Widerstand und Kontrolle - Yorgos Lanthimos

Gesellschaftliche Macht wird in den Filmen des griechischen Regisseurs Yorgos Lanthimos regelmäßig angegriffen und oft auch überwunden. Sein neuer Film „Poor Things“ ist nur das jüngste Beispiel seiner Emanzipationsgeschichten, die umfassend das Ansinnen bekämpfen, kontrolliert und eingeschränkt zu werden. Bei aller Groteske und Tragik führen Lanthimos’ komplexe Werke vor, wie sozialer Wandel möglich wird. Ein Essay über bislang zu wenig gewürdigte Aspekte im Œuvre des Regisseurs.

Von Sebastian Seidler

Königinnen unter sich - Sofia Coppola

Rund 25 Jahre, nachdem sie mit „The Virgin Suicides“ erstmals von sich reden machte, sorgt Sofia Coppola derzeit mit ihrem neuen Film „Priscilla“ für Aufsehen. Einmal mehr setzt sich die Filmemacherin darin mit einer weiblichen Coming-of-Age-Geschichte auseinander und blickt aus weiblicher Perspektive auf ein Stück Popkultur. Mit ihren Arbeiten ist sie zur Wegbereiterin für eine neue Generation von Filmemacherinnen mit eigenen Perspektiven, Visionen und Ausdrucksweisen geworden.

Von Sofia Glasl

Das Unsagbare - Tatsuya Nakadai

Vor allem seine Rollen für Akira Kurosawa haben den japanischen Schauspieler Tatsuya Nakadai weltbekannt gemacht, vom schusswaffenverliebten Jungspund in „Yojimbo“ bis zum greisen Fürsten in „Ran“. Der am 13. Dezember 1932 geborene Darsteller hatte seinen Durchbruch mit dem dreiteiligen Antikriegsfilm „Barfuß durch die Hölle“ und bewährte sich in Samurai-Filmen, Genreparodien und ernsten Gesellschaftsdramen. Gemeinsam ist all seinen klassischen Rollen die Betonung seiner beredten Augen, in denen sich Tragik wie dämonische Züge abbilden können.

Von Karsten Munt

Die Logik des Kino-Traumwandelns - Timm Kröger

Mit „Die Theorie von allem“ lief 2023 endlich mal wieder ein deutscher Film im Wettbewerb von Venedig – und zwar einer, der es in sich hat: Regisseur Timm Kröger legte mit dieser in Schwarz-weiß gedrehten Mystery-Geschichte über seltsame Begebenheiten bei einem Physiker-Kongress in den Graubündner Alpen des Jahres 1962 einen der außergewöhnlichsten Beiträge des Festivals vor und ist nun der deutsche Regie-Shooting-Star der Stunde. Ein Porträt.

Von Rüdiger Suchsland

In weiter Ferne, so nah - Wim Wenders, der Künstlerfilm und 3D

Mit seinem Film „Anselm – Das Rauschen der Zeit“ (ab 12.10. im Kino) wirft Filmemacher Wim Wenders einen poetischen Blick auf die Werke und Gedanken seines Freundes Anselm Kiefer. Ein weiterer Film, in dem sich Wenders dem Schaffen eines anderen Künstlers widmet, und zwar in 3D, einer Technik, die mittlerweile schon wieder aus der Mode ist, von Wenders aber einmal mehr kongenial genutzt wird.

Von Daniel Kothenschulte

Torkeln am Abgrund - Caleb Landry Jones

Mit seinem markerschütternden Auftritt in Luc Bessons „Dogman“ könnte sich Caleb Landy Jones erstmals auf „Oscar“-Kurs befinden. Der 1989 in Texas geborene Schauspieler wurde mit seiner Nebenrolle in „X-Men: Erste Entscheidung“ einem breiteren Publikum bekannt, hat sich aber seitdem eher im Independent-Kino auf abgründige, beschädigte Charaktere spezialisiert. Ein Porträt.

Von Esther Buss

Unterwegs im „Taylorverse“ - Taylor Sheridan

Der 1970 geborene Texaner Taylor Sheridan hat mit der Western-Serie „Yellowstone“ einen Erzählkosmos ins Leben gerufen, in dem er alle kreativen Zügel in der Hand hält. Wie schon in seinen Film-Drehbüchern zu „Hell or High Water“ oder „Wind River“ kreisen Sheridans Serien um das Absterben des „American Way of Life“ und den Versuch, das Recht in die eigenen Hände zu nehmen. Das scheint konservativen Ideen in die Hände zu spielen, doch lässt der Filmauteur einfache Zuschreibungen nicht zu.

Von Chris Schinke

Entsättigte Klangfarben - Hildur Guđnadóttir

Jenseits großer Orchesterklänge und eingängiger Melodien hat sich die Isländerin Hildur Guđnadóttir in den letzten Jahren zu einer der aufregendsten internationalen Filmkomponistinnen entwickelt. Für ihre Musik zu „Joker“ wurde sie mit einem „Oscar“ geehrt; aktuell ist ihre Arbeit für Kenneth Branaghs „A Haunting in Venice“ zu hören. Ein Porträt.

Von Jörg Gerle

Pastiche und Proletariat - Die Welt von Aki Kaurismäki

Der finnische Regisseur Aki Kaurismäki erschafft in seinen Filmen seit vierzig Jahren eine ganz eigene Welt. Unmittelbar erkennbar ist sie an seinen gedemütigten, einsamen Figuren aus der Arbeiterklasse, der Lakonie und der Musik, aber auch an der Sehnsucht nach Romantik und einem besseren Leben. Und an einem unbedingten Optimismus, der bei Kaurismäki weder aufgesetzt noch pathetisch wirkt, sondern vielmehr logischer Ausdruck des Widerstands gegen menschliche Erniedrigung ist.

Von Patrick Holzapfel

Tausend Seiten Liebe - Ein Porträt von Ira Sachs

Der 1965 in Tennessee geborene Filmemacher Ira Sachs hat sich vor allem mit seinen in New York spielenden Werken einen Namen gemacht, die sich zwischen autobiografischen Elementen und Referenzen an die Filmgeschichte verorten lassen. Liebesgeschichten, soziale Gegensätze und die Frage nach den Grenzen der Freiheit durchdringen seine Filme wie aktuell das in Paris spielende Drama „Passages“. Die Aufmerksamkeit für Details macht seine Filme dabei so seltsam wie schön.

Von Karsten Munt