Julian Jarrolds Adaption von Evelyn Waughs 1944 erschienenem Roman „Wiedersehen mit Brideshead“ ist vor allem eine Wohltat für die Augen: Der Blick kann sich ausruhen in den weiten Landschaften um das Anwesen der britischen Adelsfamilie Marchmain, im Park mit dem italienischen Brunnen, in den schattigen, von Gemälden geschmückten Hallen, auf den geschmackvollen Kostümen. Wie Waughs Prosa entwerfen diese Bilder Schloss Brideshead als eine Welt von ausgesuchter äußerer Schönheit – und atmen zusammen mit der Hauptfigur Charles Ryder eine leise Trauer darüber, dass die Menschen, die dieses Arkadien in den 1920er- und 1930er-Jahren bewohnen, es nicht mehr recht mit Leben füllen können. Charles, der Mittelklasse-Sohn und angehende Maler, der mit offenen Augen die Schönheit sieht, wird verwickelt in den Niedergang einer Familie, der die Bürde strenger Frömmigkeit förmlich das Blut abschnürt. Neben den Bildern, die sanfte, gedämpfte Farben bevorzugen, trägt auch die Erzählform einen elegischen Ton in den Film: Wie im Roman eröffnet und endet alles mit einer Rahmenhandlung. Diese spielt während des Zweiten Weltkriegs und zeigt, wie Hauptmann Charles Ryder lange Jahre, nachdem er den letzten Kontakt zu den Marchmains hatte, nach Brideshead zurückkehrt, das mittlerweile als Feldlager dient: Paradise lost.
Nach der mustergültigen britischen Fernsehserie von Anfang der 1980er-Jahre (u.a. mit Jeremy Irons und Claire Bloom) ist Jarrolds Version die zweite Umsetzung von Waughs „grimmer kleiner Menschentragödie“. Da das Geschehen hier auf Spielfilmlänge eingedampft wurde, nahmen sich die Drehbuchautoren Jeremy Brock und Andrew Davies notgedrungen viele Freiheiten – und sind dabei (großteils) sehr geschickt zu Werke gegangen. So entfaltet der Film, während er die Stimmung des Romans sensibel einfängt, gleichzeitig eine große Eigenständigkeit. Die vielseitigen Beziehungen der Hauptfigur werden zugespitzt auf eine tragische Dreiecks-Konstellation.
Während des Studiums in Oxford schließt Charles Freundschaft mit dem exzentrischen, aber auch labilen Sebastian Flyte, dem jüngeren Sohn der Marchmains, und wird von ihm auf Brideshead eingeführt. Während sich Sebastian im Schoß seiner Familie und vor allem unter der Fuchtel seiner frommen Mutter eingeengt fühlt und die Zweisamkeit mit dem Freund bevorzugt (für den er unausgesprochene, das Maß von Freundschaft überschreitende Gefühle zu hegen scheint), verliebt sich Charles allmählich in Sebastians schöne, kapriziöse Schwester Julia. Als Sebastian bei einem gemeinsamen Urlaub in Venedig beobachtet, wie Charles und Julia sich küssen, kollabiert die fragile menage à trois: Sebastian rutscht ab in die Alkoholsucht, Charles fällt bei der majestätisch strengen, die Geschicke der Familie leitenden Mutter Marchmain in Ungnade, Julia heiratet den neureichen Rex Mottram. Als sich Julia und Charles, der mittlerweile als Maler Karriere gemacht hat und ebenfalls verheiratet ist, nach Jahren während einer Ozeanüberfahrt wieder begegnen, scheint sich doch noch eine Aussicht auf ein gemeinsames Glück zu bieten. Doch Julias katholischer Glaube, der die Scheidung und das Zusammenleben mit einem anderen Mann verbietet, stürzt sie in einen tiefen Gewissenskonflikt.
Durch die Engführung auf dieses unglückliche Liebesdreieck – im Roman beginnt die Liaison zwischen Charles und Julia erst viele Jahre, nachdem die Freundschaft mit Sebastian bereits zerbrochen ist – geht notgedrungen einiges verloren, was in Waughs Roman angelegt ist: die Konturen eindrucksvoller Nebenfiguren, die Vielfältigkeit des mit feiner Ironie gezeichneten Panoramas einer Upper Class, die an der historischen Bruchstelle zwischen traditionalistischer Adelsgesellschaft und kapitalistischer „High Society“ steht. Starke Nebendarsteller wie die in statuarisch-kalter Grandezza glänzende Emma Thompson können das nur bedingt ausgleichen. Dafür vermittelt Jarrolds Verfilmung dramaturgisch jedoch überzeugend die unter der gediegenen Oberfläche schwelende Agonie der drei Protagonisten, die im Spannungsfeld auseinander strebender innerer und äußerer Zugkräfte nicht zueinander finden können, und vermeidet damit jenes Übel, an dem viele Literaturadaptionen scheitern: das Sich-Verzetteln in der Fülle der Figuren und Episoden.
Letztlich gelingt es, in diesem klug eingegrenzten Mikrokosmos viel von jenem Epochen-Bild zu spiegeln, das Waugh im facettenreicheren, weiteren Rahmen entwirft. Der Film überzeugt dabei nicht nur durch seine visuelle Schönheit, sondern auch durch eine unaufgeregte Inszenierung, die bis auf wenige Ausrutscher melodramatische Effekte meidet. Auch der britische Schauspieler Matthew Goode, der als Charles Ryder in die Fußstapfen von Jeremy Irons tritt, enttäuscht die Hoffnungen nicht, die sein Auftritt in Woody Allens „Match Point“
(fd 37 397) weckte. Weniger leidend-melancholisch als Irons, wirkt seine Rolleninterpretation etwas stabiler – und kühler, was im Zusammenspiel mit Ben Wishaw Sinn macht, dessen Part hier mehr Gewicht als in der Serie erhält und dessen „Martyrium“ im Kontrast zu Goodes Haltung umso drastischer ausfällt.