Limbo - Gestern waren wir noch Freunde

Drama | Schweden 2023 | 270 (sechs Folgen) Minuten

Regie: Sofia Jupither

Nach einem Autounfall ihrer Söhne droht die langjährige Freundschaft zwischen drei schwedischen Frauen zu zerbrechen. Während einer der Jugendlichen mit einer Hirnverletzung im Koma liegt, zermürbt die Ungewissheit über sein Schicksal sowie Schuldgefühle Eltern wie Freunde. Gegenseitige Vorwürfe und Abgrenzungen sowie Beziehungsprobleme reißen tiefe Gräben auf. Die sechsteilige Serie kreist um die langsame Implosion gutbürgerlicher Lebensentwürfe angesichts einer Extremsituation. Die ruhige Inszenierung gibt den Darstellerinnen viel Raum, ihre Figuren in ihren Widersprüchlichkeiten und Schwächen auszuloten. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
LIMBO
Produktionsland
Schweden
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Warner Bros. Int.
Regie
Sofia Jupither
Buch
Emma Broström · Rakel Wärmländer
Kamera
Carl Sundberg
Musik
Anders Niska · Klas Wahl
Darsteller
Rakel Wärmländer (Ebba) · Sofia Helin (My) · Louise Peterhoff (Gloria) · Oscar Töringe (Fredrik) · Danilo Bejarano (Adam)
Länge
270 (sechs Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Serie
Externe Links
IMDb | TMDB

Schwedische Dramaserie um einen Freundeskreis, der durch einen tragischen Unfall der Teenager-Söhne auf eine Zerreißprobe gestellt wird.

Diskussion

Irgendwann zieht Ebba (Rakel Wärmländer) ihre Joggingklamotten an, lässt ihren Mann Fredrik (Oscar Töringe) in der gemeinsamen Wohnung stehen und geht laufen, in einem Tempo, als wären wilde Hunde hinter ihr her. Doch es nützt nichts: Der Hilflosigkeit und Ungewissheit, die Ebba aus dem Haus treiben und von denen die schwedische Serie „Limbo“ erzählt, wird sie nicht entkommen, egal wie schnell sie läuft.

In der christlichen Tradition meint „Limbus“ einen Ort zwischen Himmel und Hölle, an dem die Seelen Verstorbener ausharren, die weder als Sünder verdammt noch als fromme Getaufte erlöst sind; von dort aus entwickelte sich der Begriff zum Topos für existenzielle Zwischen- und Schwebezustände. In einem solchen Zustand befindet sich seit einem verhängnisvollen Autounfall auch Ebbas 18-jähriger Sohn Jacob. Der liegt mit einer schweren Kopfverletzung im Koma und schwebt zwischen Leben und Tod. Und auch seine Eltern und Freunde stecken in einem Limbus der Sorge: Wird Jacob es schaffen? Und falls er überlebt: Wie stark wird er durch die Hirnverletzung beeinträchtigt sein?

Warten, weglaufen, kollidieren, warten

Rakel Wärmländer, die zusammen mit Emma Bronström auch das Drehbuch der sechsteiligen Mini-Serie geschrieben hat, und Regisseurin Sofia Jupither gestalten das Szenario so, dass man die Qual dieses Festsitzens angesichts größter Angst um einen geliebten Menschen hautnah mitfühlen kann. Die Schnittfrequenz ist ruhig, die Kamera harrt lange und nahe bei den Figuren aus, während diese warten, warten, weglaufen, aneinandergeraten und wieder warten, zusammenbrechen – und weiter warten.

Erschwert wird die Situation dadurch, dass sich in Folge des Unfalls emotionale Risse durch das soziale Umfeld der Familie ziehen. Jacob war nicht allein im Auto, als er verunglückte, sondern mit zwei Freunden zusammen, deren Mütter ihrerseits mit Ebba befreundet sind. Lukas, der Sohn der Lebenspartnerin von Ebbas Freundin My (Sofia Helin), saß am Steuer und kam bei dem Unfall mit einem Kratzer davon; nun trägt er schwer an seinen Schuldgefühlen. Sebbe, der Sohn der Fotografin Gloria (Louise Peterhoff), wurde an der Lunge verletzt, leidet aber ebenfalls noch mehr an dem, was Jacob passiert ist und was er als seinen Anteil daran erachtet, als an den eigenen Blessuren.

In dieser Ausnahmesituation beginnt der Zusammenhalt der Eltern und vornehmlich der Mütter, auf denen in „Limbo“ der Fokus liegt, zu bröckeln. Die Sorge um den jeweils eigenen Sohn und andere Probleme (von denen es viele gibt, nicht zuletzt mit den jeweiligen Partner:innen) zermürben die Beziehungen. Vor allem Ebbas wachsender Groll, ja Hass auf Lukas, dem sie die Verantwortung für den Unfall zuschreibt, sorgt für Sprengstoff.

Vom Implodieren bourgeoiser Lebensentwürfe

Ähnlich wie die deutsche Serie „Die zweite Welle“ kreist also auch „Limbo“ um die langsame Implosion eines Freundeskreises im Zuge eines tragischen Ereignisses. Wobei auch hier eine Art Gesellschaftskritik mitschwingt. Wie „Die zweite Welle“ ist auch „Limbo“ in einem saturierten Mittelstands-Milieu gut ausgebildeter Großstädter angesiedelt, die als Ärztin oder Maklerin arbeiten und in Scandi-schicken Wohnungen leben; durch den Katalysator der Katastrophe werden unerbittlich moralische und emotionale Schwachstellen in ihren bourgeoisen Lebensentwürfen sichtbar.

Dabei ist „Limbo“ realitätsnäher und weniger kolportagehaft als die deutsche Serie, hat aber damit zu kämpfen, dass mitunter die Milieukritik der Empathie in die Quere kommt, die die ruhige, nahe an den (Frauen-)Figuren bleibende Inszenierung immer wieder einfordert. Oder besser: „Limbo“ lässt die Zuschauer:innen damit kämpfen, eine klare Haltung zu den Figuren zu finden, deren Sorgen und Ängste tiefes Mitgefühl erregen, während zugleich ihre Egoismen und Überheblichkeiten, ihre Verwöhntheiten und blinde Flecken immer wieder auf Distanz halten. Woraus dann ein anderes Dazwischen, ein Limbus ganz eigener Art entsteht, was der Serie trotz ihrer gemächlichen Erzählweise viel Spannung verleiht. Woran nicht zuletzt auch das großartige Schauspielerinnen-Ensemble viel Anteil hat, das sich förmlich die Seele aus dem Leib spielt, um die Qualen und Widersprüchlichkeiten der Figuren auszuloten.

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