Gladiator II
Action | USA 2024 | 148 Minuten
Regie: Ridley Scott
Filmdaten
- Originaltitel
- GLADIATOR 2
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2024
- Produktionsfirma
- Paramount Pict./Scott Free Prod./Red Wagon Films
- Regie
- Ridley Scott
- Buch
- David Scarpa
- Kamera
- John Mathieson
- Musik
- Harry Gregson-Williams
- Schnitt
- Sam Restivo · Claire Simpson
- Darsteller
- Paul Mescal (Lucius Verus) · Pedro Pascal (Marcus Acacius) · Connie Nielsen (Lucilla) · Denzel Washington (Macrinus) · Joseph Quinn (Kaiser Caracalla)
- Länge
- 148 Minuten
- Kinostart
- 14.11.2024
- Fsk
- ab 16; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Action | Historienfilm | Monumentalfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Fortsetzung des Historienspektakels aus der späten Zeit des römischen Imperiums, als Gladiatoren in der Arena nicht nur um ihre Leben, sondern auch um Macht und Einfluss kämpfen.
Die Reichen essen Nashorn, die Armen darben am Straßenrand, und in den Gladiatorenarenen lässt man blutrünstige Paviane los. „Gladiator II“ setzt zu Beginn des dritten Jahrhunderts nach Christus ein, 16 Jahre nach dem Finale des Vorgängerfilms „Gladiator“ (2000). Dennoch hat der Schauplatz, das fiktionale Imperium Romanum, einen gewaltigen Schritt in Richtung spätrömische Dekadenz gemacht.
Sowohl das Kino als auch die Welt und erst recht die Stellung des Kinos in der Welt haben sich dem Welterfolg von Ridley Scott im Jahr 2000 verändert. „Gladiator“ hatte der Karriere seines Regisseurs seinerzeit einen neuen Schwung verliehen und mutet von heute aus wie der Schlusspunkt des optimistisch-hedonistischen 1990er-Jahre-Blockbusterkinos an. Ein Jahr vor 9/11 konnte die Geschichte des Underdogs, der sich gegen korrupte Eliten einen Platz an der Sonne erkämpft, noch weitgehend ungebrochen und auf Hochglanz poliert die Leinwände der Welt erobern.
Im ersten Film besaß die Prunksucht der Eliten immerhin noch Format. Joaquin Phoenix, der Darsteller des ikonischen Bösewichts Commodus, inszenierte sich in einer denkwürdigen, Camp-affinen Darstellung nicht nur als psychopathischer Tyrann, sondern auch als melodramatischer Schmerzensmann, der von einer untergründigen Todessehnsucht getrieben wird. In „Gladiator II“ sind die Zwillingskaiser Geta und Caracalla hingegen von Anfang an nur Clowns, von Geschlechts- und Geisteskrankheit zerfressene und von Speichellecker und Lustknaben beziehungsweise -mädchen umlagerte Marionetten verborgener Interessen.
Ein paar innere Dämonen zu viel
Aber auch die ehrbaren Underdogs, die der imperialen Dekadenz entgegentreten, sind nicht mehr das, was sie früher mal waren. Das beginnt damit, dass sich die Heldenfigur des Vorgängerfilms ebenfalls verdoppelt hat. Da gibt es den ehrbaren römischen General Marcus Acacius (Pedro Pascal), der das alte, vom Senat kontrollierte Rom wieder in sein Recht setzen will. Zum anderen aber sammelt der Film in Nordafrika Lucius Verus (Paul Mescal) auf, ein ehemaliges Findelkind, das mit viel Wut im Bauch zu einer Gladiatorenkarriere ansetzt. Doch obwohl sich sowohl Pascal als auch Mescal in den wuchtigen, wenn auch meist recht kurzen Actionszenen wacker schlagen, taugen beide nicht zum Nachfolger des von Russell Crowe seinerzeit mit jeder Menge Breitwand-Naturkitsch zum Blut-und-Boden-Volkshelden erhöhten Maximus Decimus Meridius. Vor allem schleppen beide ein paar innere Dämonen zu viel mit sich herum.
Ridley Scott weiß, dass er die Überbietungslogik des Blockbusterbetriebs zumindest pro forma bedienen muss. Eine Kriegsschiffattacke zu Beginn hat ordentlich altmodische Grandezza; später schauen sogar Haifische und Killerpaviane vorbei. Letztere sehen allerdings eher wie das Ergebnis einer verpfuschten Genmanipulation aus Affen-, Hunde- und Pferde-DNA aus und haben durchaus zu Recht schon den Spott des Internets auf sich gezogen. Später im Film wird ein anderer Affe zum Konsul gekürt und darf ein bisschen auf dem Chefsessel herumalbern.
Eine halbe Nummer kleiner
Auf Dauer kann „Gladiator 2“ nicht verbergen, dass diesmal – dem megalomanen Budget zum Trotz – alles mindestens eine halbe Nummer kleiner geraten ist. Was dem neuen „Gladiator“-Film fehlt, sind nicht zuletzt die gnadenlos aufpeitschenden Melodiebögen von Hans Zimmer. Harry Gregson-Williams liefert deutlich gemäßigtere symphonische Stangenware ab. Viel Lärm macht das alles natürlich trotzdem noch. Vielleicht hat aber auch nur die Art von Größe, auf die der Film abzielt, inzwischen Patina angesetzt. Historienepen wie „Gladiator II“, in deren Abspann neben zahlreichen „Digital Artists“ unter anderem auch ein Schlangentrainer, ein Flaggenbemaler sowie Dutzende weiterer Handwerker aufgelistet werden, wirken schon länger wie aus der Zeit gefallen. Ihre Schauwerte laufen beim Versuch, etwas zu beglaubigen, das schlichtweg nicht mehr in die Gegenwart passt, ins Leere.
Auch in puncto Affektspektakel kann „Gladiator II“ mit seinem Vorgänger nicht mithalten. Irgendwann schleicht sich auch die Vermutung ein, dass er das vielleicht auch gar nicht will. Denn in Schwung kommt der Film nur dann, wenn er sich von der Gladiatoren-Action ab- und der gewissermaßen backstage, hinter den Schauwerten der Arena ablaufenden politischen Intrige zuwendet. Ins Zentrum rückt dabei immer mehr Macrinus (Denzel Washington), ein ehemaliger Sklave, der sich zum Gladiatorenhalter gemausert hat, aber offensichtlich weitergehende Ambitionen hegt.
Ein Post-Truth-Rabauke …
Macrinus, das ist der klügste Twist des Films, ist in gewisser Weise ein dritter Maximus-Decimus-Meridius-Wiedergänger. Wie der Held des Vorgängerfilms und wie Lucius Verus, der nominelle, aber letztlich doch eher blasse Held des aktuellen Films ist er ein Underdog, der nach oben strebt. Und sich dabei aber nicht auf seine Blutlinie oder die vergangene Größe Roms beruft. Vielmehr ist Macrinus ein genuiner Revolutionär. Sein Motto lautet: Räche dich, indem du nicht zu dem wirst, der dich besiegt hat. Macrinus will ein anderes Rom, ein Rom ohne Mythos, und er geht dafür über Leichen.
Weil er sich nicht an der Vergangenheit, sondern an der Zukunft orientiert, hat der Bösewicht Macrinus eine überzeugendere politische Erzählung zu bieten als die Helden von altem Schrot und Korn, die sich ihm in den Weg stellen. Sucht man, was bei einem Film über ein krisengeschütteltes Imperium nur allzu naheliegend ist, nach Parallelen im realen politischen Raum, wird die Sache noch komplizierter. Denn einerseits sind Lucius Verus’ „Stärke und Ehre“-Parolen und seine „Make Rome Great Again“-Ideologie zweifellos anschlussfähig für die aktuellen rechtspopulistischen Strömungen. Doch wenn es hier einen Donald-Trump-Wiedergänger gibt, dann ist das, allen Differenzen im Habitus zum Trotz, dennoch der Post-Truth-Politrabauke Macrinus.
… im unentschlossenen Imperium
Das alles fügt sich nicht allzu rund zusammen. „Gladiator II“ erzählt von einem unentschlossenen Empire, das sich zwar die Barbaren noch vom Leib halten kann, das aber der eigenen Mythologie nicht länger vertraut und auch nicht mehr an die Macht des Spektakels glaubt. Das aber gleichwohl (noch?) nicht bereit ist für den Übergang in ein postheroisches Zeitalter.