Biografischer Spielfilm über die französische Malerin Séraphine Louis (1864-1942), eine bedeutende Vertreterin der "Naiven Malerei". Der bewegende Film skizziert das tragische Schicksal der aus einfachen Verhältnissen stammenden Künstlerin, deren Talent erst 1912 von einem Kunstsammler entdeckt und gefördert wurde. Bestechend fotografiert und brillant gespielt, rollt der Film das Anmaßende des zeitgenössischen Denkens auf und unterzieht die historische Idee einer "unverfälschten Ursprünglichkeit" einer grundlegenden Revision.
- Sehenswert ab 14.
Séraphine
Biopic | Frankreich/Belgien 2008 | 131 Minuten
Regie: Martin Provost
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Filmdaten
- Originaltitel
- SERAPHINE
- Produktionsland
- Frankreich/Belgien
- Produktionsjahr
- 2008
- Produktionsfirma
- TS7Climax/France 3 Cinéma/RTBF
- Regie
- Martin Provost
- Buch
- Marc Abdelnour · Martin Provost
- Kamera
- Laurent Brunet
- Musik
- Michael Galasso
- Schnitt
- Ludo Troch
- Darsteller
- Yolande Moreau (Séraphine Louis) · Ulrich Tukur (Wilhelm Uhde) · Geneviève Mnich (Mme Duphot) · Anne Bennent (Anne-Marie Uhde) · Serge Larivière (Duval)
- Länge
- 131 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Biopic
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Der jüdisch-deutsche Kunstsammler Wilhelm Uhde zieht 1912 nach Senlis, ein Örtchen nördlich von Paris, um sich dem Schreiben zu widmen, namentlich dem Nachdenken über Picasso und die moderne Malerei, zu deren Förderern er gehört. Wie es der Zufall will, entdeckt er aber ein weiteres künstlerisches Talent, seine Zugehfrau Séraphine Louis, deren Mentor er wird. Da in der Regel kaum jemand etwas von ihr gehört hat, bleibt die Spannung bis zum bitteren Ende des Filmes erhalten.
„Séraphine“ ist ein Biopic über die gleichnamige Malerin, die damals noch als Séraphine de Senlis gehandelt wurde. Der erste Spielfilm des französischen Theater- und Filmschaffenden Martin Provost wirft exemplarisch zentrale Fragen der Kunstkritik auf: Was ist Kunst? Wie funktioniert ihre Beurteilung? Wer ist warum erfolgreich? Mit diesem poetisch-sperrigen Werk räumte er gleich sieben „Césars“ ab.
Yolande Moreau spielt die Künstlerin. Kind armer Eltern, unansehnlich, blieb sie ihr Leben lang deklassiert, mit Ausnahme der Monate, in denen Uhde ihr zu Ruhm verhalf. Inspiriert von der Natur und Formen der katholischen Kirchenkunst wie Bleiglasfenster, schuf die Malerin Bilder von „großer Intensität“, beispielsweise zwei Meter hohe abstrakte Bilder von sich insektenhaft bewegender Flora, in Farben, die sie selbst aus Blut, am Altar geklautem Kerzenwachs, giftgrünen getrockneten Kräutern etc. mischte. Was Theo van Gogh verzweifelt über seinen Bruder schrieb („Hat mit dem, was man Konventionen nennt, gebrochen“), gilt auch für sie – mit verschärften Konsequenzen durch die Faktoren Gender und Klasse. Das Außenseitertum war, neben ihrem Talent, die Basis, auf der Uhde, homosexuell und staatenlos, zunächst ein Band mit ihr schmiedet; dabei bleibt die Rolle des „Interpreten der Naiven Malerei“ zwiespältig. Menschlich ist er, packend verkörpert von Ulrich Tukur, oberflächlich, ein Dandy mit merkantilem Geist. Sekundiert wird er von seiner Schwester, zurückhaltend-brillant gespielt von Anne Bennent.
Geschichtlich rollt der Film das Anmaßende eines Elitarismus auf, der in romantischer Tradition des 19. Jahrhunderts die „unverfälschte Ursprünglichkeit“ in der expressiven Abstraktion der so genannten „primitifs moderns“ oder „Naiven Kunst“ zwar feiert, ihr aber geflissentlich das eigentlich Kulturelle, nämlich die Kunst der Wahrnehmung, die Übung, den Einfluss auf Generationen westlicher Künstler, bis heute abspricht. Martin Provost stellt „S. Louis“, wie sie ihre Werke signierte, neben den „Zöllner Rousseau“, dessen Dschungelbilder Uhde ausstellte, oder zu „Grandma Moses“ (Anna Mary Robertson) in den USA. Dies macht er mit atemberaubenden Bildern, einer bewegend erzählten Geschichte und mit Schauspielern, die zu den besten ihres Sprachraums zählen.
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