Animation | USA/Großbritannien 2021 | 97 Minuten

Regie: Paloma Baeza

Rund um ein Haus entfalten sich drei Geschichten über Bewohner, die zu verschiedenen Zeiten dort gelebt haben: Im viktorianischen England geht ein verarmter Familienvater mit einem diabolischen holländischen Architekten einen Pakt ein, in der Gegenwart bekommt es ein Makler mit Ungeziefer zu tun, in der letzten, in der Zukunft angesiedelten Episode ist das Haus von wachsenden Fluten umgeben, als unerwarteter Besuch und eindringendes Wasser die Bewohner beunruhigen. Die drei düster-zeitlosen Erzählungen sind als Puppenanimation gestaltet und begeistern durch Detailverliebtheit, eine durchdachte Lichtsetzung und innovative Kameraperspektiven. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE HOUSE
Produktionsland
USA/Großbritannien
Produktionsjahr
2021
Produktionsfirma
Nexus Studios
Regie
Paloma Baeza · Emma De Swaef · Niki Lindroth von Bahr · Marc James Roels
Buch
Enda Walsh
Musik
Gustavo Santaolalla
Schnitt
Barney Pilling
Länge
97 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Animation | Episodenfilm | Mystery | Puppenanimation
Externe Links
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Eine Schauer-Anthologie um ein rätselhaftes Haus und die Bewohner, die dort zu unterschiedlichen Zeiten leben. Die im Stop-Motion-Verfahren als Puppenanimation gefilmten Episoden sind von je unterschiedlichen Filmemachern in unterschiedlichen Stilen gestaltet.

Diskussion

Die Schauer-Anthologie „Das Haus“ ist, um das Fazit vorwegzunehmen, ein filmisches Meisterwerk und ein weiterer eindringlicher Beleg dafür, dass der Streamingdienst Netflix das Medium Animation revolutioniert und damit an der kreativen Führungsposition von Disney, Dreamworks, Pixar, Illumination und all den anderen üblichen Verdächtigen rüttelt. Das Netflix-Team um Mike Moon (Adult Animation) und Melissa Cobb (Original Animation) brachte seit der Gründung 2014 ungewöhnliche Serien an den Start wie „Bojack Horseman“ oder „Disenchantment“, setzte auf kreative Außenseiter wie Sergio Pablos und sein hinreißendes Weihnachtsmärchen „Klaus“, gab Disney-Legende Glen Keane die Möglichkeit zur Regie beim amerikanischen-chinesischen-kanadischen „Die bunte Seite des Mondes“ und fand auch mit Mike Riandas „Die Mitchells gegen die Maschinen“ Anerkennung.

Puppenanimations-Grusel für ein erwachsenes Publikum

Nun also „Das Haus“ – eine Grusel-Anthologie bestehend aus drei Geschichten à 30 Minuten, in der Tradition englischer Schauerfilme wie etwa Dead of Night oder Ghost Stories, irgendwo angesiedelt zwischen den Welten von E.T.A. Hoffmann und „Sleepy Hollow“. Die Besonderheit dieser Produktion: Sie ist in Stop Motion umgesetzt, mit Puppentrick. Diese Animationstechnik hat dank den Studios Aardman („Wallace & Gromit“, „Shaun das Schaf“) und Laika („Coraline“, „ParaNorman“, „Kubo“) trotz aufwändiger, teurer Produktionsabläufe und zeitintensiver Arbeitsweise nach wie vor einen festen Platz im Bereich Animation. Doch Netflix Animation geht auch hier weiter als die Konkurrenz. Das angestrebte Publikum ist deutlich älter als bei Aardman und Laika; die erzählerische Konstruktion fordert den Zuschauer intellektuell heraus.

Angeregt wurde die Produktion vom renommierten Nexus Studio in London. Die Idee dabei: drei weltweit führende Puppentrick-Künstler zu einem Projekt zusammenbringen und mit einem Team der bestmöglichen Stop-Motion-Artists deren visuelle Ideen auf Film bannen. Als verbindendes Zentrum der drei unabhängigen Geschichten fungiert ein Haus, das die Leben der jeweiligen Protagonisten maßgeblich beeinflusst. Rund um dieses Zentrum entfalten sich Geschichten, die einmal in der Vergangenheit, einmal in der Gegenwart und schließlich in der Zukunft spielen.

Diabolischer Pakt, Ungeziefer-Plage und Sintflut-Fantasie

Für die den Film eröffnende Vergangenheitsepisode konnte das belgische Kreativduo Emma de Swaef und Mark Roels gewonnen werden. Ihre Episode erzählt von einer verarmten Familie im viktorianischen England, die von ihren reichen Verwandten verachtet wird. Getrieben von Frustrationen und Versagensängsten, geht der Familienvater einen obskuren Pakt mit einem geheimnisvollen holländischen Architekten ein, der ihnen ein komfortables Haus baut, in dem sie fortan gemäß Kontrakt leben müssen. Doch der vorgebliche Luxus kommt zu einem horrenden Preis, dem sich die beiden Kinder zu widersetzen versuchen.

Die Gegenwartsepisode kommt von der Stockholmerin Nikki von Lindroth Bahr. Sie erzählt von einem ehrgeizigen Makler, der mit hohem finanziellem Risiko auf eigene Kosten versucht, das Haus zu renovieren und zu modernisieren, um es dann höchstbietend zu versteigern. Das Projekt gerät prompt mehr und mehr ins Schlingern, als sich alles gegen ihn zu verschwören scheint und Ungeziefer von innen und von außen im Haus sich breitzumachen scheint.

Die abschließende Zukunftsepisode von Paloma Baeza erzählt von einer Dystopie: Das Haus auf dem Hügel ist von stetig steigendem Wasser umgeben, die jetzige Vermieterin verzweifelt an ihren zahlungsunwilligen zwei Mietern und ihrem eigenen Unvermögen, das Haus adäquat gegen alle Widrigkeiten in Stand zu halten. Und doch hat sich so etwas wie eine kleine Gemeinschaft aus den dreien gebildet – was aber ins völlige Ungleichgewicht kippt, als unerwartet Besuch eintrifft und das Wasser beginnt, ins Haus einzudringen…

Ein visuell rundum fesselnder Puppentrick-Kosmos

Die düsteren Erzählungen um das Haus handeln alle drei vom unerbittlichen Verhältnis der Figuren zur Gesellschaft, an denen sie zu zerbrechen drohen, sei es aus Versagensängsten, Gier, Engstirnigkeit, Verweigerung der Anerkennung von Realitäten. Sie erzählen jenseits ihrer Verortung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft universelle zeitlose Geschichten, in denen sich die Zuschauer mühelos wiederfinden können und beginnen, sich selbst zu hinterfragen.

Ausgeführt ist dies in atemberaubenden Stop-Motion-Verfahren und modernsten Puppentricktechniken, allen Tücken der Corona-Pandemie und ihren Folgen für den komplizierten Produktionsablauf zum Trotz. Die anthropomorphisierten Tiere der zweiten und dritten Episode bewegen sich mühelos durch einen ausgesprochen detailliert gebauten Puppentrick-Kosmos, die aus Wolle gebauten menschlichen Figuren und Requisiten aus dem ersten Kapitel akzentuieren die (alb-)traumhafte Atmosphäre, hervorgebracht durch die fantastische Lichtsetzung und innovative Kameraperspektiven – Bilder, die sich ins visuelle Gedächtnis brennen.

Die Beteiligten können mit Recht stolz auf ihre Arbeit sein. Als Zuschauer ärgert man sich allenfalls, dass man Derartiges nicht im Kino sehen darf, und hofft bald auf mehr. Netflix hat noch für 2022 Guillermo del Toros Puppentrickversion von Pinocchio angekündigt.

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