Drama | USA 2020 | 118 Minuten

Regie: George Clooney

Nach der Evakuierung der dem Untergang geweihten Erde bleibt ein todkranker Wissenschaftler in einer Forschungsstation auf dem Südpol zurück. Ein verstummtes Mädchen und die Crew eines Raumschiffs auf der Rückkehr zur Erde rufen den Forscher in den Handlungsmodus zurück. Die aus klassischen Science-Fiction-Topoi wie Einsamkeit und die Nichtigkeit des Menschen angesichts der Weite des Alls zusammengefügte Geschichte kreist um globale Katastrophen und Kommunikationsprobleme, wobei Sehnsucht und zwischenmenschliche Verbindlichkeiten zu wichtigen Antriebsfedern werden. Der inszenatorisch etwas holperige und zwischen meditativem Endzeitdrama und Weltall-Action pendelnde Film trifft allerdings den Zeitgeist einer Beunruhigung angesichts klimatischer und pandemischer Entwicklungen. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE MIDNIGHT SKY
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2020
Produktionsfirma
Anonymous Content/Netflix/Smokehouse/Syndicate/Truenorth
Regie
George Clooney
Buch
Mark L. Smith
Kamera
Martin Ruhe
Musik
Alexandre Desplat
Schnitt
Stephen Mirrione
Darsteller
George Clooney (Augustine) · Felicity Jones (Sully) · David Oyelowo (Adewole) · Caoilinn Springall (Iris) · Kyle Chandler (Mitchell)
Länge
118 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Literaturverfilmung | Science-Fiction
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Endzeitdrama um einen Wissenschaftler, der als einziger Mensch nicht von der Erde evakuiert wurde, in seiner Forschungsstation am Südpol aber auf ein seltsames kleines Mädchen trifft und Kontakt zur Crew eines Raumschiffs aufnimmt, das von einer Jupiter-Mission zurückkehrt.

Diskussion

Der letzte Mann auf Erden. Abgemagert und bärtig sitzt Augustine Lofthouse (George Clooney) in der Kantine einer verlassenen Forschungsstation, den leeren Blick aufs ewige Eis gerichtet. An diesem stahlblauen Arktis-Tag im Februar 2049 sind seit der Evakuierung der Erde drei Wochen vergangen. Die Welt ist dem Untergang geweiht, ihr letzter Bewohner unheilbar krank. Lofthouse lebt in seinen aufflackernden Erinnerungen an eine verlorene Liebe. Tag für Tag checkt der Wissenschaftler auf seinen digitalen Paneelen die Ausbreitung einer globalen Katastrophe. Ab und an lauscht er ins All, aus dem nichts zurückschallt. Am Abend hängt er sich an ein Dialyse-Gerät, um sein Blut zu waschen. Jeder Kontakt zu anderem menschlichen Leben scheint erschlossen; er selbst bereitet sich auch auf sein Ende vor. Doch dann entdeckt er eines Nachts ein bei der Evakuierung offenkundig übersehenes Kind, das ihn mit großen Augen anstarrt. Mehr als seinen Namen bekommt er aus der verstummten Iris nicht heraus.

Auf dem Weg zu einem Zuhause, das es nicht mehr gibt

Dafür tritt ein weiteres Objekt in die Umlaufbahn des Forschers: das Raumschiff Aether, das nach einer Mission auf dem Rückweg von den Jupitermonden ist. Die Crew hat gute Neuigkeiten und sehnt sich nach dem Zuhause auf der Erde; sie weiß noch nicht, dass man auf blauen Planeten nur noch an den Polen oder im Untergrund überleben kann, und das auch nur noch eine kurze Weile. Eine Art Pandemie frisst sich immer weiter Richtung Arktis vor; zuckend vom Himmel fallende Vögel sind die Vorboten.

Die auf der Erdoberfläche wütenden Hitzestürme sehen die Zuschauer zeitgleich mit der Schiffsbesatzung der Rückkehrer um Kapitän Adewole (David Oyelowo), seine schwangere Partnerin und Missionsleiterin Sully (Felicity Jones), den Pilot Mitchell sowie die Offiziere Maya und Sanchez. Lofthouse ist ihr einziger Kontakt; dafür muss er sich aber zusammen mit dem Mädchen tödlichen Schneestürmen aussetzen, um mit der größeren Antenne einer anderen Forschungsstation eine Warnung abzusetzen.

In George Clooneys siebter Regie-Arbeit „The Midnight Sky“ nach einem Roman von Lily Brooks-Dalton sind die Einsamkeit im All, begleitet von Erinnerungen an geliebte Menschen, Zeitschleifen und Trugschlüsse im endlosen Raum wiederkehrende Motive des Science-Fiction-Genres. Die Stanislav Lem-Verfilmung „Solaris“ kommt einem in den Sinn, Kubricks „2001 – Odysee im Weltraum“ oder Denis Villeneuves Trauerbewältigung einer Mutter in „Arrival“. Auch in „The Midnight Sky“ geht es um gestörte Kommunikation und existenzielle Fragen – aber nicht um die des Individuums, das sich erinnert und trauert, sondern um die der Menschheit an sich.

Der Astronom Augustine Lofthouse ist dabei die tragische Figur; er ist nicht nur einer der letzten Überlebenden, sondern auch derjenige, dessen Forschungsarbeit der anscheinend missglückten Evakuierung der Menschheit zu Grunde lag.

Schmerzhaft nahe und nahbar

Dem zwischen anrührendem Ein-Personen-Endzeitdrama und sich in die Weite öffnender Weltraum-Actionfilm fehlt mitunter allerdings der Kino-Atem; manche Aufnahmen suchen die majestätische Größe von Alfonso Cuaróns „Gravity“, erreicht aber nur Fernsehformat. Selten dürfte einem Film die große Leinwand so sehr gefehlt haben, um visuell von der menschlichen Nichtigkeit im Angesicht der Unendlichkeit zu erzählen. Auch passt nicht jede der Auflockerung dienende Szene, nicht jede Rückblende zum Ton des Films, wenngleich sich die prominente Besetzung ins Zeug hängt. Und die vom Zufall getriebene Schicksalshaftigkeit des Drehbuchs droht die Geschichte zudem aus dem Orbit der Glaubwürdigkeit zu katapultieren.

Dennoch vermag „The Midnight Sky“ durch seine Zukunftsfantasie zu berühren, die sich plötzlich gar nicht mehr wie Science Fiction, sondern schmerzhaft nahe und nahbar anfühlt. Wann wäre eine Endzeitstimmung, wie sie der Film entwirft, auf fruchtbareren Boden gefallen als heute? Die gegenwärtigen Katastrophenszenarien einer fortschreitenden Erderhitzung und des menschlichen Raubbaus an der Natur lassen eine weitere Pandemie nur als eine Frage der Zeit erscheint.

„Ich fürchte, wir haben uns während ihrer Abwesenheit nicht gut um die Erde gekümmert“, funkt Lofthouse ins All. George Clooney ist politisch zu engagiert, als dass diese Topoi rein zufällig die Folie für ein Weltraumdrama bilden würden. Und auch die Bilder des Films sind zu oft von Leere und Sprachlosigkeit angesichts der Übermacht des Kosmos geprägt, als dass sich diese meditativen Eindrücke nicht einprägen würden.

Der Mitternachtshimmel ist erloschen

„The Midnight Sky“ zehrt nicht zuletzt dank der Filmmusik von Alexandre Desplat von der Emotionalisierung dessen, was Menschen im tiefsten Inneren ausmacht und antreibt – von den Motiven der Raumfahrer bis hin zu den melancholischen Erinnerungen. Bis zum finalen, statisch observierenden Filmbild schwingt die Abhängigkeit des Menschen von einer ihm zum Überleben befähigenden Technologie, aber auch einer ins Stocken geratenen Kommunikation mit: zwischen einem jungen Mädchen und einem alten weißen Mann, zwischen den Zurückgebliebenen und den Aufbrechenden, zwischen Mann und Frau. Der „Mitternachtshimmel“ auf der Erde ist erloschen. Aber woanders, da blinkt noch ein leiser Hoffnungsschimmer.

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