Die Blicke sagen alles. Unmittelbar nachdem die junge Schauspielerin Sheryl Bradshaw ihren Text gesprochen hat, weiß sie, dass sie von diesem Vorsprechen nichts mehr zu erwarten braucht. Die beiden Männer ihr gegenüber wenden die Augen von ihr ab und tauschen sich in ihrer Gegenwart abwertend über sie aus, vergleichen sie mit einer anderen Darstellerin aus einem Film über Drogenabhängige, den sie verabscheuten. Sheryl hört sich den affektierten wie seichten Austausch eine Weile an und bricht die Begegnung dann ernüchtert ab. Überraschend ist das unschöne Erlebnis nicht, denn die Karriere der Schauspielerin tritt ergebnislos auf der Stelle, seit sie in Hollywood angekommen ist. Enttäuschung und Geldprobleme sind so gewachsen, dass Sheryl nun auf ein Angebot eingeht, das sie ohne ihre Notlage nie in Erwägung ziehen würde: ein Auftritt in der populären Fernseh-Show „The Dating Game“.
Spiel mit sexistischen Untertönen
In den 1960er-Jahren erfunden, war „The Dating Game“ über Jahrzehnte erfolgreicher Bestandteil des US-Fernsehens und fand zahlreiche internationale Nachahmer-Sendungen wie das deutsche „Herzblatt“. Im Prinzip eine Versteigerung von Junggesellinnen oder Junggesellen vor Studiopublikum, führt der Thriller „The Dating Game Killer“ vor, dass sich im Jahr 1978 noch kaum jemand an den sexistischen Elementen der Show stört. Als Ausnahme zeigt die US-Darstellerin Anna Kendrick in ihrem Regiedebüt die von ihr selbst gespielte weibliche Hauptfigur Sheryl Bradshaw, der bereits bei der Vorbereitung auf ihren Auftritt das Gruseln kommt. Teilnehmerin wird sie dennoch und damit Ziel der anzüglichen Bemerkungen von Showmaster Ed Burke wie aus den Reihen der Kandidaten, die um das Date mit ihr konkurrieren, während sie stumpfsinnig lächeln und dumme Fragen von Karteikarten vorlesen soll.
Dabei ahnt Sheryl Bradshaw nicht, dass der Bewerber, der noch den passabelsten Eindruck macht und ihr als Foto-Künstler mit sportlichen Hobbys vorgestellt wird, ein brandgefährlicher Zeitgenosse ist. Die Zuschauer von „The Dating Game Killer“ hingegen haben Rodney Alcala (Daniel Zovatto) zu diesem Zeitpunkt bereits mehrfach als Frauenmörder in Aktion erlebt und dank einer Vorausblende auf 1979 auch erfahren, dass seine grausamen Taten mit dem Show-Auftritt kein Ende fanden.
Die realen Ereignisse liefern eine spannende Ausgangssituation
Drehbuchautor Ian McDonald greift dabei auf reale Ereignisse zurück: Rodney Alcala (1943-2021) und seinen Auftritt in der TV-Show hat es wirklich gegeben. Für den Film bedeutet das eine spannende Ausgangssituation, umso mehr, als Vorwissen über Alcala, seine Morde an mindestens acht, möglicherweise Dutzenden Frauen und Mädchen in den 1970er-Jahren und seinen „The Dating Game“-Auftritt nur bedingt weiterhilft, um den Handlungsverlauf vorherzusagen. Denn Anna Kendrick und Ian McDonald leisten sich manche Freiheit mit den historischen Vorgaben, angefangen bei ihrer Hauptfigur Sheryl Bradshaw, deren Schauspiel-Ambitionen pure filmische Erfindung sind. Das erlaubt es „The Dating Game Killer“, eine zumindest leichte geistige Verbundenheit zwischen Sheryl und Alcala anzudeuten, denn auch der Serienmörder drängt nicht allein in der Kuppelshow ins Rampenlicht. Seinen Opfern nähert er sich stets mit Fotoapparat und lullt sie mit Fragen nach ihrer Model-Schönheit ein, bevor er sie angreift; dass er zeitweilig aber wohl tatsächlich Foto- und Filmambitionen hegte, verraten weitere Rückblenden.
Der Eitelkeit des Mörders stellt der Film die innerlich zerrissene eigentliche Hauptfigur gegenüber, die sich zuerst nur in ihrer Integrität als Frau angegriffen sieht. Da schon früh klar ist, dass Sheryl kaum die Heldin sein wird, die den Killer endgültig stoppt, lassen Kendrick und McDonald sie auf einem anderen Schlachtfeld triumphieren. Und so fasst sich die Kandidatin alsbald ein Herz und tritt der systemischen Frauenfeindlichkeit in der Sendung kräftig gegens Schienbein.
Dramaturgisch einleuchtend, aber holprig
Aus dramaturgischen Gründen und mit Blick auf die Publikumssensibilität des 21. Jahrhunderts sind die Szenen, in denen die anfangs noch so eingeschüchterte Jung-Schauspielerin gleichsam die Sendung an sich reißt, indem sie die sexistischen Sprüche mit gewitzten Bemerkungen kontert, sehr nachvollziehbar. Umgesetzt ist das rückwirkende Umschreiben frauenfeindlicher Historie aber äußerst holprig und kaum glaubhaft. Zumal der Film wiederum nicht so weit gehen will, auf Sheryl Bradshaws Aufstand größere Konsequenzen folgen zu lassen.
Eine noch fatalere Fehlentscheidung von Ian McDonalds Drehbuch aber ist die Einführung einer zweiten potenziellen Identifikationsfigur. Unter den Studiogästen befindet sich eine Frau, deren Freundin zu den Opfern von Rodney Alcala gehörte und die bei seinem Anblick sofort die Alarmglocken schrillen hört; dass diese Laura (Nicolette Robinson) keine Entsprechung in der Wirklichkeit hatte, verrät der Film aber unfreiwillig, indem er partout nichts Vernünftiges mit ihr anzufangen weiß. Statt ihr Wissen über Alcala einzusetzen, um ihn dingfest zu machen, irrlichtert Laura von einer Station zur nächsten, ohne dass dies logisch begreifbar würde; der Kontakt mit dem immerhin denkbaren nächsten Opfer Sheryl erschöpft sich auf einen einzigen getauschten Blick.
Anna Kendrick beweist Gespür für Thriller-Spannung
Doch immer wieder erweist sich zumindest die Regie dort als effektiv, wo sich das Drehbuch schwach zeigt. Anna Kendrick demonstriert bei ihrem Debüt hinter der Kamera ein bemerkenswertes Talent für das Thriller-Genre. So bauen sämtliche Szenen, in denen Rodney Alcala seine Untaten ausführt, gekonnt eine spannungsgeladene Atmosphäre auf, bevor sie in den Attacken eskalieren, bei denen die Regisseurin die Brutalität unmissverständlich klarmacht, ohne sie visuell auszuschlachten. Packend gerät auch die Konfrontation von Sheryl und Alcala, die nach dem Ende der Sendung unweigerlich ansteht. Zudem vermag Kendrick auch die 1970er-Jahre mit Kleidung, Frisuren und Produktionsdesign, insbesondere bei der Rekonstruktion von „The Dating Game“, sorgfältig nachzubilden. Dass sie bei diesen vielversprechenden Ansätzen den Plot nicht besser in den Griff bekommt, ist daher sehr bedauerlich. Am Ende bleibt „The Dating Game Killer“ doch etwas ratlos vor seinem bizarren historischen Ausgangspunkt stehen.