Ein Ton und du bist tot. So einfach wie effektiv ist die Prämisse der postapokalyptischen Welt in „A Quiet Place 2“ von John Krasinski. Der Titel verrät es: Der Film ist der Nachfolger des Überraschungshits aus dem Jahr 2018. Nur Stille rettet die wenigen Überlebenden, nachdem Aliens die Erde befallen haben und auf alles Jagd machen, was auch nur das geringste Geräusch von sich gibt. In dem von Publikum wie Kritik gleichermaßen gefeierten „A Quiet Place“ hielten sich Evelyn Abbot (Emily Blunt) und ihr Mann Lee (John Krasinski) mit ihren Kindern auf der familieneigenen Farm über Wasser. Das geht auf Dauer schief, weshalb die Abbotts ihren sicheren Hafen verlieren und sich nun auf die Suche nach Schutz begeben müssen.
Die beiden Jugendlichen rücken ins Zentrum
Das Erfrischende an der Fortsetzung ist, dass Krasinski sich nicht mit dem „und dann“ eines simplen Sequels zufriedengibt, sondern das vielschichtige Komplementärstück zum ersten Teil entwickelt, das als eigenständiger Film funktioniert. Es ginge weder Spannung verloren noch fehlten Informationen, wenn man die beiden Teile in vertauschter Reihenfolge sehen würde. Das ist vor allem ein Verdienst des ebenfalls von Krasinski geschriebenen Drehbuchs. Hielt der erste Teil sich noch an die Perspektive der Eltern, die ihre Kinder um jeden Preis beschützen und ihnen auch in der Apokalypse noch eine Ahnung von Alltag vermitteln wollen, schwenkt die Fortsetzung jetzt auf die beiden Jugendlichen um. Der ängstliche Marcus und die mutige Regan mussten innerhalb kürzester Zeit erwachsen werden, und sollen nun auch die Rolle der Beschützer übernehmen: Vater Lee ist nicht mehr da und Mutter Evelyn hat kurz vor der Flucht ein drittes Kind entbunden.
Dieser Perspektivwechsel spinnt nicht nur die Familiengeschichte als Coming-of-Age Story in Zeiten der Apokalypse fort, sondern erweitert vor allem die fesselnde Grundannahme des ersten Films. Die Aliens reagieren auf Geräusche, deshalb müssen sich die Menschen nahezu lautlos bewegen. Die Familie kann sich in Gebärdensprache verständigen, denn Regan ist gehörlos.
Doch nun spielt Krasinski diese beiden Umstände als konträre Überlebensstrategien geschickt gegeneinander aus. Regan bildet mit ihrer Gehörlosigkeit die Antithese zu den blinden Aliens. Die Inszenierung löst die vermeintlich lebensrettende Dichotomie auf, die zwischen Stille und Lärm besteht und über Sicherheit und Gefahr entscheidet. Das stille Schleichen und Huschen kippt in Gefahr um, als Regan allein auf Tour geht, aber selbst nicht wahrnehmen kann, dass sie Geräusche macht. Sie sieht das dadurch angelockte Alien erst, als es fast zu spät ist.
Rauschen, Kreischen, Klackern
Während das fremde Wesen im ersten Teil kaum zu sehen ist und so zur übergroßen psychologischen Bedrohung wird, ist es jetzt in seiner Körperlichkeit zwar präsenter, als eine Kreuzung aus den Alien-Entwürfen von H.R. Giger und Spielbergs ikonischem T-Rex aus „Jurassic Park“, wird auf Regans subjektiver Tonspur aber wieder zur unterschwelligen Bedrohung invertiert. Dabei schneidet der Film auf der Soundebene effektvoll zwischen Regans akustischer Wahrnehmung und der Außenwahrnehmung hin und her. Das dumpfe Rauschen ihrer Gehörlosigkeit und das überfallsartige Kreischen und Klackern des Aliens, das so klingt, als würde es versuchen, sich per Sonar zu orientieren, verkehren die ursprünglich als Gesetzmäßigkeit akzeptierte Zuschreibung von Gefahr und Sicherheit in ihr Gegenteil.
Indem beide Filme dramaturgisch auf der Soundebene verankert werden, führt Krasinski das Horrorgenre auf eines seiner Ur-Momente zurück. Geräusche, Soundeffekte und Musik sind in einem Genre essenziell, das sich auf den Aufbau und die Entladung von Spannung kapriziert.
Nach dem Kammerspiel des ersten Teils erweitert sich die Geräuschvielfalt, als die Abbots sich auf den Weg ins Ungewisse machen. Die Regie nutzt die ganze Palette aus vollkommener Stille, angespannter Wortlosigkeit, berauschenden Naturgeräuschen und die Ruhe durchbrechender Schreckmomente aus, um den Spannungsbogen dieses Überlebensthrillers am Anschlag zu halten.
Ein psychosomatischer Trip
Die schnell angreifenden Aliens bewirken effektive Schockmomente, doch eine viel tiefere Anspannung bewirkt das erzwungene Schweigen der Familie. „A Quiet Place 2“ kreiert eine Horror-Feedbackschleife, in der Sound und Stille auf sich selbst zurückgeworfen werden und sich in vielfacher Verstärkung geradezu körperlich übertragen. Daraus resultiert ein psychosomatischer Trip, der seinesgleichen sucht.