Auf diese Idee muss man erst einmal kommen. Harry Rosenmerck, jüdischer Kardiologe in New York, verlässt seine Familie, um ausgerechnet in Nazareth Schweine zu züchten. Schweine auf geweihtem Boden! Das ruft gleich mehrere Widersacher auf den Plan, von den Nachbarn bis zum orthodoxen jüdischen Rabbi Moshe, der den alten Mann zur Raison bringen will. Harrys schöne und lebhafte Ex-Frau Monica versucht derweil in New York, die Familie zusammenzuhalten, obwohl sie an einem Hirntumor leidet und bald sterben wird. Zur Familie gehören Sohn David, der als schwuler Autor in Manhattan eine Avantgarde-Produktion über seinen entfremdeten Vater auf die Bühne bringt, und Tochter Annabelle, die noch als Mittdreißigerin immer wieder Geld von ihrem Vater leiht und sich in Brüssel halbherzig als Fotografin versucht.
Der Rabbi hat eine Frau und viele Söhne, der Älteste will zur israelischen Armee. Dann ist da noch ein fanatischer christlicher Prediger, der Harry aus seinem Haus vertreiben will, weil hier Jesus Christus gelebt habe. Als Annabelle zu Besuch in Nazareth erfolglos einen Checkpoint passieren will, kommt auch der Nahost-Konflikt zur Sprache. Und dann sind da noch die Schweine, die irgendwie süß sind, obwohl sie hier nicht hingehören. In der Folge geht es darum, dass sich Harry und Moshe – trotz aller Differenzen – miteinander anfreunden, während die Rosenmercks endlich dazu kommen, sich einmal auszusprechen.
Eine lose Szenenfolge
Es ist also einiges los in diesem Film. Die französische Regisseurin und Schriftstellerin Amanda Sthers hat ihren eigenen Roman „Schweine züchten in Nazareth“ verfilmt und dabei viele Steine ins Rollen gebracht. Unbekümmert springt sie zwischen den Handlungssträngen hin und her, von New York nach Brüssel, von dort nach Nazareth und wieder zurück. Die lose Szenenfolge wird durch ein Voiceover zusammengehalten, bei dem die unterschiedlichen Familienmitglieder aus den Briefen vorlesen, die sie sich gegenseitig geschrieben haben.
Doch Zusammenhang oder gar Stringenz wollen sich so nicht einstellen. Was sich auf dem Papier vielleicht gut liest, hört sich für die Ohren mitunter doch unfreiwillig komisch an. Sthers überspannt den Bogen, indem sie eine konfliktbeladene Familie ständig neuen Missverständnissen aussetzt. Autistische Feindseligkeit steht der Chance, diese Missverständnisse aufzuklären oder Fehler wieder gutzumachen, im Weg. Das Bedauern über verpasste Lebenschancen und die Unfähigkeit zur Versöhnung bestimmen die Atmosphäre des Films. Das ist umso bedauerlicher, als das Handeln der Charaktere durch das Drehbuch nicht ausreichend unterfüttert wird und somit kaum bewegt.
Schweine als neckische Bildidee
Vor allem Harry Rosenmerck, jener Pascha, der durch sein Verschwinden die Familie erst in die Krise stürzt, bleibt am undurchsichtigsten. In Israel Schweine zu züchten, ist als Bildidee nicht nur neckisch, sondern angesichts der Widerstände auch unvernünftig; die reine Provokation ist als handlungstragendes Motiv aber zu wenig.
Immerhin freut man sich, den 80-jährigen James Caan wiederzusehen, der hier starrköpfig und vorgebeugt durch den Film schlurft. Auch Rosanna Arquette sieht man viel zu selten. Wenn sie einen Theaterkritiker, der im Stück ihres Filmsohnes erst geschlafen und es dann aber trotzdem verrissen hat, in einem Restaurant zur Schnecke macht, sprüht sie voller Zorn und Streitlust. Von dieser Lebendigkeit hätte man sich in der Figurenzeichnung mehr gewünscht.