Todas - Am Rande des Paradieses

Dokumentarfilm | Deutschland 1996 | 96 Minuten

Regie: Clemens Kuby

Dokumentarischer Essay über das südindische Volk der Todas, eine nur 1000 Mitglieder umfassende Minigesellschaft, die in großer Harmonie mit der Natur lebt. Meditative Bilder vermitteln einen nachdenklich stimmenden Eindruck einer kontemplativen Kultur, in der Glück und Zufriedenheit nicht an Arbeit oder Aktivität, sondern an Ruhe und stillen Genuß geknüpft sind. Trotz subjektivem Blickwinkel und mancher Einseitigkeit das eindringliche Porträt einer fremden Lebensweise mit hohem zivilisationskritischem Potential. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1996
Produktionsfirma
Kuby Film TV/Bayerischer Rundfunk
Regie
Clemens Kuby
Buch
Clemens Kuby
Kamera
Alok Upadhyaya · Sameer Sabnis
Musik
Büdi Siebert
Schnitt
Barbara de Pellegrini
Darsteller
Andrea Jonasson (Erzählerin) · Gisela Hoeter · Katharina Müller-Elmau · Alois Maria Giani · Hubertus von Lerchenfeld
Länge
96 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Diskussion
Kaum ein anderer deutscher Dokumentarfilmer genießt so große Popularität wie Clemens Kuby: Mehr als eine halbe Million Menschen wollten im Laufe der letzten zehn Jahre seine "Buddhismus-Trilogie" ("Das alte Ladakh", fd 25 757; "Tibet - Widerstand des Geistes", fd 28 192; "Living Buddha - Das wahre Gesicht", fd 30 750) im Kino sehen. Auch in seinem neuen Film begibt sich Kuby wieder auf spirituelle Spurensuche, diesmal zu einem kleinen südindischen Stamm, den Todas. Seit Jahrhunderten lebt die nur etwa tausend Mitglieder zählende Ethnie auf einem schwer zugänglichen Plateau der Nilgri-Berge, wo sie ein beschauliches, fast kontemplatives Dasein führt: Ackerbau, Viehzucht oder Handwerk sind den Todas so fremd wie Krieg oder Kalender. Die Todas ernähren sich von der Milch freilebender Büffel und dem, was sie im Dschungel finden, sie pflegen eine eigene Sprache und Mythologie und verfügen über erstaunliche medizinische Kenntnisse, unter anderem über eine gut funktionierende Geburtenkontrolle. Ihre Traditionen beruhen auf mündlicher Überlieferung, da sie kein Schriftsystem kennen. Bis heute rätseln die Anthropologen über die Herkunft des Stammes, der kaum Gemeinsamkeiten mit den umliegenden Nachbarvölkern aufweist. Die Todas sind in Clans organisiert und leben verstreut in kleinen Gruppen, wobei Ehe und biologische Vaterschaft nur untergeordnete Rollen spielen: "Scheidung", Partnerwahl oder Polygamie sind durchaus üblich, wenn bestimmte soziale Regeln beachtet werden. Die religiöse Vorstellungswelt der Todas ist animistisch: sie verehren keine Götter, beten aber zu ihren Ahnen und den Geistern, wie sie auch mit Bäumen, Steinen oder vertrauten Orten sprechen und ihre Büffel wie das Gras als heilig betrachten.

Eingebettet in eine unberührte Naturlandschaft, die für die Fuchsjagden der englischen Kolonialherren lange per Dekret vor jedem äußeren Zugriff geschützt war, vermitteln die meditativen Bilder tiefe Einblicke in eine kontemplative Kultur, in der Glück und Zufriedenheit nicht mit Aktivität oder Arbeit, sondern mit Ruhe und stillem Genuß verknüpft sind. Ein Paradies, in dem die Menschen in großem Einklang mit sich und: der Natur zu stehen scheinen; ein irdischer Garten Eden, aus dem die Vertreibung indes ebenso schon begonnen hat: Dem Einbruch der lärmenden Moderne, die den Urwald rodet, die Flüsse verseucht oder mit Alkohol und käuflichen Vergnügungen lockt, sind die Todas nahezu hilflos ausgeliefert. Aber auch innerhalb der Minigesellschaft gärt es, seitdem die Frauen ihre kultische Unreinheit und ihren Ausschluß aus dem Stammesrat in Frage stellen. Immer mehr weigern sich, ihre im Kinderalter von den Clans geschlossenen Ehen einzugehen, beharren auf ihr Selbstbestimmungsrecht und wehren sich, die alte Tradition der Vielmännerei zugunsten einer Monogamie aufzugeben, die nur ihnen, nicht aber den Männern Treue abverlangt.

Kuby schildert das anmutig-archaische Leben der Todas aus einer sehr persönlichen Sicht, indem er seine Texte und Reflexionen aus drei Reisen der alten Toda-Frau Pilgichku in den Mund legt und in Andrea Jonasson eine eindrucksvolle Erzählerin gefunden hat, deren tiefer Stimme man alte Stammesweisheiten gerne glaubt. Seine sympathische Parteinahme für die Anliegen der Toda-Frauen, die Kuby bereitwillig Auskunft geben, führt allerdings dazu, daß seine Erkundung dieses ungewöhnlichen Volkes beträchtlich in die Schieflage gerät: Die Rolle der männlichen Stammesmitglieder im Gefüge ihres kleinen Universums bleibt nicht nur unausgeleuchtet, sondern tendiert ins Negative. Ein Akzentuierung, deren Ausgang wohl darin liegt, daß sich Kuby der Weg zu dem Stamm über die Englisch sprechende Toda-Frau Vasamalli öffnet. Warum er dies aber durch antagonistische musikalische Grundmotive zusätzlich unterstrich, indem er den Frauen weiche Flötenklänge, den Männern aber hektische Rhythmen zuordnete, bleibt ebenso unverständlich wie auch der gesamte Soundtrack zu plakativer Polarisierung neigt. Dem beträchtlichen zivilisationskritischen Potential dieser sich nicht immer als subjektives Essay zu erkennen gebenden Annäherung an eine fremde Lebensweise tut dies jedoch keinen Abbruch, weil sich die Provokation über die nachdenklich stimmenden Bilder zufriedener Menschen durchaus vermittelt. Mehr Zurückhaltung oder der Versuch, trotz Engagement und Eindeutigkeit auch andere Sichtweisen zu berücksichtigen, hätte Kubys Hauptanliegen sicherlich mehr befördert: Die Vermittlung der ökologisch orientierten Spiritualität der Todas, die den Planeten als lebendigen Urgrund allen Seins achten und verehren.
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