Drama | Deutschland 2024 | (acht Folgen) Minuten

Regie: Christian Ditter

Als ein 17-jähriges Mädchen in einer Kleinstadt verschwindet und die Polizei monatelang im Dunkeln tappt, beschließen die Eltern mit Hilfe ihres gehörlosen Sohns, die Ermittlungen selbst in die Hand zu nehmen. Heimlich werden die Häuser der verschrobenen Nachbarn verwanzt und in den Kellern manches dunkle Geheimnis aufgespürt. Die achtteilige Serie bietet einen wilden Genre-Mix mit dramatischen und satirischen Elementen. Die Erzählung im Rhythmus der heimlichen Bespitzelungen erweist sich aber zusehends als langatmig und monoton. Gegen den Strich gebürstete Darsteller und der quietschbunte Stilwillen zeugen allerdings von inszenatorischem Mut. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Electric Eye/Apple TV+
Regie
Christian Ditter · Tobi Baumann
Buch
Oliver Lansley · Zoltan Spirandelli
Kamera
Jalaludin Trautmann
Musik
Ralf Wengenmayr · Christoph Zirngibl
Schnitt
Martin Wolf · Sandy Saffeels · Jochen Donauer · Friedemann Schmidt
Darsteller
Heike Makatsch (Carlotta) · Axel Stein (Dedo) · Lea Drinda (Wanda) · Leo Simon (Ole) · Nikeata Thompson (Michelle Rauch)
Länge
(acht Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Komödie | Serie
Externe Links
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Satirische Serie um ein Ehepaar, das in der Hoffnung, seine verschwundene Tochter wiederzufinden, die skurrile Nachbarschaft ihrer Kleinstadt verwanzt.

Diskussion

„Ich sehe aus wie Donald Trump“, murmelt Dedo (Axel Stein) seiner Frau Carlotta (Heike Makatsch) zu, weil sich in seinem Gesichts-Make-Up ein deutlicher Orange-Stich bemerkbar macht. Das Ehepaar steht kurz vor ihrem Auftritt in einer reißerischen TV-Show. Doch statt des erhofften tränenreichen Zusammenbruchs erntet das Fernsehteam von Carlotta nur einen veritablen Wutanfall – live, versteht sich. Seit über zwei Monaten verzweifelt das Ehepaar Klatt am Verschwinden ihrer 17-jährigen Tochter Wanda (Lea Drinda). Die Polizei ist planlos, die Hilflosigkeit unerträglich. Deshalb beschließen die Klatts, mitsamt ihrem gehörlosen Sohn Ole (Leo Simon) das Zepter selbst in die Hand zu nehmen – und die komplette Nachbarschaft zu verwanzen.

Willkommen im Wahnsinn von Sundersheim, einem schrulligen Städtchen, in dem die quietschbunt gekleidete Einwohnerschaft direkt einer Eiswerbung entsprungen zu sein scheint. Die kreisförmig angelegten Straßenzüge mit ihren modernen Einfamilien-Villen könnten überall in der westlichen Welt angesiedelt sein, insbesondere aber im US-amerikanischen Hinterland. Dort liegt, so hat es die Filmgeschichte häufig ausbuchstabiert, meist nicht nur der Hund begraben. Ästhetisch komplettiert der Look die Zerrissenheit einer schwarzen Komödie, in der das Leid der Klatts mit der Komik ihrer schieflaufenden Bespitzelungen gekoppelt wird.

Die Sage des Waldmonsters

Seinen Anfang nimmt alles mit „Tag 0“, zu dem die Geschichte bald zurückspringt und sich mitsamt Wandas aufmüpfigem Off-Kommentar mitten ins „Nuppelwockenfest“ wirft. Während einer Art Fastnachtsumzug versammelt sich ganz Sundersheim, um die Sage des Waldmonsters zu feiern, das sich alljährlich eine holde Jungfrau schnappt. Auch die mit einem knallroten Rotkäppchen-Cape über ihrem knallengen T-Shirt gekleidete Wanda schwingt sich nach einem Streit mit ihrer Mutter auf ihre rote Vespa und fährt in den Wald hinein, aus dem sie nicht mehr auftaucht.

„Where’s Wanda?“ dreht sich um den Schmerz der Eltern und springt dabei zwischen den Zeitebenen hin und her. „Tag 0“, also der Tag des Verschwindens, formt sich als einfallsreich eingepflegte Ziffer bis zu „Tag 5“ mit der Pressekonferenz, aus dem „Tag 68“ mit der TV-Show erwächst und so weiter. Wobei die Abfolge auf einen Tag hin fiebert: Denn ab Tag 100, so die Polizei, sinke die Wahrscheinlichkeit, eine vermisste Person noch lebendig wiederzufinden, auf unter 10 Prozent.

Für Carlotta und Dedo wird dieser Tag 100 zur wortwörtlichen „Deadline“, bis zu der sie Wanda finden müssen. Als Wandas T-Shirt in einem Altkleidercontainer auftaucht, scheint die Sache klar: Wanda muss irgendwo in der Umgebung festgehalten werden. Deshalb verwanzen die Klatts innerhalb eines kreisförmigen Radius von mehreren hundert Metern alle Häuser der Nachbarschaft.

Es ist eine relativ weit hergeholte Prämisse, die dem Elternpaar als Dreh- und Angelpunkt ihrer Bespitzelung dient und den Zuschauern als logisch und nicht als verzweifelt verkauft werden soll. Die trockene Zahlentheorie initiiert die Eigeninitiative der Klatts, macht deren Ausführung jedoch nicht unbedingt nachvollziehbarer. Ist man bereit, sich darauf einzulassen, entspinnt sich die anfangs noch unterhaltsame Verwanzungsaktion inklusive der Einblicke in die verbogenen Abgründe der Nachbarschaft.

Jeder macht sich verdächtig

Für die verzweifelten Klatts ist jeder verdächtig und wird in den einzelnen Episoden bespitzelt, die nach den in den Fokus rückenden Familien benannt sind: die Hessels, die Novaks, die Küchlers. Wobei sich im monotonen Rhythmus der achtteiligen Serie mit je 45-minütigen Folgen durchaus Ermüdungserscheinungen einschleichen. Da hilft es auch nicht, dass die gegen den Strich gebürsteten Auftritte von Joachim Król und Devid Striesow (als Carlottas prolliger Bruder Rüdiger) immer wieder für unterhaltende Zwischenfälle sorgen und sich die ersten schwulen Liebeserfahrungen von Sohn Ole verblüffend unaufdringlich in die verzweifelte Suche einzufügen wissen.

Es ist ein wilder Genre-Mix aus Familien- und Ehedrama, Crime-, Monster- und Coming-Out-Story, skurriler Vorort-Satire, Märchen und Liebesromanze. Obwohl die Handlungsfäden mit viel Sorgfalt ausgelegt werden, verheddert sich die Handlung in wohlgefälligen Auflösungen. So richtig mitreißen vermag die erste deutsche Produktion des US-Streaming-Anbieters Apple TV+ nicht. Für eine Nachfolge von internationalen Serienerfolgen wie „Dark“ fehlt die inszenatorische Dichte. Die komödiantische Interaktion zwischen Heike Makatsch als aufgescheuchter Xanthippe und Axel Stein als ihrer tollpatschigen besseren Hälfte ist auch nicht jedermanns Sache.

Enttäuschend ist zudem, dass ein solches Sujet inmitten der Wälder nicht stärker mit den Motiven der deutschen Romantik verknüpft ist, vor allem auch im Kontrast zur Moderne des überkandidelten Sundersheim. Das ist eine verpasste Gelegenheit. Immerhin beeindruckt der Mut, den Stoff einer schwarzen Komödie mit so viel buntem Stilwillen anzupacken.

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