Drama | Deutschland 2024 | 101 Minuten

Regie: Dominik Galizia

Ein arbeitsloser Gerüstbauer aus dem Ruhrpott heuert in der Boxbude auf der Kirmes an, um sich und seiner taubstummen Tochter, die er nur selten sieht, einen Urlaub am Meer zu finanzieren. Die zunächst ganz aufs Milieu zugeschnittene Mischung aus Drama und Komödie nimmt durch ihre auf 35mm-Filmmaterial gedrehten Bilder einer schillernd-unwirklichen Welt für sich ein. Allerdings setzt der Film auf zu viele Umwege und Genre-Nebenschauplätze und verliert darüber die proletarische Subkultur ebenso aus den Augen wie das Vater-Tochter-Drama. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Mutter & Vater Productions
Regie
Dominik Galizia
Buch
Dominik Galizia
Kamera
Elias C.J. Köhler
Musik
Bethany Barrett
Schnitt
Daniel Kundrat
Darsteller
Martin Rohde (Ringo) · Larissa Sirah Herden (Jenny) · Charly Schultz (Fränkie) · Margarethe Tiesel (Inge) · Peter Trabner (Der Große Hainz)
Länge
101 Minuten
Kinostart
05.09.2024
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
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IMDb | TMDB

Auf 35mm-Filmmaterial gedrehte Milieustudie über einen arbeitslosen Gerüstbauer, der in einer Boxbude anheuert, um mit seiner Tochter Urlaub machen zu können.

Diskussion

Ringo (Martin Rohde) muss sein Leben auf die Reihe kriegen. Der Chef hat den Gerüstbauer soeben mit einem „Verpiss dich“ auf die Straße gesetzt, seine Ex (Victoria Schulz) schüttelt nur noch kraftlos den Kopf über seine Verfehlungen, und selbst die Frau hinter dem Tresen, an dem Ringo seine Zeit vertrinkt, hat keine Lust mehr, ihm zum Frühstück Korn auszuschütten. Ringo braucht einen Neuanfang, und zwar vor den Sommerferien, die er zusammen mit seiner Tochter Mia (Tuba Seese) am Meer verbringen will.

Zwischen Boxbude und Riesenrad

Die Kirmes-Saison soll die Rettung sein. Doch der neue Job an der Achterbahn ist öde; dafür lockt die Boxbude gegenüber. Dass die Versprechungen, die beim Rummelboxen gegeben werden, ihr Geld selten wert sind, spielt für Ringo keine Rolle. Er will den Job, den der Besitzer Fränkie (Charly Schultz) zu bieten hat. Eine Trainingsrunde später ist Ringo das neue Schwergewicht im Stall.

Eine weitere Montagesequenz später scheint es sogar so, als habe der maulfaule, aber gutherzige Versager mit fassbreiter Brust tatsächlich einen Weg zur Nüchternheit und einem erfolgreichen Neuanfang gefunden. Denn tatsächlich gibt es hier weder Schaukämpfe, noch erweist sich Fränkie als unehrlicher Abzocker. Ringo findet sich zwischen Boxbude, Autoscooter und Riesenrad zurecht! Eine Zufriedenheit, bei der „Rock ’n’ Roll Ringo“ einige Zeit ausharrt.

Im Milieu blüht der Film auf

Der Filmemacher Dominik Galizia fühlt sich in proletarischen Subkulturen ebenso wohl wie der Hauptdarsteller Martin Rohde. Eine ähnliche Subkultur, die Welt der Berliner Eckkneipen, haben beide bereits in „Heikos Welt“ besucht. Auch „Rock ’n’ Roll Ringo“ ist um das Milieu und die Sonderlinge herum gebaut, die hier ihr Refugium finden. Wenn sie auf der Leinwand zu sehen sind, blüht der Film auf. Ex-Boxer und Rummel-Box-Patriarch Charly Schultz spielt sich selbst als Provinz-Don-King, der mit jeder Showroutine ein weiteres bisschen seiner Reibeisen-Stimme zurücklässt. Larissa Sirah Herden ist gleichermaßen toll als Autoscooter-Queen Jenny, die Ringos Gesellschaft als ausgedehnte Pause vom gewalttätigen Proletentum genießt, das sie sonst in Schach halten muss.

Als spiritueller Begleiter, dessen göttliche Zeichen die Form eines Maulschlüssels annehmen, ist Erwin Leder als Pater Petrus zur Stelle. Allerdings hat der Pater, wenn er nicht den Propheten gibt, noch einen zweiten Job: Er muss zwischen den Kapiteln des Films in Paarreimen über das verpfuschte Leben von Ringo palavern.

Der geistliche Erzähler ist emblematisch für diesen Film, der nicht dort bleibt, wo er bei sich angekommen ist, sondern der sich permanent Richtung neuer Einfälle hangelt, bis er vergisst, was er ursprünglich einmal wollte. „Rock ’n’ Roll Ringo“ arbeitet sich nicht an einem geradlinigen Konflikt entlang, sondern hängt immer etwas Neues an. Für eine Sequenz ist Ringos Boxkarriere das Ein und Alles, bei der nächsten Biegung aber ein krimineller Umweg, der ohne Motivation und Vorwarnung als weiteres Anhängsel im Film steht und ein neues Bildrepertoire mit sich bringt.

Eine schillernd-unwirkliche Welt

So hangelt sich Galizia von kleinen Box-Segmenten und Trainingsmontagen zum Kleinkriminellen-Treffen in der Garage mit anschließender Verfolgungsjagd und dann zurück zu Neonlicht-Spaziergängen und abgründiger Tresen-Lethargie. Auch wenn die filmischen Exkurse dabei völlig quer zueinanderstehen und dort, wo das Milieu nach Schlager schreit, plötzlich 1980er-Synthie-Pastiche ertönt, oder eine bis dato unsichtbare Sinnkrise über Ringo hereinbricht, als er sich selbst und seine Zukunft gerade wieder aufzubauen scheint, sehen die Abschweifungen aufreizend interessant aus.

„Rock ’n’ Roll Ringo“ ist auf 35mm-Filmmaterial in CinemaScope gedreht und vermag sich mit den glitzernden Lichtern der Nacht durchaus von der abgedroschenen Tristesse der entsättigten Alltagsbilder zu befreien. Einen Weg zu sich selbst findet der Film aber weder bei Tag noch bei Nacht, so wenig wie den zwischen Kirmes und Kneipe. Milieu, Genre und Vater-Tochter-Drama stolpern übereinander. Obwohl der Pater und Ringos bester Freund, der Clown Hainz (Peter Trabner), viele Vorschläge für den Versuch einer Familienbeziehung machen, sind weder Ringo noch der Film wirklich bereit dazu. Tochter Mia bleibt bis zum Ende von „Rock ’n’ Roll Ringo“ gänzlich unsichtbar.

Geboxt wird immer

Als sie schließlich doch auftaucht, weiß Galizia nichts mit ihr und Ringos Vatergefühlen anzufangen. „Rock ’n’ Roll Ringo“ ist das falsche Versprechen der Boxbude. Klar: Es wird geboxt. Aber allzu oft sind es eben doch nur Schaukämpfe.

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