Höhenangst (1994)

- | Österreich 1994 | 105 Minuten

Regie: Houchang Allahyari

Ein auf Bewährung haftentlassener junger Mann entflieht seinem tristen Wiener Milieu, um auf dem Land einen Neuanfang zu wagen. Behutsam nähert er sich einer älteren verhärmten Bäuerin an. Gemeinsam gelingt es ihnen, die selbstgewählte Isolation aufzubrechen und Lebensglück zu finden. Der Film konzentriert sich weitgehend auf die Stimmungen seiner Hauptpersonen, die er glaubhaft vermittelt. Trotz einiger Klischees und Zuspitzungen überzeugt er durch seinen Appell für die Annahme von Nähe und Geborgenheit und den Abbau von Vorurteilen und Isolation. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
HÖHENANGST
Produktionsland
Österreich
Produktionsjahr
1994
Produktionsfirma
EPO/Österreichisches Filminstitut/ORF
Regie
Houchang Allahyari
Buch
Tom D. Allahyari · Reinhard Jud
Kamera
Helmut Pirnat
Musik
Martin Lichtenwallner
Schnitt
Charlotte Müllner
Darsteller
Fritz Karl (Mario) · Dolores Schmidinger (Frau Gusenleitner) · Leon Askin (Vater Gusenleitner) · Hanno Pöschl (Marios Vater) · Michael Niavarani
Länge
105 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
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Diskussion
Nach Jahren und traumatisierenden Erlebnissen wird der 25jährige Mario aus der Haft entlassen. Doch seine Bewährung steht unter schlechten Vorzeichen. Eine der Auflagen verlangt, daß er bei seinen Eltern wohnt, und zu ihnen wird er auf keinen Fall zurückgehen. Den Kontakt mit seinem Vater, der ihn als Kind körperlich und seelisch mißhandelte, will er lieber meiden. Als sich die Zustände im Männerwohnheim als haltlos erweisen und obendrein das kriminelle Milieu lockt, nimmt Mario Reißaus. Irgendwo in der tiefsten Provinz versucht er einen Neuanfang.

Als Knecht findet er bei der Gusenleitner-Bäuerin, einer verhärmten älteren Frau, die mit ihrem alten Vater den heruntergekommenen Hof bewirtschaftet, Unterschlupf. Die wonkarge Frau, Wienerin und Stadtflüchtling wie Mario, die in der Gegend kaum Kontakte hat, bleibt auch zu ihm auf Distanz. Nur langsam, über die harte körperliche Arbeit kommt man sich näher, und als der junge Mann einmal ausdrücklich Lob einfordert, gibt sich die Bäuerin einen Ruck. Das Eis ist gebrochen. Es schmilzt vollends, als der alte Bauer und Mario eine Protestaktion gegen eine geplante Schnellstraße durchführen, die ihnen auch im Dorf Anerkennung einbringt. Mario empfindet zum ersten Mal in seinen Leben Wärme und Geborgenheit, fühlt sich dazugehörig.

Die Annäherung der so ähnlichen scheuen Menschen findet ihren Höhepunkt in einer Liebesnacht, danach herrscht Zärtlichkeit zwischen Bäuerin und Knecht und tiefes Verständnis. Doch die mühsam erarbeitete Idylle zerbricht, als Marios Vater auftaucht und den Jungen zurückholen will. Plötzlich wissen die Dorfbewohner um Marios Vergangenheit, viele Freundschaften sind fortgewischt. Mario flieht und droht der ihn einkesselnden Polizei, sich von einem Silo zu stürzen. Es ist ihm ernst, auch der Freund und Bewährungshelfer ist machtlos, doch der Gusenleitnerin, die ihm in luftiger Höhe zuredet, gelingt die Rettung. Aus Liebe und Zuneigung hat sie ihre Höhenangst überwunden, vielleicht kann Mario seine Lebensangst überwinden?

An Anfang und Ende spielt der Film mit seinem Titel, suggeriert Höhenangst. Die Kamera schraubt sich in nächtliche Häuserschluchten, fliegt über triste Landschaften, zeigt die einzelnen Stationen das Films aus schwindelnder Höhe. Dann taucht sie hinein in den tristen Wiener Arbeiteralltag, zeigt eine trostlose Stadt, bewohnt von traurigen, einsamen Menschen, deren Not sich immer wieder in Aggressionen entlädt. Trostlos sind zunächst auch Land und Leute. Wortkarge Typen in verräucherten Wirtsstuben, tumbe, fast bis zur Karikatur verzeichnete Dorftrottel. Doch das Bild von diesen Menschen wandelt sich, wenn man näher hinschaut, wenn Fremde in Vertrautheit umschlägt. Das gilt insbesondere für die Familie Gusenleitner, die ihrem Knecht zunächst mit Argwohn und übersteigerter Reserviertheit begegnet, sich ihm dann ganz vorsichtig annähert und später das Zusammenleben auf dem Hof familiäre Formen annimmt. Man merkt diesen drei Menschen an, wie wohl sie sich in ihrer Situation fühlen, wie sehr ihnen Geborgenheit und Nähe gefehlt haben.

Die Schauspieler drücken dieses Wohlbefinden nicht durch einen Überschwang der Gefühle aus, sondern es sind kleine Gesten -ein liebevoller Blick, die Andeutung eines Lächelns, die Veränderung der Körperhaltung -, die die positive Veränderung in ihrem Leben signalisieren. Der iranische Regisseur Houchang Allahyari, auf dem Gebiet des Films ein Autodidakt, weiß seinen Beruf in diesen Szenen bestens einzubringen. Als Psychiater und Neurologe kennt er sich mit Stimmungen und Stimmungsschwankungen der Menschen aus, weiß um die nuancierte Abstufung der Emotionen, in denen sich die Befindlichkeit seiner Charaktere ausdrückt. Von der psychologischen Seite ist ihm ein weitgehend überzeugender Film gelungen, auch wenn die vielen Rückblenden am Anfang des Films, die gesuchte Tristess und die geradezu "klassische" Sozialisation seines Hauptdarstellers voller Klischees sind. Aber vielleicht ist das Leben ja selbst eine Anhäufung von Klischees und die Erwartung an das Kino immer wieder die trügerische Hoffnung auf das Originäre.
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