Am 20. August 2018 setzte sich die 15-jährige Greta Thunberg vor das schwedische Parlamentsgebäude in Stockholm und rief auf einem Pappschild zum „Schulstreik für das Klima“ auf. Ihren stummen Protest hielt sie mehrere Wochen durch, bis die internationalen Medien auf sie aufmerksam wurden. Aus der individuellen Aktion entwickelte sich binnen weniger Monate die Bewegung „Fridays for Future“.
Der Dokumentarfilm von Kathrin Pitterling verfolgt die Aktivitäten der Berliner Sektion von „Fridays for Future“ über einen längeren Zeitraum und gewährt dabei Einblicke in das Innenleben einer Organisation, die eigentlich keine sein will. Der Film beginnt mit einer Demonstration im Herbst 2020 in Berlin, zu der statt der erwarteten 5000 Teilnehmer mehr als 20 000 erschienen. Die Organisatoren waren von dem Zuspruch überwältigt und „total geflasht“. Schließlich war es die erste Großveranstaltung nach dem Corona-Schock, der die Bewegung tief getroffen hatte. Demonstrationen waren lange Zeit untersagt und Politiker, Medien und Bürger interessierten sich nur noch für die Pandemie. Klimaschutz war plötzlich kein Thema mehr.
Von der Arbeit im Hintergrund
Pitterling hat die Aktivitäten der Berliner Gruppe von Beginn an begleitet und lässt rund ein Dutzend Mitglieder als Protagonisten zu Wort kommen. Dabei stehen weniger die Großdemonstrationen im Mittelpunkt als vielmehr die Arbeiten rund um diese Veranstaltungen. Anträge müssen ausgefüllt werden, Personen für den Aufbau der Tribünen bereitgestellt und die Sozialen Netzwerke mit Texten und Fotos versorgt werden. So sieht man die rund sechzig Berliner Aktivisten immer wieder in Vollversammlungen oder in Arbeitsgruppen zusammensitzen, um die nächsten Aktionen akribisch vorzubereiten.
Da sich die Berliner Sektion wie die ganze „Fridays for Future“-Bewegung streng basisdemokratisch versteht und damit weder über Gremien noch Vorsitzende verfügt, ziehen sich solche Sitzungen über Stunden hin. Gänzlich ohne Konflikte geht es dabei nicht ab. Mal fühlen sich jüngere Mitglieder von den älteren übergangen, mal gibt es offenbar einen Maulwurf in den eigenen Reihen, der interne Sitzungsprotokolle an die Presse weitergibt.
Pitterling stellt die Protagonisten vor, assistiert hin und wieder mit Fragen aus dem Off, lässt sie erklären, was sie zu der Bewegung gebracht hat und was sie sonst noch so umtreibt. Einige von ihnen besucht sie in deren Wohnungen, andere geben ihre Statements am Rande von Demos oder Sitzungen ab.
Zwischen Anspruch und Erschöpfung
Interessant wird es dort, wo sie ihre Gesprächspartner mit dem Abstand von rund einem Jahr noch einmal befragt und ihre teils sehr persönlichen Aussagen unmittelbar nebeneinanderstellt. Nach der anfänglichen Euphorie ist dann auch von Erschöpfung und Frust die Rede. Man spürt die Ernüchterung, als Vertreter der Gruppe auf Veranstaltungen namhafter Automobilkonzerne sprechen durften und mit freundlichem Beifall bedacht wurden, ohne dass die Unternehmen deshalb ihre Strategien änderten.
Ähnliche Erfahrungen machten die Aktivisten auch bei Treffen mit hochrangigen Politikern wie Ursula von der Leyen, Olaf Scholz und Christian Lindner. Die Sequenzen dieser Zusammenkünfte wirken auch mehr wie Audienzen denn Diskussionsrunden auf Augenhöhe. Auch Luisa Neubauer, die durch Talkshow-Auftritte zu einer Art deutsche Vorzeigefrau von „Fridays for Future“ avancierte, gibt sich selbstkritisch. Man habe die Chance verpasst, mehr Menschen in Medien zu bringen, erklärt sie.
Auch wenn die Langzeitbeobachtung filmisch recht unspektakulär ausfällt, eröffnet sie höchst informative Einblicke ins Innenleben der jungen Klimabewegung. 2020 lief „Aufschrei der Jugend“ bereits im Fernsehen; jetzt kommt der Film als um zehn Minuten längere „Director’s Cut“-Version ins Kino.