Salam - Rest in Peace

Serie | Belgien 2022 | 366 (8 Folgen) Minuten

Regie: Adil El Arbi

Ein junger Belgier mit marokkanischen Wurzeln wird am familiären Bestattungsunternehmen beteiligt, obwohl er von dieser Branche nichts versteht. Um schnell Geld zu verdienen, will er Verstorbene künftig nicht mehr in ihrer alten Heimat bestatten, sondern in marokkanischer Erde in Brüssel. Mit dieser Idee mischt er die Community auf. Die in den Fußspuren der US-Serie „Six Feet Under“ wandelnde Dramedy-Serie zeichnet mit hohem Tempo und irrwitzigen Situationen ein erfrischend humorvolles Bild islamischen Lebens und Sterbens in der belgischen Hauptstadt. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
SALAM -REST IM PEACE
Produktionsland
Belgien
Produktionsjahr
2022
Produktionsfirma
Lumière & Play4/ZDFneo/Dynamic Television
Regie
Adil El Arbi · Bilall Fallah
Buch
Zouzou Ben Chikha · Wannes Cappelle · Dries Heyneman · Lars Damoiseaux
Kamera
Maximiliaan Dierickx
Musik
Faisal Chatar · Yello Staelens · Sonhouse
Schnitt
Pieter Smet
Darsteller
Yassine Quaich (Ismael (Smile) Boulasmoum) · Ward Kerremans (Jean-Baptiste) · Ahlaam Teghadouini (Nadia Boulasmoum) · Saïd Boumazoughe (Rachid) · Ben Hamidou (Omar Boulasmoum)
Länge
366 (8 Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Serie | Tragikomödie

Serie um den halbseidenen Sohn eines Bestattungsunternehmers, der die marokkanische Community von Brüssel aufwirbelt, weil er Verstorbene künftig nicht mehr in ihrer alten Heimat, sondern in marokkanischer Erde in Brüssel bestattet will.

Diskussion

Eine Frau erhält während der Autofahrt einen Anruf von ihrer Tochter auf ihr Smartphone, das im Fußbereich des Beifahrersitzes in ihrer Handtasche liegt. Wenn eine Szene so beginnt, ahnt man, dass sie für die Fahrzeuginsassin nicht gut ausgeht. Die Frau kann das Handy vielleicht noch greifen, doch kaum hat sie sich wieder aufgerichtet, folgt unweigerlich ein tödlicher Zusammenstoß. Eine kurze Ablenkung, getriggert durch die permanente Erreichbarkeit – und schon ist ein menschliches Leben ausgehaucht.

"Six Feet Under" lässt grüßen

Die US-Serie „Six Feet Under“ war unter anderem dafür bekannt, dass die Episoden mit einem solchen Unglück begannen, woraufhin die Angehörigen der verstorbenen Person zu Kunden des Bestattungsunternehmens wurden, um das es in der Serie ging. Die spezifische Ausgestaltung dieser „cold open“ genannten Einstiege in die Handlung gab schon entscheidende Hinweise darauf, wie die Serie mit dem Tod umzugehen beabsichtigte.

Die Serie „Salam – Rest in Peace“ eignet sich diesen dramaturgischen Kniff der Pre-Title-Sequenz an. Sie übernimmt aber noch mehr von „Six Feet Under“. Auch die dysfunktionale marokkanische Familie Boulasmoum, die im Mittelpunkt steht, trägt Züge der von Alan Ball entwickelten „Six Feed Under“-Familie Fisher & Sons in Los Angeles. Nun lässt sich darüber streiten, ob eine so offensichtliche Adaption eines erzählerischen Vorbilds (das zudem Kultstatus genießt) nicht zumindest als solche ausgewiesen werden sollte. Durch den Transfer des Narrativs in einen völlig anderen kulturellen Kontext und die liebevolle Abarbeitung an einem spezifischen Mileu, dem maghrebinischer Einwanderer in Belgiens Metropole Brüssel, entwickelt "Salam - Rest in Peace" indes genug Eigenständigkeit, um keineswegs als Plagiat dazustehen.

Tradition und Moderne

Ismael Boulasmoum (Yassine Quaich), genannt Smile, versucht sich gemeinsam mit seinem belgischen Buddy Jean-Baptiste (Ward Kerremans), genannt JB, an diversen neuen Geschäftsideen, doch nichts will gelingen. Sein Traum ist das große Geld. Allerdings ahnt man, dass letztlich mehr dahintersteckt. Überraschend wird er von seinem Vater Omar (Ben Hamidou), der sich langsam zur Ruhe setzen will, zum Anteilseigner des traditionsreichen Bestattungsunternehmens der Familie. Mit 50 Prozent ist er dabei, was seinem Schwager Rachid (Saïd Boumazughe) gar nicht gefällt, weil er und Ismaels Schwester Nadia (Ahlaam Teghadouini) die Arbeit alleine machen müssen, da Ismael vom Metier ja keinen blassen Schimmer hat.

Nadia glaubt jedoch an ihren Bruder, auch dann, als der aus einer Notsituation heraus eine neue Geschäftsidee entwickelt, die zunächst völlig abwegig erscheint. Das auf die Überführung der Verstorbenen nach Marokko spezialisierte Unternehmen soll künftig auch Beerdigungen in Brüssel durchführen. Dafür muss die heilige Erde aus Marokko aber nach Belgien gebracht werden.

Ismael hat also eine Mission, und die ist anspruchsvoll, weil es in der marokkanischen Community im Brüssel zunächst Widerstände gibt und weil er und JB, vorsichtig gesagt, erst mal in die neue Tätigkeit hineinwachsen müssen. Man könnte auch sagen, dass sie zuerst erwachsen werden müssen, denn die Blauäugigkeit, mit der sie zu Werke gehen, ist frappierend.

Wie sie ihre Unzulänglichkeiten immer wieder gerade zu biegen versuchen, sorgt für irrwitzige Situationen, die mal drastisch komisch, mal mit unterschwelligem Ernst inszeniert sind. In dieser Dramedy schlägt die Waage indes meist zur komischen Seite aus. Mit „Culture Clash hat dieses Freundes-Duo trotz unterschiedlicher kultureller Wurzeln übrigens nichts am Hut; die beiden vertragen und zanken sich wie zwei Brüder und wohnen schon seit drei Jahren zusammen über einem Fitnessstudio. Nadia ist die überlegene und vernünftige Schwester, und auch bei Rachid, der in seinem unternehmerischen Eifer gerne über das Ziel hinausschießt, hat sie die Hosen an. Der Vater wiederum belügt seine Kinder. Es gibt eine neue Frau in seinem Leben, und das soll nicht jeder wissen.  

Smile rennt

„Salam – Rest in Peace“ stammt von dem belgischen Regie-Gespann Adil El Arbi und Bilall Fallah, das mit „Bad Boys for Live“ und der Serie „Ms. Marvel“ aufwändige US-Actionstoffe in Szene setzte und auch den neuen „Batgirl“-Film inszeniert hat, der kürzlich auf Eis gelegt wurde und als eines der teuersten abgebrochenen Filmprojekte aller Zeiten für Schlagzeilen sorgte. Auch „Salam – Rest in Peace“ lässt trotz eines komplett anderen Sujets eine gewisse Lust an Action und Tempo erahnen. Die Serie ist vor allem in der ersten Episode äußerst rasant erzählt. Permanent passiert etwas Neues, wodurch Pläne über den Haufen geworfen und die Figuren vor neue Herausforderungen gestellt werden.

Ist die Uhr für die Toten abgelaufen, so beginnt sie für Smile & Co immer erst zu ticken, weil davon nicht genügend zur Verfügung steht, um die Verstorbenen angemessen zu bestatten. Zumindest dann nicht, wenn das in einer neuen, innovativen Weise geschehen soll.

Die Zeit und wie sie eingesetzt wird, spielt eine zentrale Rolle. Das beginnt jeweils schon mit der Pre-Title-Sequenz. Darin wird nämlich von einem Filmtrick Gebrauch gemacht: Es wird rückwärts erzählt. Man sieht zuerst den Unfall beziehungsweise den Vorfall, der zum Tod einer Person führt. Dann läuft die Handlung bis zum Ausgangspunkt zurück. Was hätte getan werden müssen und können, um das tragische Unglück zu verhindern, wird so schmerzhaft und mithin auch schmunzelnd bewusst gemacht.

„Salam – Rest in Peace“ gelingt es ziemlich gut, der Geschichte vom kleinen Bestattungsunternehmen, das sich neu aufzustellen versucht, einen ganz eigenen Drive zu geben. Es ist zu hoffen, dass die Serie auch im Original mit Untertiteln zugänglich gemacht wird. Denn in der Synchronisation geht Einiges vom kulturellen Kontext der Story verloren.

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