Es gibt eine beklemmende Szene in diesem Film, die das ganze Ausmaß sexueller Belästigung von Frauen am Arbeitsplatz, ihrer Beschämung und Erniedrigung, der Misogynie, die sich dahinter verbirgt, offenbart. Kayla, von Margot Robbie mit großen Augen und naivem Ehrgeiz gespielt, steht endlich im Büro des Fox-News-Senderchefs Roger Ailes und hofft auf einen Karrieresprung, am besten als Moderatorin vor der Kamera. Ailes bittet sie im Laufe des Gesprächs, aufzustehen und sich zu drehen. Dann soll sie den Saum ihres schwarzen Kleides hoch und höher ziehen, um ihre Beine zeigen – bis ihr Slip zu sehen ist. Verletzlichkeit, Angst und Unsicherheit spiegeln sich im Gesicht von Robbie. Der Schmerz über diese Demütigung ist für den Zuschauer sofort spürbar.
Der Skandal um Roger Ailes und Fox News trug sich im Sommer 2016 zu, noch ein Jahr vor den Schlagzeilen um Harvey Weinstein und der anschließenden Skandalwelle um männliche Übergriffigkeit. Regisseur Jay Roach zeichnet nun in einer irritierenden Mischung aus leichtfüßigem Erzählton und ernsthaftem Anliegen jene Tage nach, als die Starmoderatorin Gretchen Carlson ihren Chef Ailes verklagte und ihre Kollegin Megyn Kelly ihr – nach langem Schweigen – beiseitestand. Doch zunächst führt uns Megyn Kelly, von einer nicht wiederzuerkennenden Charlize Theron gespielt, durch die Flure von Fox News. Sie erklärt dem Zuschauer, wer die wichtigen Figuren sind, auf welchem Flur sich die Macht konzentriert, was man tun muss, um mal vor der Kamera zu stehen. Sie spricht direkt zu uns, mit einem Augenzwinkern und Lächeln, das den Zuschauer auf ihre Seite zieht.
Authentische Bilder aus dem Wahlkampf
Die Fronten sind geklärt. Megyn Kelly ist das Aushängeschild von Fox News: schön, blond, sexy. Eigenschaften, die gefragter sind als Eloquenz und Klugheit. Es ist Wahlkampf, und darum geht es nebenbei auch um die politischen Verwerfungen, die in den USA das gesellschaftliche Miteinander bestimmen: Trumps Aufstieg zur Macht, seine unheilvolle Verwicklung mit dem Fox-Sender, seine unverschämten Angriffe per Twitter, seine Lügen, seine Diffamierungen von politischen Gegnern und Journalisten, seine Frauenverachtung. Roach lässt oft authentische Nachrichtenbilder jener Zeit einfließen, manchmal hat er seine Schauspielerinnen digital einsetzen lassen, um so seinem Film einen dokumentarischen Charakter zu verleihen – was nicht immer funktioniert.
Als Megyn Kelly den Präsidentschaftskandidaten vor laufender Kamera mit seinen sexistischen Äußerungen konfrontiert, ist die Aufregung groß. Dem öffentlichen Kleinkrieg, von Trump befeuert, ist sie nicht gewachsen, sie wird beurlaubt. Währenddessen beschwert sich ihre gestandene Kollegin Gretchen Carlson (ebenfalls sehr irritierend „maskiert“: Nicole Kidman), eine ehemalige „Miss America“, über die herablassenden Sprüche ihrer Co-Moderatoren bei der Morning Show „Fox & Friends“. Zwar bekommt sie jetzt eine eigene Show, allerdings am unattraktiven Nachmittag. Kurz darauf läuft ihr Vertrag aus, angeblich wegen „enttäuschender Einschaltquoten“. Gretchen Carlson zieht gegen ihren langjährigen Boss Ailes, von John Lithgow etwas zu outriert als paranoides und lüsternes Monster gespielt, wegen sexueller Belästigung vor Gericht. Um den Fall zu gewinnen, müssten sich allerdings weitere betroffene Frauen melden…
Bewusst gesuchte Extreme
Jay Roach, bekannt durch Komödien wie „Austin Powers“ und „Meine Braut, ihr Vater und ich“, aber auch durch Filme wie „Trumbo“ und „Die Qual der Wahl“, und sein Drehbuchautor Charles Randolph („The Big Short“) suchen bewusst die Extreme, Leisetreterei ist ihre Sache nicht. Dafür ist ihnen das Thema viel zu wichtig. Das beginnt schon mit der puppenhaften Zeichnung der weiblichen Hauptfiguren und dem prägnanten Kostümdesign. Die Frauen tragen schon durch ihre Kleidung ihre Corporate Identity wie eine Uniform nach außen: hohe Absätze, kurze, enge Kleider, roter Lippenstift, glänzendes Make-up, wetterfeste Frisuren. Die Betonung weiblicher Attraktivität, die Kultur des schönen Scheins bei Fox News wird in einer emblematischen Szene deutlich: Während die Redakteurinnen am Telefon versuchen, Ailes gegenüber Journalisten zu verteidigen, zwängen sie sich in sogenannte Shapewear oder füllen ihre BHs mit Pads. Die Frau ist auf ihr Äußeres reduziert, ein Objekt. Was sie dann vor der Kamera sagt, spielt keine Rolle mehr.
Roach mischt Fakten mit Fiktion. Während Charlize Theron und Nicole Kidman authentische Fox-Moderatorinnen spielen, ist Margot Robbies Kayla eine erfundene Figur, zusammengesetzt aus unterschiedlichen weiblichen Angestellten, die unter Ailes zu leiden hatten. Darum macht sie auch die größte Wandlung durch, von der erwartungsvollen, enthusiastischen Redakteurin bis zur engagierten, furchtlosen Whistleblowerin. „Wir erkennen einander!“, sagt Megyn Kelly einmal zu ihr. Und so ist auch jene Szene zu verstehen, in der Gretchen, Megyn und Kayla zufällig denselben Aufzug besteigen und schweigsam nach oben fahren. Nur gemeinsam sind sie stark.