"Quiz Show" ist einer jener seltenen Filme, in denen Hollywood das Selbstverständnis und Selbstbewußtsein der amerikanischen Nation einer kritischen - hinter hoher Unterhaltungsqualität getarnten - Überprüfung unterzieht. Ähnlich wie in Paddy Chayefskys und Sidney Lumets "Network"
(fd 20 231) ist es das Fernsehen, sein Glanz, seine Macht und seine Verführungskraft, die den Hintergrund dafür abgeben. "Quiz Show" weist zurück in die 50er Jahre, als Millionen und Abermillionen von Amerikanern die abendlichen Herausforderungen ihrer Quiz-Idole mit ebensolcher fanatischer Süchtigkeit verfolgten wie heute nur noch die destruktiven Mutmaßungen im Umfeld von 0. J. Simpson. Es ist die Zeit des Nachkriegsoptimismus, des kapitalistischen Traums von Aufstieg und Erfolg, in der man sich ebenso an den kleinen jüdischen Außenseiter wie an den gelackten jungen Literaturprofessor klammerte, wenn ihnen im gleißenden Licht der Fernsehstudions Woche für Woche das große Geld in den Schoß fiel. Denn das war der Grund aller Faszination: nicht die (scheinbar) demonstrierte unglaubliche Intelligenz, sondern der Wettlauf um den Dollar."Quiz Show" erzählt von einem Ereignis, das die ganze Nation als Betrug an ihren Traditionen und Idealen empfand, von dem Regisseur Roben Redford (in einem Interview mit der
"New York Times" ) meint, es habe das Wort "Ethik" aus dem amerikanischen Wortschatz gestrichen, ähnlich wie in den letzten Jahrzehnten das Wort "Scham" dem Vergessen überantwortet worden sei. Die Quiz-Show, um die es geht, hieß "Twenty-One" und war eine der beliebtesten Sendungen des US-Fernsehens, bis sie 1958 zum Anlaß eines Skandals wurde, der als symbolisch angesehen werden kann für den allmählichen Verlust der "Unschuld", der während der 50er Jahre in den bis dahin scheinbar festgefügten amerikanischen Familien Platz griff. Der bisherige Held der Show, ein nahezu unschlagbarer Jude aus kleinen Verhältnissen, mußte einem attraktiveren weißen Dozenten weichen und stürzte das NBC-Network in einen öffentlichen Aufruhr. Er beschuldigte den Sender und dessen Produzenten der bewußten und geplanten Irreführung des Publikums. Alle Fragen und Antworten der Show seien vorher mit ihm abgesprochen worden. Als dann die Ratings eines Tages nicht weiter stiegen, habe man ihn fallen lassen; es gebe keinen ersichtlichen Grund, daß sein illustrer Nachfolger nicht Teil desselben Komplotts sei.Es spielt kaum eine Rolle, aber es ist so: Der Film beruht auf Tatsachen. Das unehrenhafte Komplott hat stattgefunden. Geradeso, wie der verbitterte Verlierer es beschrieb. Hier und da verfährt "Quiz Show" etwas frei mit den Fakten, so zum Beispiel in der stark dramatisierten Rolle, die ein junger Anwalt bei der Aulklärung des Skandals spielt; doch alles in allem hat es sich so zugetragen. Oft leiden Filme, die bei den Tatsachen bleiben wollen, an zu trockener Lehrhaftigkeit. Nicht so Redfords "Quiz Show". Der ist ein außergewöhnlich animierender Film geworden, hinter den Bildern angestachelt von einem der besten Drehbücher, das Hollywood seit langer Zeit gesehen hat. Es wurde geschrieben von Paul Attanaslo, einem früheren Filmkritiker der
"Washington Post". Den Namen sollte man sich merken. Attanasio trägt ebenso scharf profilierte Dialoge von ethischen Konflikten unbelasteter Geschäftsleute wie ironische Seitenhiebe auf die Gesellschaftsstruktur des Amerikas der 50er Jahre bei. Die Figuren gewinnen dadurch über den Einzelfall hinausweisendes Gewicht und müssen für die Darsteller schon beim Lesen der Rollen eine reine Freude und Herausforderung gewesen sein.Robert Redford als Regisseur beweist aufs neue seine Sicherheit im Umgang mit Schauspielern. Doch die eigentliche herausragende Leistung ist die (ganz beiläufige) Rekreation einer Periode des Übergangs, in der die heroisch-spartanische Ära der Eisenhower-Zeit den Zugang zu erneuertem Selstbewußtsein und Fortschrittsglauben fand. Nicht zuletzt sind es die glaubwürdigen Interieurs einer modischen Renaissance, mit deren äußerlichen Attributen die Kompensation bürgerlicher Miefigkeit durch Erfolg und Karriere symbolisiert werden, die den Film zum Anfassen echt erscheinen lassen. In solcher Umgebung gediehen nicht nur die uneingestandenen Animositäten zwischen Juden und weißen angelsächsischen Protestanten, sondern manifestierte sich auch die zunehmende Kontroverse zwischen traditionsbewußter Intelligenz und geschäftstüchtigen Pragmatikern. "Quiz Show" spiegelt das alles, ohne es akademisch aufs Podest zu heben. Redfords behende und bewegliche Inszenierung - im Rhythmus das gerade Gegenteil seines kontemplativen letzten Films "Aus der Mitte entspringt ein Fluß"
(fd 30 198) - macht es möglich, sich gut unterhalten zu fühlen, obwohl es um fundamentale Dinge geht.