Komödie | Deutschland 2020 | 238 (1. Staffel: 8 Folgen) Minuten

Regie: Dirk Kummer

An einer Bushaltestelle irgendwo in der brandenburgischen Provinz verbringen zwei beste Freunde in den Vierzigern, der eine Invalide, der andere Langzeitarbeitsloser, ihre Tage mit Gesprächen über sich im Besonderen, die Ostdeutschen im Allgemeinen und diverse andere Rätsel des Daseins, während sie auf die Ankunft eines Busses und vor allem der attraktiven Busfahrerin warten, die dort ihre Zigarettenpause einlegt. Der Hund des Arbeitslosen und mal mehr, mal weniger liebsame Gesellschaft aus der Umgebung sorgen für Abwechslung. Eine formal minimalistische, dank eines hervorragenden Drehbuchs und großartiger Hauptdarsteller jedoch ungemein unterhaltsame, witzige und warmherzige (Dialekt-)Sitcom rund ums Lebensgefühl zweier "Abgehängter", die den Dilemmata ihrer Situation und den Anfechtungen von rechts wie links außen und innenheraus mit nimmermüder Debattierlust und unverbrüchlicher Freundschaft begegnen. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2020
Produktionsfirma
Senator Film
Regie
Dirk Kummer
Buch
Oliver Bukowski
Kamera
Falko Lachmund
Musik
Johannes Repka
Schnitt
Simon Quack
Darsteller
Ronald Zehrfeld (Hannes) · Felix Kramer (Ralle) · Jördis Triebel (Kathrin)
Länge
238 (1. Staffel: 8 Folgen) Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f (Folge 1-2,4-8), ab 12; f (Folge 3)
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Komödie | Serie

Heimkino

Verleih DVD
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Verleih Blu-ray
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Formal minimalistische, aber ungemein unterhaltsame, witzig-warmherzige (Dialekt-)Sitcom rund um das Lebensgefühl zweier abgehängter Personen, die den Dilemmata ihrer Situation wie allen politischen Anfechtungen von rechts wie von links mit nimmermüder Debattierlust und unverbrüchlicher Freundschaft begegnen.

Diskussion

Eine schlüpfrige Wegstelle gefährdet nicht zwei, die einander helfen, heißt es schon im Gilgamesch-Epos. Die Freunde Hannes (Ronald Zehrfeld) und Ralle (Felix Kramer) haben davon wahrscheinlich noch nie was gehört, auch wenn Hannes eine wahre Fundgrube an Zitaten und Kalendersprüchen ist, die von Aristoteles bis zur Ferrero-Küsschen-Werbung reichen. Sonst hätte er die Sentenz aus der Zeit der alten Sumerer garantiert irgendwann im Lauf der acht Sitcom-Folgen rausgehauen – zum Beispiel gleich in Folge 1, wenn es Hannes, den Invaliden, an einer Stelle hinhaut und Ralle ihm wieder auf die Beine helfen soll, oder tröstend in Folge 2, in der Ralle im wahrsten Wortsinn am Boden zerstört ist und Hannes versucht, psychotherapeutische Hilfe zu leisten. Die Sitcom von Autor Oliver Bukowski um zwei Mittvierziger irgendwo in der brandenburgischen Provinz, beide langzeitarbeitslos, lässt wenig Zweifel daran, dass die Leben dieser beiden Männer voller schlüpfriger Wegstellen waren – nicht zuletzt waren da die Wende und die Nachwendezeit als fundamentaler Einschnitt.

Ralle vergleicht sich, Hannes und die Ostdeutschen im allgemeinen einmal mit Quastenflossern, den Vorfahren der ersten Landwirbeltiere und damit Verbindungsglieder zwischen dem Leben im Wasser und zu Lande – eine Spezies, die den Übergang von einem System in ein völlig anderes geschafft hat. Sowas hat seinen Preis. Irgendwo hat es Ralle und Hannes dabei „aus der Kurve“ gehauen, wie an einer Stelle ein ehemaliger Schulkamerad und jetziger Polizist mit einiger Häme anmerkt.

Die Blumen in Dreck

Seit er seine Stelle im Tagebau verloren hat, kommt Ralle nirgendwo mehr fest unter; Hannes als Invalide ebenso wenig. Ralle hat eine Ex und einen Sohn, den er seit über zehn Jahren nicht mehr gesehen hat, Hannes zwei gescheiterte Ehen hinter sich und eine Narbe am Bauch, die angeblich von einem gescheiterten Versuch herrührt, sich stilvoll mittels Harakiri vom Leben zum Tod zu befördern. Aber noch ist nicht alles verloren, denn immerhin haben sie sich gegenseitig: „Warten auf’n Bus“ ist eine Hommage auf eine wunderbare Freundschaft, die so hartnäckig allen widrigen Umständen zum Trotz blüht wie die Blume im Dreck, die Ralles Hund Maik, der Dritte im Bunde, im Serienauftakt fasziniert inspiziert.

Informationen über die Hintergründe der hinreißenden Antihelden von „Warten auf’n Bus“ erfährt man peu à peu im Lauf der je ca. 30-minütigen Folgen aus den Gesprächen der beiden an einer Bushaltestelle irgendwo im tiefsten Brandenburg, „am Rande der zivilisierten Welt“, wie es in der Serie heißt – in breitem Dialekt, in den man sich als Westdeutsche erstmal reinhören muss. Das Serienkonzept ist denkbar minimalistisch: Hannes und Ralle sitzen rum, quatschen, bekommen ab und an mal mehr, mal weniger liebsame Gesellschaft und warten jeden Tag sehnsüchtig auf den Moment, an dem der Bus mit der von beiden angehimmelten Busfahrerin Kathrin (Jördis Triebel) eintrudelt und diese ihre Zigarettenpause einlegt – absurdes Theater à la „Warten auf Godot“ mit dem entscheidenden Unterschied, dass der Bus und Kathrin nicht vergeblich auf sich warten lassen. Wie gesagt: Noch ist nicht alles verloren!

Dass sich daraus ein kleines Komödien-Juwel rundet, steht und fällt mit der Qualität des Drehbuchs und der Darsteller: Der schwindelerregend zwischen Un- und Tiefsinn schlingernde Wortwitz und Slowburn-Humor treffen mit Ronald Zehrfeld und Felix Kramer auf zwei überragende Schauspieler, die aus Ralle und Hannes ohne jedwede Eitelkeit und mit viel Mut zur Verletzlichkeit Figuren machen, die einen im Gegensatz zu den Protagonisten so vieler anderer Prekariats-Komödien immer wieder zum Lachen bringen, ohne je der Lächerlichkeit preisgegeben zu werden.

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