Drama | USA 2022 | 121 Minuten

Regie: Tobias Lindholm

Der Krankenpfleger Charlie Cullen gilt als einer der gefährlichsten Serienmörder der jüngeren US-amerikanischen Geschichte. Der biografische Film rekonstruiert dessen Überführung als kühler True-Crime-Thriller und porträtiert ihn als vermeintlich bescheidenen Menschenfreund, der für Wohl und Würde der Patienten eintritt und auch das Leben einer neuen Kollegin erleichtert, tatsächlich aber skrupellos seine Mordtaten verübt. Zynisch genau zoomt der Film von persönlichen Anknüpfungspunkten in die Vogelperspektive und analysiert das US-Gesundheitssystem als Markt, der nicht für die Patienten lebt, sondern von ihnen, und so Mordserien wie die von Charlie Cullen erst möglich macht. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE GOOD NURSE
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2022
Produktionsfirma
FilmNation Ent./Protozoa Pic.
Regie
Tobias Lindholm
Buch
Krysty Wilson-Cairns
Kamera
Jody Lee Lipes
Musik
Biosphere
Schnitt
Adam Nielsen · Michael Rolt
Darsteller
Jessica Chastain (Amy Loughren) · Eddie Redmayne (Charlie Cullen) · Nnamdi Asomugha (Danny Baldwin) · Noah Emmerich (Tim Braun) · Kim Dickens (Linda Garran)
Länge
121 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Krimi
Externe Links
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Auf realen Ereignissen basierendes Kriminaldrama um die Verbrechen des US-Amerikaners Charlie Cullen, der als Krankenpfleger Dutzende von Patienten ermordete.

Diskussion

Die Kündigung ist der zynische Höhepunkt dieses Films: Der Krankenpfleger Charlie Cullen (Eddie Redmayne) ist längst zum Mittelpunkt einer Mordermittlung geworden. Er soll mehrere Patienten und Patientinnen mit absichtlich verunreinigten Infusionen vergiftet und getötet haben. Der Kündigungsgrund jedoch: ein Formfehler in seinem Lebenslauf – ein Datum habe nicht gestimmt. Charlie verlässt sarkastisch lächelnd den Besprechungsraum, und für einen kurzen Moment ist nicht klar, ob er aus Bitterkeit lächelt oder weil er einmal mehr davongekommen ist.

Charlie Cullen ist einer der gefährlichsten Serienmörder in der jüngeren Geschichte der USA. Zwischen Ende der 1990er- und Anfang der 2000er-Jahre brachte er mindestens 29 Menschen in zehn Krankenhäusern um. Die Behörden gehen von bis zu 400 Opfern aus. Seit 2003 verbüßt er mehrere lebenslange Haftstrafen in New Jersey. Der dänische Filmemacher Tobias Lindholm hat aus Cullens Mordserie nun einen kühlen True-Crime-Thriller gemacht. Bisher arbeitete er eng als Drehbuchautor mit Thomas Vinterberg zusammen, etwa an „Die Jagd“ (2012) und zuletzt an „Der Rausch“ (2020). „The Good Nurse“ ist sein englischsprachiges Regiedebüt.

Engel mit Abgründen

Gemeinsam mit der schottischen Drehbuchautorin Krysty Wilson-Cairns rekonstruiert er Cullens Überführung in einem Krankenhaus in New Jersey – für den Film haben sie der Institution einen fiktiven Namen gegeben, um möglichst frei erzählen zu können. Charlie, wunderbar verschämt gespielt von Eddie Redmayne, stößt als rettender Engel zur unterbesetzten Nachtschicht der Intensivstation und kümmert sich rührend um die Schwerkranken. Seine Mutter sei in einem Krankenhaus gestorben und ihre Leiche erst nach ein paar Stunden unbedeckt und unwürdig gefunden worden, sagt er.

Würde stehe für ihn an oberster Stelle, erzählt er seiner neuen Kollegin Amy (Jessica Chastain). Für die kommt er auch als persönlicher Schutzengel – die alleinerziehende Mutter ist herzkrank, bekommt vom Arbeitgeber jedoch erst nach einem Jahr eine Krankenversicherung und muss sich deshalb noch einige Monate über Wasser halten. Charlie wird ihr zur emotionalen wie auch familiären Stütze und deckt ihre Schwächeanfälle in der Arbeit. Lindholm lässt sich für diese Exposition etwas viel Zeit und droht immer wieder, in den Gestus des Sozialdramas abzudriften.

Ein Versagen auf mehreren Fronten

Als sich unerklärliche Todesfälle auf der Station häufen, kommen die Ermittler dennoch recht bald auf Charlie. Lindholm tappt glücklicherweise nicht in die Falle der Psychologisierung – Cullen hat bis heute kein plausibles Motiv für den schleichenden Serienmord geliefert. Vielmehr konzentriert sich der Film ab diesem Zeitpunkt auf das vielschichtige institutionelle Versagen und persönliche Wegsehen, das Cullen seine über zehn Jahre währende Mordserie ermöglichte.

Der Tod seiner Mutter und Amys Leidensgeschichte bieten hier persönliche Anknüpfungspunkte, von denen aus Lindholm immer wieder in die Vogelperspektive zoomt und dem Ermittlerduo folgt, das den aktuellen Fall aufklären soll. Nur einmal wird er direkt gefragt, warum er all die Menschen umgebracht hat, wird jedoch von Polizeisirenen und Filmmusik regelrecht unterbrochen.

Der Nährboden der Morde: Ein zynisches Gesundheitssystem

Keiner seiner früheren Arbeitgeber möchte über ihn Auskunft geben, und auch das aktuelle Krankenhaus mauert: Eine Risikomanagerin hält die Polizei hin. Schon beim ersten Termin werden die beiden Ermittler stutzig: Der zu untersuchende Tod einer Patientin liegt da schon sieben Wochen zurück, die Leiche ist bereits kremiert und die Unterlagen zu dem Fall lassen auf sich warten. Letztlich kommt ein dünner Umschlag mit Protokollen, nachdem die beiden eine Wagenladung voller Akten erwartet haben. Keiner spricht es aus, aber doch wird deutlich: Gäbe auch nur eines der Krankenhäuser zu, dass es Verdacht geschöpft hat oder Cullen einfach ohne schlechtes Zeugnis abschob und so den Weg für weitere Morde ebnete, käme dies einem Eingeständnis von Mitschuld gleich.

In Momenten wie diesen ist „The Good Nurse“ fatalistisch treffsicher und seziert mit zynischer Genauigkeit nicht nur den Nährboden, auf dem Mordserien wie diese erst möglich werden, sondern zeigt das amerikanische Gesundheitssystem als Markt, der nicht für die Patienten und Patientinnen lebt, sondern von ihnen.

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