zurückgekehrt - seine persönliche Abrechnung mit den Mechanismen Hollywoods bildet eine reizvolle Metaebene des Films. Nach "Der Stand der Dinge" (fd 23 696) ist "Am Ende der Gewalt" die zweite Arbeit, die sich indirekt mit dem traumatischen Erlebnis des Debakels mit "Hammett" (fd 23 774) auseinandersetzt. (Nicht zufällig spielt Hammett-Darsteller Frederic Forrest hier eine Nebenrolle als Polizist.) Jene Szene, in der Udo Kier als ungarischem Regisseur mitten in der Aufnahme mit der Begründung, das Geld sei alle, der Strom abgedreht wird, dürfte persönlichem Erleben abgeleitet sein. Und schließlich Samuel Fuller in seinem letzten Film! Wie in Mika Kaurismäkis "Tigrero" (fd 30 933) fungiert er bei Wenders als gutes Gewissen der geliebt-verhaßten Traumfabrik, als Rudiment einer leidenschaftlichen Filmkultur, die im Lauf der Jahrzehnte ins Abseits gedrängt wurde. Es ist wiederum nicht ohne Ironie, daß sich mit Buena Vista ein Verleih jener filmgewordenen Zivilisationskritik namens "Am Ende der Gewalt" angenommen hat, der dem weltgrößten Medienkonzern angehört: dem Walt-Disney-Imperium.
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