Brisanter Dokumentarfilm über die Veränderungen in der schweizerischen Landwirtschaft, die auf technischen Fortschritt setzt, um im globalen Wettkampf bestehen zu können. Der nach "Sennen-Ballade" (1996) zweite Teil der "Bauern-Trilogie" von Erich Langjahr, dessen beobachtend-neutraler, um Wahrheit bemühter Stil die Widersprüche der Gegenwart ebenso offen legt wie verständlich macht und eine Ahnung von der missachteten Würde der Tiere vermittelt. (O.m.d.U.)
- Sehenswert ab 14.
Bauernkrieg
Dokumentarfilm | Schweiz 1998 | 84 Minuten
Regie: Erich Langjahr
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Filmdaten
- Originaltitel
- BAUERNKRIEG
- Produktionsland
- Schweiz
- Produktionsjahr
- 1998
- Produktionsfirma
- Langjahr Filmprod.
- Regie
- Erich Langjahr
- Kamera
- Erich Langjahr
- Musik
- Mani Planzer
- Schnitt
- Erich Langjahr · Silvia Haselbeck
- Länge
- 84 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Es gibt sie noch: wirkliche Dokumentarfilme und Dokumentaristen, die dem Anspruch auf filmische Wahrheit nicht mit einem Schulterzucken begegnen. Der Schweizer Erich Langjahr ist einer von ihnen. Seit bald zehn Jahren arbeitet er an seiner „Bauern-Trilogie“ über die schweizerische Landwirtschaft, deren Spannweite sich nach dem zweiten Teil inzwischen erahnen lässt: Mit „Bauernkrieg“ ist er nach „Sennen-Ballade“ (fd 34 091) nicht nur in der agrarischen Gegenwart, sondern inmitten der ratlosen Moderne angekommen. Die Welt, die dabei im Spiegel seiner unkommentierten Bilder sichtbar wird, ist weder beschaulich noch schön - und hat manchen schon aus dem Kinosaal vertrieben, der den Zumutungen dieser Wirklichkeit nicht standhalten wollte.Wie in „Sennen-Ballade“ sieht man am Beginn von „Bauernkrieg“ bodenständige Burschen mit markanten Gesichtern und kräftigen Händen, die für ihre wirtschaftliche Existenz streiten: 1992 bei einer großen Demonstration in Luzern noch friedlich, am Ende des Film und vier Jahr später in Bern unter Tränengas und Schlagstöcken. Im Unterschied zu 45sekündigen Nachrichtenbeiträgen dienen Langjahrs Aufnahmen nicht als „Eyecatcher“ oder Unterfutter für verbale Informationen: die Bilder transportieren den ganzen Sinngehalt, wobei die ruhige, abwechslungsreiche Gestaltung, die viel zu sehen - und zu verstehen - gibt, genügend Spannung erzeugt und auch für einen respektablen Unterhaltungswert sorgt. Nach zehn Minuten wechselt der Film, der sich in vier Kapitel gliedern ließe, zu einer Hofversteigerung im Kanton Luzern: Milchkühe, Gerätschaften und das ganze bewegliche Inventar werden meistbietend an den Mann gebracht. Die alten Pächter gehen in Ruhestand; der Eigentümer, ein Unternehmen, will die Grundstücke in Bauland umwandeln, obwohl der Sohn den Hof gerne weitergeführt hätte. Kein Einzelfall, wie ähnliche Versteigerungen zeigen. In welchem Maße sich auch in der Landwirtschaft alles „nur noch ums Geld“ dreht, klingt implizit auch im dritten „Kapitel“ an, das sich um moderne Methoden der Züchtung dreht. Minutiös erklärt ein Veterinär jeden Handgriff, mit dem er künstlich befruchtete Embryonen aus den Eierstöcken einer Milchkuh spült; ihre hohe Milchleistung qualifiziert sie als genetische Spenderin, deren Nachkommen von anderen Kühen ausgetragen werden. Das nüchterne Einmaleins ökonomischen Denkens steckt schließlich auch hinter Tierverwertungsanstalten, die Überreste aus Schlachthöfen und tote Tiere zu Tiermehl und Fett verarbeiten.Langjahr zeichnet diesen unappetitlichen Vorgang wie alles andere minutenlang und geduldig auf, ohne Häme, aber auch ohne falsche Rücksicht. Nur wenigen Dokumentarfilmer gelingt es wie ihm, die Beobachtungen der Kamera so geschickt in Bezug zueinander zu setzten, dass das Dargestellte durch seine innere Widersprüchlichkeit wie von selbst zu kontroverser Diskussion zwingt. Die quälende Sequenz aus der Verwertungsfabrik ist dabei weniger der schockierende als der logische Gipfel des Films, der nicht nur die Lage der Schweizer Bauern Mitte der 90er-Jahre und ihre Anstrengungen dokumentiert, mit Hilfe des technischen Fortschritts im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Denn mehr noch als ein aktuelles Fallbeispiel für die Kosten der Globalisierung hält „Bauernkrieg“ den Übergang einer traditionellen, eher subsistenten Wirtschaftsweise in ihre durch Technik und ökonomische Rationalität definierte neuzeitliche Gestalt fest. Langjahrs Bestreben, die Wirklichkeit nicht durch seine subjektive Brille zu betrachten, sondern ihr mit der Kamera zu begegnen, erweist seine Stärke gerade darin, dass jeder seiner Protagonisten im Recht ist - und das Ganze doch fraglich wird. Der Existenzkampf der Bauern, politisch und wirtschaftlich, bedient sich lediglich der Instrumente, die von der westlichen Zivilisation dafür ersonnen wurden. Wer - in Unkenntnis der Gegebenheit der Agrarindustrie - den Tanz um Zuchtbullen und genetische Stammbäume als Perversion erachtet, verkennt oft allzu leicht, dass sich solche Urteile aus romantischen Quellen speisen. Auf der anderen Seite aber, und auch dies ist wiederum der „unpersönlichen“ Arbeitsmethode Langjahrs zu verdanken, wächst mit Bildern wie der aus jener Knochenfabrik eine Ahnung, dass Tiere keine Sachen, sondern Lebewesen sind, für deren Würde der Menschheit noch weitgehend ein Gespür und - im philosophischen Sinne - die richtigen Begriffe fehlen.
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